Da rollt was zu auf Leipzig und seinen knapp bemessenen Haushalt. Vor vier Jahren hat Leipzigs Verwaltung „Freie Fahrt“ gegeben fürs Kita-Schnellbau-Programm. Es gab ja genug Ärger mit verzweifelten Eltern, die keinen Platz für ihr Kind fanden. Aber dabei entschied sich Leipzig für einen ziemlich teuren Weg: das Bauen mit Privaten und das folgende Anmieten der Gebäude. Das war bislang auch kein großes Thema im Stadtrat. Wird es aber jetzt.

Am 5. Juli gab das Sozialdezernat erstmals eine Vorlage ins Verfahren, in der nicht nur die Investitionskosten, sondern auch steigende Folgekosten für das rasante Kita-Bauen zumindest benannt wurden. Schon bei den Investitionen gehen einige Projekte deutlich über die von der Stadt veranschlagten 15.600 Euro pro Platz hinaus. Teilweise fallen über 17.000, 18.000, einmal sogar 19.000 Euro an. Die Investoren möchten das Geld natürlich wieder zurück. Das schlägt dann logischerweise auf die Betriebskosten durch, die über die Jahre anfallen und von denen die Stadt den größten Teil übernehmen muss.

Schon bei den zum Teil irrlichternden Zahlen zu neu geplanten Kita-Plätzen hat sich Steffen Wehmann, der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, in den Ring begeben. In den von der Stadt gemeldeten neuen Plätzen für die nächsten Jahre steckten noch jede Menge, die in den vergangenen Jahren vom Stadtrat längst beschlossen waren.

Aber bei den Kindertagesstätten hat Leipzigs Verwaltung schon mal ausprobiert, was jetzt auch bei den Schulen ein neues Finanzierungsmodell werden soll: Man lässt von Privaten bauen und mietet die Gebäude dann quasi für die nächsten Jahrzehnte an. Aber wie hoch die dadurch entstehenden Zusatzkosten sein werden, ist aus der Vorlage des Dezernats Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nicht wirklich zu ersehen. Dazu bräuchte man eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung. Sonst kann ja auch kein Stadtrat vergleichen, was das Bauen in städtischer Trägerschaft im Vergleich mit privater Bauinvestition gekostet hätte.

Insofern staunt Steffen Wehmann über eine Äußerung von Finanzbürgermeister Torsten Bonew, der in der LVZ vom 21. Juli mit den Worten zitiert wird: „Es gibt einige Kitas, die sicher zu teuer geworden sind“.

„Tatsächlich nur ‚einige‘?“, fragt Wehmann. „Um die oben genannte Äußerung zu belegen, müsste die Verwaltung die Karten offenlegen, das heißt ihre Berechnungen vorlegen. Es ist leider eher davon auszugehen, dass es im allerbesten Fall (!) bei den langfristig angemieteten Kitas nur ‚einige‘ wenige Ausnahmen gibt, bei denen die Stadt Leipzig mit dem ‚Alternativmodell‘ finanziell besser fährt.“

Es ist genau das Alternativmodell, das jetzt auch zum Finanzieren des Schulbaus in Leipzig geprüft wird.

Im März 2014 hatte die Linksfraktion mal angefragt, ob die „alternativen“ Mietmodelle mit dem konventionellen Eigenbau gemäß den geltenden Gesetzen in Sachsen verglichen wurden und werden.

Aber da gab es – so Wehmann – nur ziemlich dürftige Antworten: „Ein genauer Kostenvergleich hierzu liegt nicht vor“ und „es wird angenommen, dass die Investitionskosten von Dritten … ähnlich hoch ausfallen“.

Was schon von der Logik her nicht funktioniert. Denn wer sich von Privaten ein Gebäude bauen lässt und es dann anmietet, zahlt quasi Zins auf die Investition. Langfristig erhöht das die Summe, die die Stadt bereitstellen muss, deutlich. Einziger Vorteil: Man hat nicht gleich die komplette Investitionssumme auf dem Tisch. Wenn man gleich Dutzende solcher Projekte anschiebt, erhöht sich quasi der Berg der Kosten in der Zukunft.

„Seitdem hat sich nichts getan“, stellt Steffen Wehmann fest. „Auch in der ‚Sammelvorlage Kita-Investitionen und Folgekosten 2017/2018 ff‘, die die Investitionen in diesem Bereich bis in das Jahr 2020 beinhaltet und über die der Stadtrat in der Augustratsversammlung beschließen soll, fehlt erneut der Kostenvergleich wie in allen bisherigen  Beschlussvorlagen.“

Die Verwaltung liefere nicht einmal den Versuch eines „transparenten“ Nachweises  und „ergebnisoffenen“ Vergleiches in dem Papier.

Für den Stadtrat der Linken ein Punkt, jetzt noch einmal deutlich „die generelle Anwendung des Gesetzes – § 12 (2), KommHVDoppik“ zu fordern. Danach ist für Investitionen mit erheblicher, finanzieller Bedeutung die Vergleichs- und Wirtschaftlichkeitsberechnung der Modelle in den Kommunen zwingend vorgesehen.

Und Wehmann fehlt auch die Umsetzung des mit dem Beschluss des Stadtrates im Mai 2015 verfolgten Strategiewechsels zu einem Mehr an kommunalen Investitionen durch die Stadt Leipzig. Die Stadt hält sich beim Bau eigener Kindertagesstätten weiterhin sichtlich zurück.

Und dann hat Wehmann da so einen kleinen Verdacht, dass die Stadt sich mit ihrer forcierten Politik des Anmietmodells auf eigentlich genehmigungsfälliges Territorium begeben hat. Wehmann: „Weiterhin erwarten wir von der Verwaltung eine zügige Prüfung, ob es sich bei den Mietmodellen – wie der Landesrechnungshof vermutet – um ‚kreditähnliche Rechtsgeschäfte‘ handelt.“

Nach dem Stadtratsbeschluss vom Mai 2015 sollten kommunale Investitionen beim Kita-Bau Vorrang bekommen. Das hätte auch wieder eine andere Liegenschaftspolitik bedeutet, mit der sich die Stadt die notwendigen Grundstücke für Kita-Bau sichert.

„Im Unterschied zur Verwaltung basieren unsere Forderungen auf einem Strategiewechsel sowie auf unseren eingebrachten Antrag und mit einer Mehrheit im Stadtrat angenommenen Beschluss ‚Vorfahrt bei Kita-Investitionen durch die Kommune‘ auf einer gesicherten Ergebnisbasis aus einer Vielzahl von Berechnungen“, betont Wehmann und lässt damit durchblicken, dass er die bisherige Kita-Politik für ein sehr unberechenbares Unterfangen hält.

„Von einem ‚mittlerweile‘ geordneten und standardisiertem ‚Verfahren‘ in dieser Sache, so wie es Herr Bonew formuliert, ist auch in der vorgenannten Beschlussvorlage nichts zu lesen“, betont der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion. „Daher ist auch weiterhin davon auszugehen, dass die Stadt Leipzig nicht einmal eine Vergleichsrechnung vorlegen kann. Dies ist bei hohen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich (allein) im Kitabau und – aufgrund der Mehrzahl langfristig, fixen, bis zu 25 Jahren angemieteten Objekte – drohenden Mehrausgaben und -auszahlungen in ähnlicher Höhe nicht nachvollziehbar.“

Linke-Anfrage zum Stadtratsbeschluss von 2015.

Sachverhalt zur „Sammelvorlage Kita-Investitionen und Folgekosten 2017/2018ff“.

„Investitionsvorhaben Kita 2017/18ff und Folgekosten in der Stadt Leipzig“ aus der Sammelvorlage.

In eigener Sache

Dein Leipzig. Deine Zeitung. Deine Entscheidung. Werde Unterstützer!
Viele gute Gründe gibt es hier.
Überzeugt? Dann hier lang zum Kombi-Abo „LZ & L-IZ.de“ für 59,50 EUR/Jahr

Mehr zum Thema auf L-IZ.de: Kita-Klemme in Leipzig ist noch lange nicht überwunden

Kita-Klemme in Leipzig ist noch lange nicht überwunden

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar