Für Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning war das die große Tour des Jahres 2017: Er hat alle zehn Stadtbezirksbeiräte und alle 14 Ortschaftsräte persönlich besucht, mit den Leuten geredet und versucht, sich ein Bild zu machen, ob die Arbeit dieser demokratischen Vertretungen im Ortsteil auch funktioniert und wahrgenommen wird. Da kam es ja bekanntlich in der Vergangenheit zu etlichen Diskussionen.

Bis hin zu der auch verständlichen Forderung, den Stadtbezirksbeiräten dieselben Befugnisse – und ein Geldbudget – wie den Ortschaftsräten in den 14 in den Jahren 1999/2000 eingemeindeten Ortsteilen zu gewähren.

Auch aus Sicht einiger Stadtratsfraktionen wäre das wünschenswert, damit im ganzen Stadtgebiet endlich einheitliche Beteiligung möglich ist. Dresden hat den Vorstoß zur Ortschaftsratsverfassung schon gewagt, auch wenn die Staatsregierung das Experiment nicht akzeptieren möchte. Chemnitz hingegen hat nicht mal Stadtbezirksbeiräte.

Mit dem Kommunalrecht möchte das die Staatsregierung zwar gern vereinheitlichen. Aber die verschiedenen Städte im Land haben die unterschiedlichen Modelle ja auch, weil sie unterschiedliche Traditionen und Erfahrungen haben.

Trotzdem sieht Hörning eine Menge Handlungsbedarf. Denn dass auch Leipzigs Stadtbezirksbeiräte eine starke Rolle spielen können, wenn sie dürfen, hat die Nutzung des Instruments „Dringliche Angelegenheit“ gezeigt.

Denn da die Stadtbezirksbeiräte (anders als die Ortschaftsräte) nicht demokratisch gewählt sind, dürfen sie auch keine Anträge stellen. Wenn sie also ein Thema aus dem Stadtbezirk zur Aufgabe des Stadtrates machen wollen, müssen sie es als „Dringliche Angelegenheit“ formulieren. So begann die Debatte um den verkehrsorganisatorischen Umbau des Lindenauer Marktes, aber auch so etwas scheinbar Kleines wie die Schaffung einer zusätzlichen Ampel auf der Dieskaustraße.

In einigen Stadtbezirken wird der Stadtbezirksbeirat von den Bürgern – aber auch von seinen Mitgliedern – schon als ein kleines Vor-Ort-Parlament begriffen, in dem die aktuell dringendsten Probleme des Stadtbezirks besprochen werden und auch Beschlüsse gefasst werden, von denen sich die Beteiligten wünschen, dass Stadtrat und Verwaltung sie übernehmen.

Aber das alles lebt vom Engagement der Mitglieder. Die Öffentlichkeit bekommt meist gar nicht mit, wann „ihr“ Stadtbezirksbeirat tagt. Oder wo er tagt. Und einige Tagungsorte, so Hörning, sind tatsächlich nicht attraktiv – ausgestattet meistens auch nicht so, wie es ein richtiges kleines Parlament braucht.

Deswegen hat er jetzt auch eine 17-seitige Vorlage ins Verfahren gegeben, die alle Vorschläge einmal auflistet, wie die Arbeit vor allem der Stadtbezirksbeiräte in nächster Zeit besser organisiert werden kann.

Insgesamt sind es acht Punkte, die jetzt im „Jahr der Demokratie“ 2018 angepackt werden sollen.

Punkt 1 ist sogar so selbstverständlich, dass man sich wundert, dass er noch nie umgesetzt wurde: „Ausstattung der Gremienmitglieder mit einheitlichen Emailadressen, analog den Stadträten.“ Das kann das Büro für Ratsangelegenheiten einheitlich für alle Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte einrichten. Und dann hätte Hörning auch die Möglichkeit, allen Stadtbezirksbeiratsmitglieder alle wichtigen Informationen und Vorlagen zukommen zu lassen. Ganz automatisch. Und dazu gehört dann auch die direkte Arbeitsmöglichkeit im Ratsinformationssystem: „Den Mitgliedern der Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte wird analog den Stadträten eine IT-Berechtigungsrolle im Ratsinformationssystem Allris eingerichtet.“

Punkt 2 betrifft regelmäßige Schulungsangebote für alle Mitglieder von Ortschaftsräten und Stadtbezirksbeiräten.

Punkt 3 betrifft etwas ganz Wesentliches: die „Lage und Ausstattung der Sitzungsräume von Gremien“. Nicht alle Tagungsräume sind wirklich zumutbar, stellt Hörning fest. Da muss die Verwaltung handeln und nicht nur ansprechende Räume zur Verfügung stellen, sondern sie für solche Gremiensitzungen auch entsprechend ausstatten: „Umsetzung einheitlicher Standards hinsichtlich Lage und Ausstattung (u. a. WLAN, Beamer, Leinwand, Laptop …“). Und Lage bedeutet auch: Der Tagungsort muss im Stadtteil bekannt sein, auch entsprechende Hinweisschilder sollte es geben, damit interessierte Bürger auch hinfinden. Denn die Sitzungen sind öffentlich, die Anwesenheit der interessierten Bürger ist erwünscht. Sie sollen dabei sein, wenn die Probleme ihres Wohnorts diskutiert werden. Ordentliche Hinweisschilder gehören einfach dazu.

Punkt 4 ist der „Demokratiekalender 2018“. “Der Kalender soll regionalspezifische (Stadt- und Ortsteilbezogen) Informationen und Kontaktdaten zu den wichtigen Akteuren der lokalen Demokratie (SBBs, OR, SR, etc.) vermitteln.“ Sinn ist, dass mehr Leipziger überhaupt erst einmal mitkriegen, wo eigentlich die für sie verantwortlichen Gremien tagen und worüber dort gesprochen wird.

Das alles sind Maßnahmen, deren sofortige Umsetzung sich Hörning gut vorstellen kann.

Aber es kommen noch vier Punkte.

Punkt 5 betrifft die „Adressgerechte Information zur politischen Gremienarbeit“, was unter anderem eine Aufgabe für die Kommunikationsabteilung des Rathauses ist: „Über die Arbeit der Stadträte, Stadtbezirksbeiräten und der Ortschaftsräten wird auf leipzig.de und dem Amtsblatt besser und ausführlicher berichtet.“ Denn bislang erfahren die Leipziger über die Arbeit ihrer ureigensten Ortschaftsräte und Stadtbezirksbeiräte eher wenig bis nichts – es sei denn, Zeitungen wie die L-IZ greifen ein Thema auf.

Punkt 6 nennt sich „Lokale Demokratie vor Ort“. Hier wird an ein Format angeknüpft, das schon erfolgreich funktioniert: Die Besuche des OBM in verschiedensten Ortsteilen, wo er sich nicht nur über die lokalen Probleme informieren lässt, sondern in Zusammenhang mit Ortsteilrat und Stadtbezirksbeirat auch gezielt die Orte mit Handlungsbedarf ansteuert – die Grundlage dafür, dass aus dem Problem dann auch mal ein Verwaltungsvorschlag wird, wie man es lösen kann. Dasselbe kann sich Hörning auch sehr gut mit den Fachbürgermeistern vorstellen. Dann lernen sich die Bürger und die zuständigen BürgermeisterInnen auch mal vor Ort kennen und können direkt am Problemort über Lösungen diskutieren.

Punkt 7 ist eigentlich der spannendste, auch wenn er trocken lautet „Umsetzung der Reform der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO)“. Aber dazu gehört für Ulrich Hörning auch die Debatte darüber, ob man die Mitglieder der Stadtbezirksbeiräte (adäquat zu den Ortschaftsräten) künftig direkt von den Bürgern wählen lässt. Bis jetzt werden sie – auf Grundlage des Stadtratswahlergebnisses – direkt vom Stadtrat benannt. Eine Direktwahl (möglichst parallel mit der Stadtratswahl) würde die Kandidaten bekannter machen, sie könnten auch ihre Themen setzen und damit Stadtteilpolitik beeinflussen. Aber nicht nur die Mitglieder brauchen eine Stärkung, auch die Vorsitzenden der Stadtbezirksbeiräte. Die werden immer von der Verwaltung gestellt, leisten die Aufgabe dann mehr oder weniger nebenberuflich ab, haben aber selbst kaum Zeit, sich wirklich umfassend mit allen Themen zu beschäftigen. Hörning stellt sich ihre Rolle künftig aber stärker als „Kümmerer“ vor, mit einem größeren Zeit- und Geldbudget, mit dem sie die Themen aus dem Stadtbezirk vorantreiben können.

Punkt 8 nennt sich dann schlicht „Verbesserung des Vorlagenmanagements“. Dazu gehört dann auch, die Abstimmungsergebnisse auch für den Stadtrat sichtbar zu machen: Ist das Thema von allen Beiratsmitgliedern unterstützt worden? Und welche Argumente standen dahinter?

Die ersten vier Punkte betrachtet Hörning als sofort umsetzbare Maßnahmen, die noch 2018 erfolgen können. Kostenaufwand insgesamt rund 23.500 Euro.

Das 17-seitige Papier ist erst einmal eine Informationsvorlage. Damit würde der Stadtrat den Verwaltungsbürgermeister beauftragen, bis zum zweiten Quartal Vorschläge für die Umsetzung aller Maßnahmen vorzulegen. Die vier Punkte aus den Sofortmaßnahmen würden sofort in Angriff genommen.

Die Vorlage „Konkrete Maßnahmen lokaler Demokratiepolitik“.

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Es gibt 2 Kommentare

Deshalb sollte man den Originalantrag der SPD Fraktion in Neufassung 02 kennen der genau dazu Lösungen und Antworten fordert und weswegen die SPD Fraktion ihren Antrag und nicht den Verwaltungsstandpunkt heute favorisiert und in den OR und SBBR abstimmen lässt.

Tolle Vorschläge von Hörnig, aber er vergisst eines und das ist aus meiner Sicht das wichtigste: ein nachvollziehbare Antwortmanagement der Stadtverwaltung. Das insbesondere bezüglich der Einwohneranfragen, die dem SBB mit seinen Kümmerer seitens der Bürger gestellt werden.

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