Heute hat er Geburtstag: Erich Richard Moritz Zeigner, 1886 in Erfurt geboren, 1949 in Leipzig gestorben, Leipzigs großer Nachkriegsbürgermeister, der so auffällig fehlt in der am 2. Februar eröffneten OBM-Galerie im Neuen Rathaus. Deswegen wird die Leipziger Linke heute auf den Südfriedhof pilgern und einen Strauß niederlegen an Zeigners Grab. Für Aufmerksamkeit sorgte sie schon am gestrigen Freitag.

Da lud die Linksfraktion in die unvollständige OBM-Galerie im Rathaus ein zur Präsentation eines Porträts von Erich Zeigner, das jetzt eigentlich in die Galerie gehängt werden könnte. Es ist eine Kopie des Gemäldes von Walter Tiemann, das im Erich-Zeigner-Haus hängt. Die Linksfraktion hat es als Fine Art Print kopieren lassen und kündigt auch gleich schon mal an, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung um diesen Vorgänger nicht herumkommt. Denn am 7. März wollen die Linken ihm das Zeigner-Porträt zum Geburtstag schenken. Da wird Jung 60. Ein schöner runder Geburtstag, der vielleicht auch hilft, über die Vergänglichkeit nachzudenken und über die Mühen eines Oberbürgermeisters, der wesentlich schwerere Zeiten zu bewältigen hatte.

Man kann Erich Zeigner nicht auf seine Einsetzung als OBM 1945 durch die sowjetische Besatzung reduzieren. Auch nicht auf seine SED-Mitgliedschaft ab 1946, als KPD und SPD sich im Osten vereinigen. Auf die stalinistische Weise, keine Frage. Aber gerade Männer wie Zeigner stehen auch für die große Hoffnung vieler damaliger Sozialdemokratien, dass mit der Vereinigung auch die Spaltung der Linken beendet würde, die einer der Gründe dafür war, dass Deutschland 1933 zum Fallobst für die Nazis wurde. SPD und KPD hatten sich bis zuletzt bis aufs Messer bekämpft.

Das erinnert schon manchmal an die Gegenwart, wo die beiden Parteien, die sich beide auf die alte SPD der Bebel und Liebknecht berufen, emsiger dabei sind, sich voneinander abzugrenzen, als dass sie gemeinsam für eine solidarische Politik kämpfen.

Was Sören Pellmann, den Vorsitzenden der Linksfraktion und Bundestagsabgeordneten, besonders ärgert, ist die falsche Begründung Burkhard Jungs dafür, dass er auch Erich Zeigner aus der OBM-Galerie verbannt hat (nebst den Nazi-Bürgermeistern und allen OBMs aus der DDR-Zeit). Tenor: Sie seien nicht durch demokratische Wahlen ins Amt gekommen.

Was auf Zeigner ganz bestimmt nicht zutrifft. „Zeigners Wahl war wesentlich demokratischer als alle Wahlen vor 1918“, sagt Pellmann. Denn die Gemeindewahlen von 1946 waren tatsächlich demokratisch – auch wenn Besatzer und SED schon versuchten sie zu instrumentalisieren. Die SED hatte keine Mehrheit im Stadtrat. Und trotzdem wählte der Stadtrat Zeigner einstimmig zum Oberbürgermeister.

Porträtenthüllung mit Franziska Riekewald, Margitta Hollick, Sören Pellmann und William Grosser (v.l.). Foto: Ralf Julke
Porträtenthüllung mit Franziska Riekewald, Margitta Hollick, Sören Pellmann und William Grosser (v.l.). Foto: Ralf Julke

Und damit war er demokratisch stärker legitimiert als die in der Galerie vertretenen Oberbürgermeister Georgi, Dittrich und Tröndlin. Da passte der am Donnerstag, 15. Februar, erschienene Band 3 zur Leipziger Stadtgeschichte wie die Faust aufs Auge. Er umfasst das „lange 19. Jahrhundert“ und berichtet ab Seite 521 auch über das Wahlrecht der Kaiserzeit, das die Mehrheit der Leipziger (von Frauen ganz zu schweigen) regelrecht ausschloss von Wahlen bzw. ihre Stimmen so entwertete, dass das Besitzbürgertum fast allein bestimmte, wer im Stadtrat saß und den OBM wählte.

Und da Burkhard Jung so darauf besteht, nur demokratisch gewählte Oberbürgermeister in der Galerie hängen zu sehen, hat Sören Pellmann nur zu Recht, wenn er das „ausgesprochen oligarchische Politikverständnis“ von Jung hinterfragt. Die Verdienste von Dittrich, Georgi und Tröndlin stellt er nicht infrage. Aber wenn man nach Verdiensten geht, gehört Erich Zeigner ebenfalls in die Galerie. Er hat Leipzig nun wirklich in seiner schwierigsten Phase regiert und sich dabei auch gesundheitlich aufgerieben. Ein einfaches Regieren war das ganz bestimmt nicht, wenn er für alle wichtigen Entscheidungen die Zustimmung der sowjetischen Kommandantur brauchte, anderseits aber eine in großen Teilen zerstörte Stadt wieder in Gang bringen und vor allem in Hungerjahren die Versorgung der Bevölkerung sichern musste.

Die Leipziger waren ihm so dankbar, dass sie schon unmittelbar nach seinem Tod im April 1949 die Elisabethallee in Plagwitz nach Erich Zeigner umbenannten. Den Namen trägt die Straße noch immer.

Eher ist es erstaunlich, dass das Gemälde Walter Tiemanns von Erich Zeigner nicht im Neuen Rathaus hängt. Das erzählt eher davon, dass sich die Verantwortlichen nicht wirklich ernsthaft mit der Frage beschäftigt haben: Zu welcher Traditionslinie bekennt sich Leipzig heute? Dass die großbürgerlichen Oberbürgermeister der Kaiserzeit dominieren, hat einen Beigeschmack. Gerade in Bezug auf Zeigner, der sich 1948 von Tiemann malen ließ. Seit 1992 vergibt der Verein zur Förderung von Grafik und Druckkunst Leipzig e.V. den Walter-Tiemann-Preis.

Im Stadtrat hat die Linksfraktion inzwischen beantragt, Zeigner unbedingt mit in die Galerie aufzunehmen und an seine beiden Nachfolger Kresse und Opitz wenigstens zu erinnern, auch sie gestandene Antifaschisten, die unter den Nazis gelitten hatten.

Vielleicht kommt ja Burkhard bis zum 7. März auf andere Gedanken.

Auch für Leipzigs SPD gehört Erich Zeigner in die Reihe demokratischer Leipziger Oberbürgermeister

Auch für Leipzigs SPD gehört Erich Zeigner in die Reihe demokratischer Leipziger Oberbürgermeister

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