Er fehlte eindeutig, als OBM Burkhard Jung am 2. Februar die Galerie der demokratisch gewählten OBM im Neuen Rathaus eröffnete. Der Protest der Linkspartei kam postwendend: Mit Erich Zeigner hatte Leipzig auch einen demokratisch gewählten Nachkriegs-OBM. Aber postwendend kam wieder Getrommel aus den bürgerlichen Parteien. Friedrich Vosberg, Kreisvorsitzender der FDP, meint gar, "dass Dr. Zeigners Rolle als Oberbürgermeister nie demokratisch legitimiert war."

Und die Gemeinderatswahl von 1946 stellte er gleich mal komplett in Frage. “Daran ändert es nichts, dass er 1946 in seinem Amt durch die Stadtverordnetenversammlung bestätigt wurde”, meinte Vosberg, “denn diese Stadtverordnetenversammlung ist aus Kommunalwahlen hervorgegangen, die demokratischen Grundsätzen nicht entsprachen. Vorausgegangen ist die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED, der Rechtsvorgängerin der heutigen Linkspartei. Die kommunistische Militäradministration behinderte andere Parteien massiv, verbot eigenständige Aktivitäten der SPD neben der SED und unterstützte hingegen die KPD. Kein aufrechter Demokrat käme auf die Idee, hier von einer demokratischen Legitimation von Stadtverordnetenversammlung und OBM-Wahl zu sprechen. Im Gegenteil: So beliebt Dr. Zeigner gewesen sein mag – er war aber gleichzeitig Marionette der Militärmachthaber und der von ihr protegierten Kommunisten.”

Erstaunlich nur, dass CDU und LDP (die Vorgängerpartei der heutigen FDP) in diesem Stadtrat die Mehrheit erzielten und die Wahl Zeigners zum OBM mittrugen.

Mit seinem Votum findet Vosberg auch nicht die Zustimmung der SPD.

Die SPD-Ortsvereine Leipzig-Altwest und -Südwest sehen sich in der demokratischen Tradition Erich Zeigners, teilen beide jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.

Sie erklären gemeinsam: “Natürlich gehört das Porträt Erich Zeigners in die Galerie der demokratischen Leipziger Oberbürgermeister. Unseren Ortsvereinen geht es dabei nicht in erster Linie um die unbestrittenen Leistungen Zeigners für die Stadt, sondern vor allem um seine Verdienste um die Demokratie in Sachsen. Erich Zeigner hat bereits im Kaiserreich für Demokratie und Republik gestritten. Er hat als Justizminister und Ministerpräsident Sachsens die Demokratie gegen alle Anfeindungen verteidigt und demokratische Reformen durchgeführt. Aus diesem Grund hängt sein Portrait auch in der Sächsischen Staatskanzlei in der Ahnengallerie demokratischer Ministerpräsidenten des Freistaates. Ihn aus einer solchen Galerie in Leipzig auszuschließen, ist geschichtsvergessen, denn Zeigner ist auch gegenüber der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) vehement für eine zentrale Säule der Demokratie in Deutschland eingetreten – die kommunale Selbstverwaltung. Diese hat er klug, offensiv und streitbar gegenüber SMAD und SED-Führung in Dresden vertreten und bis zu seinem verfrühten Tod 1949 auch verteidigen können.”

Es wird also mal wieder Zeit für eine ordentliche Erich-Zeigner-Biografie, die das Leben dieses Mannes wirklich in seiner ganzen Komplexität beschreibt.

“Die ganze Absurdität des Ausschlusses Zeigners aus der OBM-Galerie sieht man, wenn man auflistet, welche OBM des letzten Jahrhunderts bislang nicht dabei sind”, kommentiert Benjamin Schulz, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Leipzig-Südwest. “Denn dann steht Erich Zeigner in einer Reihe mit Nazis und späteren SED-Apparatschiks. Und da gehört er definitiv nicht hin! Man kann Erich Zeigner nicht mit Oberbürgermeistern gleichsetzen, die Demokratie und Rechtsstaat mit Füßen getreten haben. Daher sollte man im Rathaus nicht beratungsresistent sein, sondern das Angebot des Erich Zeigner Haus e.V. annehmen – und das Porträt Zeigners in die Galerie aufnehmen.“

Und Christian Schulze, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Leipzig-Altwest, ergänzt: „Wir sehen uns in der Tradition Erich Zeigners. Er war bis zu seinem frühen Tod aufrechter Sozialdemokrat. Auch deshalb hatten SPD-Abgeordnete aus dem Landtag und dem Europaparlament ihre Büros viele Jahre im Zeigner-Haus. Deshalb unterstützen Leipziger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den Erich Zeigner Haus e.V., nicht nur wir in Altwest, aber gerade wir.“

Das Erich-Zeigner-Haus, ehemaliger Wohn- und Arbeitsort von Erich Zeigner, befindet sich in der Zschocherschen Straße 21, im Gebiet des heutigen Ortsvereins Leipzig-Altwest.

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