So schnell kann es gehen, wen man gute Argumente hat und kämpft: Der Linke-Antrag, dass auch Leipzigs großer Nachkriegs-OBM Erich Zeigner in die Oberbürgermeister-Galerie im Neuen Rathaus aufgenommen wird, findet Zustimmung bei Burkhard Jung. Vielleicht hat ja das Geburtstagsgeschenk der Linksfraktion zum 60. Geburtstag geholfen: ein Zeigner-Porträt für Burkhard Jung.

Jedenfalls stimmt OBM-Jung in seinem Verwaltungstandpunkt zum Linke-Antrag, Zeigner mit in die Galerie im Neuen Rathaus aufzunehmen, zu. Mit ein paar Vorbehalten. Trotzdem wortreich. Vielleicht musste er selbst erst einmal die ganzen Bücher zu Zeigners Wirken in der Weimarer Republik, als sächsischer Ministerpräsident, als Verfolgter des NS-Regimes und als erster gewählter Nachkriegsbürgermeister nachlesen – samt den städtischen Statistiken zu den Wahlen von 1946, die noch einmal demokratische Wahlen waren, bevor es ab 1949 wieder ganz anders langging.

„Erich Zeigner wird in die Porträt-Galerie der Leipziger Oberbürgermeister aufgenommen“, stellt Jung fest und betont: „Er besitzt einen wichtigen Platz in der Leipziger Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Als sächsischer Justizminister und Ministerpräsident hat Erich Zeigner für ein demokratisches Deutschland gekämpft und hielt zur Zeit des Nationalsozialismus an seinen sozialistischen und humanistischen Idealen fest. Berufsverbot, Anklagen wegen Hochverrats, Gefängnis und nach dem 20. Juli eine elfmonatige Inhaftierung im KZ Buchenwald waren der Preis, den er für seine Überzeugungen und seinen Mut gezahlt hat.

Erich Zeigner hat im Sommer 1945 in einem historischen Moment politische Verantwortung übernommen, der schwieriger nicht sein konnte. Der totale Zusammenbruch des Dritten Reiches und die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen bildeten die historischen Rahmenbedingungen seines Handelns. Erich Zeigner, bereits unter der amerikanischen Besatzung als Rechtsrat im Kulturamt einer neuen Stadtverwaltung eingesetzt, wurde am 16. Juli 1945 vom sowjetischen Militärkommandanten zum Oberbürgermeister ernannt und durch die erste frei gewählte Stadtverordnetenversammlung in ihrer zweiten Sitzung am 9. Oktober 1946 einstimmig in seinem Amt bestätigt.

Erich Zeigner hat in seiner Zeit als Oberbürgermeister das Beste für seine Stadt gewollt. Der Wiederaufbau nach 1945 bleibt untrennbar mit seinem Namen verbunden. Dass ihm die Besatzungsmacht zahlreiche Kompromisse abforderte, der beginnende Kalte Krieg und der Machtanspruch der SED zunehmend demokratische Handlungsspielräume einschränkte, schmälert nichts an seiner Bedeutung.“

Und dann kommt das Aber, was wohl auch ursprünglich dazu führte, dass der SPD-Oberbürgermeister den einstigen SPD-Genossen, der 1946 den Vereinigungsprozess mit der KPD unterstützte, nicht in der Galerie haben wollte: „Aber auch Erich Zeigner war nicht unumstritten. Innerhalb der SPD befand er sich nicht selten in einer Position der Minderheit. Gerade in der Frage der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien zur SED zeigt sich dies deutlich. Zeigner wollte den Zusammenschluss. Dies war seine historische Lehre aus der Erfahrung der gescheiterten Weimarer Republik und den Jahren des gemeinsamen Widerstands gegen den deutschen Faschismus.

Diese Ambivalenzen haben die Stadtverwaltung zögern lassen, Erich Zeigner vorbehaltlos in die Reihe der demokratischen Oberbürgermeister zu platzieren. Die geführte öffentliche Diskussion zeigt: Wir hätten insbesondere intensiver über die historische Figur Zeigner nachdenken und dann entscheiden sollen. Damit wurde zu Missverständnissen eingeladen.

Erich Zeigner war auch bisher kein Vergessener. Parteien des Stadtrats, Gewerkschaften und der rührige Erich-Zeigner-Verein haben sich seit Jahren um sein Andenken bemüht. Wir können uns glücklich schätzen, mit dem Wohnort Erich Zeigners in der Zschocherschen Straße einen lebendigen und intakten Ort der Erinnerung zu besitzen.“

Die Linksfraktion hatte noch einen zweiten Beschlusspunkt: „In der angekündigten Erläuterungstafel zur Dauerpräsentation wird auch über das bei allen abgebildeten Oberbürgermeistern jeweils gültige Wahlrecht und dessen Umsetzung informiert. Zusätzlich werden die Oberbürgermeister in der Zeit der DDR (Max Opitz, Hans Uhlich, Walter Kresse, Karl-Heinz Müller, Bernd Seidel und Günter Hädrich) nicht nur namentlich genannt, sondern mit einer Kurzbiografie vorgestellt.“

Aber dem mag Burkhard Jung nicht so einfach zustimmen: „Ablehnung, da Verwaltungshandeln“.

Und das begründet er so: „Die Neugestaltung der gesamten Porträtgalerie wird Erich Zeigner seinen angemessenen Platz in der Chronologie der demokratisch gewählten Amtsträger unserer Stadt verleihen. Auf einer Begleittafel wird den besonderen Bedingungen seiner Wahl und seiner Amtszeit Rechnung getragen. Auf dieser Tafel werden auch die Oberbürgermeister der Jahre 1950-1989 genannt, wie bei den anderen Oberbürgermeistern ohne biografischen Zusatz.“

Und das Erstaunliche ist, dabei bezieht sich Burkhard Jung direkt auf ein Zitat von Erich Zeigner, der in einer Rede, die der Jurist kurz nach seiner Amtsübernahme im Sommer 1945 hielt, forderte: „Als das Wichtigste sehe ich an, daß alle Teile des Volkes wieder zu einem Gefühl des Rechts kommen, daß sie nicht stumm bleiben, wenn das Recht mit Füßen getreten wird (…) es wird eine der schwersten Aufgaben unserer Zeit sein, jedem Einzelnen in Deutschland wieder ein Gefühl dafür zu geben: Was darf der Staat und wo beginnt das Unrecht.“

Burkhard Jung: „Zeigner markiert den Abstand, der den Rechtsstaat vom Unrechtsstaat trennt. An dieser Erkenntnis werden wir ohne Wenn und Aber bei unserem Urteil über die Leipziger Oberbürgermeister des 20. Jahrhunderts festhalten.“

Linksfraktion will Burkhard Jung Erich Zeigner zum Geschenk machen

Linksfraktion will Burkhard Jung Erich Zeigner zum Geschenk machen

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