Es war einer der vielen kleinen Anträge aus dem Jugendparlament, die in diesem Jahr Erfolg hatten. Leipzig hat zwar hunderte Straßen und Plätze, die alle benannt und benummert sind. Aber man konnte bislang nirgendwo nachschauen, warum sie so heißen und seit wann. Oder seit wann nicht mehr. Das „Lexikon Leipziger Straßennamen“, in dem so etwas mal stand, erschien zuletzt 1995.

Seitdem sind wieder hunderte Straßen benannt oder umbenannt worden. In kleineren „Straßenabschnittsverzeichnissen“ hat das zuständige Amt für Statistik und Wahlen regelmäßig über alle Änderungen berichtet. Aber wer will denn Dutzende solcher Publikationen durchwühlen, um Antworten zu finden, die sich auch da meist nicht finden lassen?

Also beantragten die Jugendparlamentarier, die Stadt solle endlich wieder ein gültiges Straßenverzeichnis veröffentlichen. Als Statistiker Peter Dütthorn am 12. Dezember das neue „Jahrbuch 2018“ vorstellte, kündigte er schon einmal an, dass die Verwaltung den Antrag des Jugendparlaments gut fände und auch überlege, das ja existierende Verzeichnis aller Straßen und Plätze irgendwie öffentlich zugänglich zu machen. Was nicht so ganz einfach ist. Zum Druck eines neuen Straßenverzeichnisses fehlt erst einmal das Geld.

Was man schon sieht, wenn man das jetzt ins Netz gestellte Angebot des Amtes für Statistik und Wahlen zur Kenntnis nimmt.

Denn, so Dütthorn, das war der schnellste Weg, die existierenden Daten öffentlich zugänglich zu machen: Man hat einfach die im Amt sowieso existierenden PDF-Seiten zusammengepackt und als PDF-Dokument zugänglich gemacht. Es ist schlappe 3.040 Seiten dick. Und das natürlich deshalb, weil jede einzelne benannte Straße, jeder Platz ein eigenes Formblatt besitzt, auf dem alle wichtigen Informationen gesammelt sind. So kann man das Ding natürlich nicht drucken, das wäre nicht nur zu teuer, sondern auch ziemlich unhandlich.

Als der Verlag im Wissenschaftszentrum Leipzig 1995 das kleine Lexikon herausbrachte, hat man die wichtigsten Informationen, die wirklich auch den neugierigen Bürger interessieren, zu kleinen Einträgen komprimiert, die die Namensgeschichte dokumentieren.

Aber auch daran denken Leipzigs Statistiker eher nicht, wenn sie an die künftige öffentliche Nutzung des Straßenverzeichnisses denken. Peter Dütthorn schwebt eher eine richtige Online-Datenbank vor Augen, vielleicht gleich gekoppelt mit der interaktiven Stadtkarte. Wer Informationen zu einer Leipziger Straße sucht, soll dann einfach online die Möglichkeit bekommen, per Suchmaske zu suchen, was ihn interessiert. Und ein weiterer Vorteil so einer Online-Datenbank, so Dütthorn, sei nun einmal auch, dass die Daten jederzeit aktualisiert und neue Straßen ohne großen Aufwand eingepflegt werden könnten.

Nur der erste Schritt ist wieder aufwendig. Denn irgendjemand muss ja die Datenbank erst einmal erstellen und dafür sorgen, dass alle Daten zu allen Straßen und Plätzen auch sauber einsortiert sind. Das aber werde wohl eine gewisse Zeit brauchen, so Dütthorn, und möglicherweise auch ein bisschen Geld, um die Erstellung der Datenbank erst einmal zu finanzieren.

Wer so lange nicht warten mag, der kann sich jetzt – nach Alphabet sortiert – durch die PDF-Dateien klicken und findet all das, was Leipzigs Statistiker zu jeder Straßenbenennung wissen. Mit kleinen Ausnahmen, das betonte Dütthorn auch: „Bei einigen der älteren Straßennamen gerade aus dem 19. Jahrhundert und in den seither eingemeindeten Ortsteilen lässt sich beim besten Willen nicht mehr recherchieren, wer genau mit der Benennung gewürdigt wurde und warum.“

Und so erfährt man jetzt, warum die zweite Straße in der Liste (nach Aachener Straße) Abrahamstraße heißt, wie die Straße in Neulindenau vorher hieß (Robert-Naumann-Straße) und dass sie seit 1945 nach dem Musikverleger Max Abraham benannt ist, der 1900 in Leipzig starb. Und vor allem auch, warum es dem Leipziger Stadtrat wichtig war, eine Straße nach Max Abraham zu benennen: „Abraham begründete 1867 die weltberühmte ‚EDITION PETERS‘, Veröffentlichung von klassischen, romantischen und modernen Musikwerken zu günstigen Preisen. Er wurde 1880 Alleinbesitzer der Firma in der Talstraße 10. Mit seinem Neffen Henri Hinrichsen (siehe Hinrichsenstraße), den er 1894 als Teilhaber aufnahm, förderte er z. B. die Verbreitung der Musik von Edvard Grieg (siehe Edvard-Grieg-Allee) in Deutschland.

1894 wurde die von Max Abraham gestiftete öffentliche und unentgeltlich nutzbare Musikbibliothek Peters in der Königstraße 26 (jetzt Goldschmidtstraße) eröffnet. Mit Stolz rühmte sich die Stadt Leipzig auch in der Nazizeit dieser einmaligen Bibliothek, nun jedoch ohne den Namen des Stifters, des Juden Max Abraham, zu nennen. 1949 wurde das Unternehmen enteignet und als ‚VEB Edition Peters‘ fortgeführt. Seit 1950 ist das Stammhaus in Frankfurt/M. Max Abraham ist auf dem Leipziger Südfriedhof beerdigt. Seine Grabstätte wurde 1992 feierlich wieder eingerichtet.“

Man ahnt, warum dem Jugendparlament der Antrag so wichtig war. Denn gerade die Erläuterungen lassen viele Lichter in der Leipziger Geschichte sichtbar werden und – wie auch hier – auch gleich noch etliche Verweise auf andere Straßen, die mit dieser Straße ideell verbunden sind.

Leipzigs Straßenverzeichnis soll öffentlich werden

Leipzigs Straßenverzeichnis soll öffentlich werden

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