Die AfD ist eine seltsame Partei: Erst schürt sie die Emotionen, sorgt dafür, dass die politische Auseinandersetzung immer härter und rücksichtsloser wird. Und dann schreckt sie zusammen, wenn es ganz ähnlich aus anderen politischen Sphären zurückschallt. Sofort rutscht man wieder in die Opferrolle und löchert nun seit 2016 die Leipziger Stadtverwaltung mit der Frage nach einem neuen Sicherheitskonzept für das Neue Rathaus.

Jetzt hat die AfD-Fraktion ihre fünfte Anfrage zum Thema gestellt und auch extra davorgeschrieben, dass es die fünfte ist. Ganz so, als fühlte man sich in seinen Fraktionsräumen im Neuen Rathaus besonders bedroht. Denn keine der anderen Fraktionen fühlt sich derart bedroht. Von konkreten Bedrohungsfällen berichtet die AfD-Anfrage auch nicht. Denn zu Rempeleien und Kontroversen kommt es in der Regel nur in Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen im Neuen Rathaus – wie zuletzt bei der Stadtratswahl im Mai, als ein paar AfD-Anhänger die Jubelstimmung nutzten, um auch gleich mal triumphierend durch die Gänge zu tanzen und die Vertreter der anderen Parteien zu provozieren – die dann auch entsprechend reagierten.

Aber braucht es dafür ein Extra-Sicherheitskonzept? Braucht es da nicht eher einen Knigge-Leitfaden für respektvollen Umgang miteinander? Aber nach wie vor strickt die AfD an der Version, es brauche für das Neue Rathaus unbedingt ein neues Sicherheitskonzept.

„Seitens der AfD-Fraktion erfolgten bisher 4 Anfragen an die Verwaltung zu einem neuen Sicherheitskonzept für das Leipziger Neue Rathaus – per Hausmitteilung an das Dezernat VI am 19.08.2016, als Anfragen an den OBM am 21.06.2017, am 12.12.2018 und am 17.04.2019“, zählt die AfD-Fraktion jetzt noch einmal ihre Vorstöße auf, den OBM zur Auflage eines neuen Sicherheitskonzepts zu bewegen.

„Die AfD-Fraktion verkennt nicht, dass die Sachlage dazu komplizierter Natur ist, jedoch ist das mögliche Auftreten von Bedrohungssituationen, Hausrechtsverstößen, Übergriffen und Respektlosigkeiten – auch nach Auffassung der Verwaltung – gegeben und inzwischen leider auch Realität. Die Antwort zur Anfrage vom 17.04.2019 führte aus, dass für das Vorliegen des Sicherheitskonzeptes der 30.04.2019 angestrebt wird, eine Bestätigung in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters dazu aber offensichtlich weiterhin aussteht. Diese ist die Voraussetzung für die nachfolgende Einbeziehung des Stadtrates.“

So hatte der Oberbürgermeister im April tatsächlich geantwortet. Augenscheinlich hat die Verwaltung die Klagen der AfD-Fraktion tatsächlich ernst genommen und sich darangesetzt zu überlegen, wie ein anderes Sicherheitskonzept fürs Neue Rathaus aussehen könnte.

„Die Vorlage wurde Ende März in das interne Mitzeichnungsverfahren gegeben und am 1.4. – bereits während des Mitzeichnungsverfahrens – in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters vorgestellt. Eine Bestätigung in der DB wird – auch bedingt durch die Osterferien – zum 30.04. angestrebt. Nach Bestätigung erfolgt die Information der Ausschüsse“, so der OBM im April. Und Hinderungsgründe bei der Fertigstellung des neuen Sicherheitskonzeptes gäbe es auch nicht.

Aber wenn so ein Konzept im April schon mal vorgestellt, aber nicht beschlossen wurde, dann heißt das eben auch: Wirkliche Eile hat es ganz und gar nicht. Denn die von der AfD summierten „Bedrohungssituationen, Hausrechtsverstöße, Übergriffe und Respektlosigkeiten“ traten bislang stets sehr punktuell auf und sind ganz und gar kein Dauerzustand, auch nicht vor den Geschäftsräumen der AfD-Fraktion.

Und Handlungsdruck scheint es auch aus Sicht der Verwaltung nicht zu geben. Auch nicht für diverse schnell inszenierten Neuerungen, nach denen die AfD-Fraktion jetzt auch fragt: „Welche Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Leipziger Neuen Rathaus wurden seitens der Verwaltung bis zum Inkrafttreten des neuen Sicherheitskonzeptes ergriffen?“

Da kann man gespannt sein, ob dann vorsichtshalber schon mal ein paar Security-Männer bestellt werden, wenn die nächste Stadtratssitzung stattfindet und die AfD nicht nur andersdenkenden Fraktionen begegnet, sondern auch diversen Bürgern, die mit ihrer Meinung über die Heldentaten der AfD eher nicht hinterm Berg halten. Denn daran, dass sich der politische Diskurs in Deutschland seit fünf Jahren so aggressiv aufgeladen hat, ist just die AfD nicht ganz unschuldig.

Beantwortet haben möchte die AfD ihre fünfte Anfrage dann am 19. November in der Ratsversammlung. Bitte auch schriftlich, damit man in der sechsten Nachfrage zitieren kann.

 

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