Ein bisschen hin und her ging es im Sommer zwischen Grünen-Fraktion und Verwaltung. Die Grünen hatten beantragt, rechtliche Regelungen gegen die toten Schottergärten zu erlassen, die überall im Stadtgebiet entstehen und für Pflanzen und Tiere überhaupt keinen Raum mehr lassen. Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege meinte, das stünde doch alles schon in der Vorgartensatzung von 1996. Aber tatsächlich nicht wirklich rechtssicher. Am 16. September stimmte die Ratsversammlung also auch über diesen Grünen-Antrag ab.

Die Stellungnahme der Verwaltung zeigte zwar, dass man den Vorstoß der Grünen verständlich fand. Aber tatsächlich fehlen Leipzig – anders als in anderen Städten – die Mittel, Hausbesitzer tatsächlich dazu zu bringen, ihre Vorgärten auch – wie in der Satzung von 1996 steht – „gärtnerisch zu gestalten“. Schotter, Beton und Steinplatten haben damit nichts zu tun.

„Die Verwaltung vertritt in ihrem Verwaltungsstandpunkt die Auffassung, dass die Regelung in der geltenden Vorgartensatzung ausreichend sei. Faktisch stellt sie aber gleichzeitig fest, dass dies offenbar keine rechtssichere Formulierung sei, da sich in der Praxis zeigt, dass die Durchsetzung der Regelung spätestens vor Gericht scheitert. Hier wird deutlich, dass es einer klaren und rechtssicheren Überarbeitung der Vorgartensatzung bedarf, die einen Interpretationsspielraum der Regelungen nicht zulässt“, stellten die Grünen deshalb in der Neufassung ihres Antrags fest.

„Deutlich wurde auch, dass eine Kontrolle der Einhaltung der Vorgartensatzung faktisch nicht erfolgt. Somit ist diese Satzung nicht mehr als ein Papiertiger, der weder in der Bevölkerung bekannt ist, noch geachtet wird. Hier braucht es eine durchsetzungsstarke Verwaltung, die sich nicht nur auf bestehende Regelungen zurückzieht, sondern diese auch auf deren Einhaltung kontrolliert und durch Bußgelder und Rück-/Umbauverfügungen deren Durchsetzung verlangt.“

Außer dem etwas wirren Vortrag der AfD-Stadträtin Sylvia Deubel, die tatsächlich meinte, Schottergärten würden irgendwann richtige Kräuterwiesen für Insekten werden, gab es kein wirkliches Kontra zum Vortrag von Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen), der sehr vehement dafür plädierte, die Sache mit den Schottergärten endlich zu kontrollieren und klare Regelungen zu formulieren, die auch keine Ausreden zulassen. Gründe gibt es längst genug, wie er ausführte: die Überhitzung der Stadt, die fehlenden Versickerungsflächen für Regen und die schwindende Artenvielfalt.

Aber der Grünen-Antrag hatte ja auch die Frage gestellt: Wer kontrolliert das?

Das wollte auch Piraten-Stadtrat Thomas Köhler nur zu gern wissen. Denn die Satzung sieht nicht nur die grüne Gestaltung der Vorgärten vor, sie sanktioniert einen Verstoß auch mit bis zu 100.000 Euro. Das Geld wäre ja da, um Kontrollen zu finanzieren, so Köhler.

Aber wer kontrolliert?

Eine Frage, die auch SPD-Stadtrat Getu Abraham am Herzen lag. Er hatte zur Einhaltung der Vorgartensatzung extra eine Anfrage gestellt, die aber am Mittwoch aus Zeitgründen abgesetzt worden war.

OBM Burkhard Jung vermutete im ersten Moment, das müsste ja eigentlich der Ordnungsdienst im Dezernat von Heiko Rosenthal kontrollieren. Aber der konnte nur bedauern. Er würde ja den Ordnungsdienst nur zu gern kontrollieren lassen. Aber die Zuständigkeit liegt im Baudezernat.

Und Baubürgermeister Thomas Dienberg hatte natürlich keine Zahlen, auch wenn er die Baubehörde in der Pflicht sieht. Nur nicht bei Neubau, da sei die Untere Baubehörde nicht eingebunden. Sie kann also da, wo der Sündenfall stattfindet, nicht verhindernd eingreifen. Danach könne sie schon, wenn der Verstoß gegen die Vorgartensatzung angezeigt werde.

Wobei es da augenscheinlich auch noch eine schwammige Stelle gibt. Dürfen tatsächlich nur Dritte, die einen gesetzlichen Anspruch auf eine solche Einwendung haben (wie bei normalen Bauverstößen) Anzeige erstatten? Das stellte dann kurzerhand FDP-Stadtrat Sven Morlok infrage. Eigentlich, so Dienberg, werde das Bauordnungsamt bei jeder Anzeige tätig – sofern die Kapazitäten reichen.

Was eigentlich auch die Vermutungen der Grünen bestätigt: Es wird praktisch nicht kontrolliert. Thomas Köhler hatte noch beantragt, dass die beiden Antragspunkte der Grünen gesondert abgestimmt würden.

Das Ergebnis war dennoch eindeutig. Eine Mehrheit von 38:19 Stimmen gab es für den ersten Antragspunkt:

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, stadtweite Kontrollen zur Einhaltung der geltenden Vorgartensatzung durchzuführen und bei festgestellten Verstößen diese zu ahnden und deren künftige Einhaltung durchzusetzen. Hierzu ist dem Stadtrat vierteljährlich Bericht zu erstatten.“

Künftig muss also irgendjemand in der Verwaltung die Kontrolle der Vorgärten beauftragen.

Und Punkt 2 bekam eine Abstimmungsmehrheit von 33:23:1 Stimmen.

„Die Vorgartensatzung vom 18.09.1996 (Beschluss 600/96) wird parallel dergestalt novelliert, dass das Anlegen von Kies-/Schottergärten bei Neu- oder Umbau interpretationsfrei und rechtssicher verhindert werden kann. Die novellierte Vorgartensatzung ist dem Stadtrat bis spätestens Ende 2020 zur Entscheidung vorzulegen und parallel dazu eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur drohenden Versteinerung der Städte und dem Kampf gegen das Insektensterben und der Förderung der Artenvielfalt zu initiieren.“

Eigentlich nach den verschiedenen Auslegungsweisen, die auch in der Stellungnahme der Stadt sichtbar wurden, überfällig. Vielleicht lernen ja so auch die Hausbesitzer, wie wertvoll jedes Stückchen lebendigen Grüns ist in einer Stadt, in der die Hitze wabert und sich Stein und Beton übermäßig aufheizen.

Die Debatte am 16. September 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Schottergärten sind in Leipzig eigentlich seit 1996 verboten, doch wer kontrolliert das?

Schottergärten sind in Leipzig eigentlich seit 1996 verboten, doch wer kontrolliert das?

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Es gibt 2 Kommentare

Ja, Christof, warum manche Mitmenschen Schottergärten anlegen, das ist eine gute Frage. Aber ihre Vermutung, dass es wegen des Aspektes wäre, das Schottergärten weniger Arbeit machen: das denke ich nicht.

Ich kenne seit Jahren zwei Wohnhäuser, die haben zwar keine Schottergärten, aber das eine hat ein Schotterbett unter den Balkonen und das andere ein Schotterbett direkt an der Hausmauer. Die verwendeten Steine sind unterschiedlicher Natur.

Natürlich fällt das Laub im Herbst auch auf die Steine, der Wind weht Staub drauf, manchmal kommt auch Müll da hin, Spinnweben, und inzwischen wächst Unkraut aus den Zwischenräumen der Steine.

Ja und wer popelt da nun den Dreck raus und das Unkraut? Niemand. Ein Beet könnte man jetzt einfach mit einem Laubbesen bearbeiten, etwas Unkraut jäten, hacken und meinetwegen umgraben und neu bepflanzen. Aber so eine Schotterfläche? Da müsste nun förmlich jemand händisch jeden Stein nehmen und den Dreck darunter rauspulen – das macht doch viel mehr Arbeit als letztlich ein normales, einfaches Beet oder meinetwegen eine Rasenfläche.

Solche Schotterflächen sehen vielleicht mal am Anfang “ordentlich” aus, aber nach einiger Zeit sind das einfach nur dreckige häßliche Stellen, die zu nichts gut sind.

Hoffentlich ist in dieser Satzung dann auch festgelegt, ab wann, mit welchem Versiegelungsgrad und mit welchem Anteil an Pflanzen, ein Schottergarten auch als Schottergarten gilt.
Das Bauamt müsste also in der Bebauungssatzung oder in der Baugenehmigung prinzipiell festlegen, das keine Schottergärten angelegt werden dürfen?
Was wird nun mit den bestehenden Schottergärten?
Und die Behörden müssten mit Stichtag festhalten, wo Schottergäten unter Bestandsschutz fallen damit sie nachvollziehen können, wo nicht zulässige Schottergärten entstanden sind.
Na viel Spass, ist alles nicht gerade einfach zu händeln.
Warum legen manche Mitmenschen Schottergärten an? Wohl damit sie möglichst wenig Arbeit damit haben. Dafür haben die Ämter dann umso mehr Ärger.

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