Am Mittwoch, 14. Oktober, kam auch ein Antrag des Jugendparlaments zur Abstimmung, in dem die jungen Leute gewünscht hatten, dass bis 2026 mindestens ein Drittel des Leipziger Straßenbegleitgrüns ökologisch bewirtschaftet werden soll. Ein Antrag, den das Dezernat Stadtentwicklung und Bau gern unter der Rubrik „Machen wir doch schon“ abgehakt hätte. Aber da hat das Dezernat nicht mit der Jugendlichkeit des Stadtrates gerechnet.

„Es wird zur Kenntnis genommen, dass bereits eine Reihe öffentlicher Grünflächen und Straßenbegleitgrünflächen insektenfreundlich bewirtschaftet werden. Auch künftig wird durch die Verwaltung geprüft, ob und welche weiteren Flächen unter Berücksichtigung der zahlreichen Randbedingungen sinnvoll insektenfreundlich bewirtschaftet werden können. Dabei werden auch die im Antrag benannten Flächen geprüft“, hatte das Dezernat in seiner Stellungnahme im Februar, die eigentlich eine Ablehnung war, geschrieben.

Wofür es nun am 14. Oktober, als der Antrag des Jugendparlaments endlich zur Abstimmung kam, gewaltig was auf die Ohren gab. Armer Thomas Dienberg, mochte man fast sagen, denn der Baubürgermeister, der ja erst seit Sommer im Amt ist, musste die heillose Stellungnahme seines Dezernats aus dem Februar irgendwie begründen. Was man durchaus machen kann.

Aber inzwischen wurde der Antrag des Jugendparlaments auch im zuständigen Ausschuss Umwelt, Klima und Ordnung regelrecht zerpflückt, wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler betonte. Denn natürlich müssen auch die Ratsfraktionen für sich klären: Ist das machbar? Ist das leistbar? Macht es Sinn?

Und das Ergebnis war eigentlich klar. Natürlich ist es machbar. Auch deshalb, weil das zuständige Amt für Stadtgrün und Gewässer und der Eigenbetrieb Stadteinigung, die für die Grünpflege in Leipzig zuständig sind, ja schon seit einige Jahren das Thema Insektensterben und Änderung der Grünpflege-Ordnung auf dem Tisch haben.

Die ersten Blühstreifen wurden ja schon angelegt, auch wenn sie da und dort ein bisschen traurig aussehen. Aber das bedeutet ja nicht, dass man in Zeiten des Insektensterbens einfach mit dem alten Trott weitermachen kann. Was für das Jugendparlament Annegret Janssen in ihrer atemlosen Rede sehr pointiert erläuterte.

Und so ganz Eigenkreation sind die vorgeschlagenen Punkte ja nicht. „Da hat uns der Ökolöwe sehr unterstützt“, sagt Annegret Janssen.

Das Ergebnis sind eigentlich fünf durchdachte Punkte, was bei der Pflege und Anlage des Grüns an Leipziger Straßen leicht und auch planmäßig geändert werden kann. Denn die Jugendparlamentarier beantragten ja nicht eine sofortige Änderung des Mahdregimes, sondern einen geordneten Wechsel jährlich auf jeweils 5 Prozent der Fläche, sodass 2026 ein Drittel der grünen Bereiche ökologisch gepflegt werden.

Hier die Übersicht:

„- Die Standards werden um den Punkt Blühstreifen bzw. Blühflächen hinsichtlich Planung, Ausschreibung und Unterhaltung erweitert. Bei Sanierung, Modernisierung und Neuanlagen werden Blühstreifen angelegt, nährstoffarmes Substrat verwendet und extensiv gepflegt. Dies ist mit der Unteren Naturschutzbehörde abzustimmen.

– Die Standards werden um den Punkt Dach- und Fassadenbegrünung hinsichtlich Planung, Ausschreibung und Unterhaltung erweitert. Geeignete Bauwerke, Lärmschutzwände, Laternen, Masten, und Haltestellen sind ökologisch wertvoll zu begrünen.

– Die Standards werden um den Punkt Gleisbettbegrünung hinsichtlich Planung, Ausschreibung und Unterhaltung erweitert. Wenn es technisch möglich ist, werden bei Sanierung, Modernisierung und Neuanlagen Gleisbette ökologisch wertvoll begrünt.

– Bei der Unterhaltung wird generell berücksichtigt: Die Pflege des Straßenbegleitgrüns wird ökologisch betrieben bzw. auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt (Reduzierung Mahd, partielle Mahd, Häufigkeit, Zeitpunkt, Geräte, etc.). Eine Wechselbepflanzung wird ausgeschlossen. Auf die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln wird verzichtet.

– Die Standards werden durch eine ökologisch wertvolle Pflanzliste zu Bäumen, Sträuchern und Saatgutmischungen ergänzt.“

Die Begründung ist simpel und es erstaunt eher, dass sich Leipzigs Grünverwaltung so schwertut, den Hebel umzulegen: „Viele Bienen, Hummeln und Falter finden in Leipzig nicht genug Nahrung. Das muss sich dringlich ändern, wenn nicht noch mehr Insekten auf der roten Listen landen sollen. Die Stadt kann hier mit vermindertem Aufwand dafür sorgen, dass es Bienen, Hummeln und Faltern in Leipzig besser geht. Nach intensiver Zusammenarbeit mit dem Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. zur Ausarbeitung dieser Neufassung wurden nun die bisherigen städtischen Konzepte ausführlicher geprüft und diese Beschlussvorlage erstellt.“

Unterstützung in der Debatte gab es dann nicht nur von Andreas Geisler, sondern auch von Michael Neuhaus (Die Linke), der auch für den gesonderten Antrag der Linksfraktion warb, auch gleich noch 200.000 Euro und zwei Personalstellen für das Anliegen zur Verfügung zu stellen. Aber da hatte wohl Oberbürgermeister Burkhard Jung recht, als er darauf hinwies, dass das schon ein Vorgriff auf den Doppelhaushalt 2021/2022 werden würde, der durch die finanziellen Ausfälle durch Corona ein sehr hart umkämpfter Haushalt werden wird.

Das Ergebnis war dann auch deutlich: Der Linke-Antrag fand mit 27:30 Stimmen nicht die nötige Mehrheit.

Wobei auch zu bedenken ist, dass das zuständige Amt und der Eigenbetrieb Stadtreinigung ja schon über entsprechendes Personal verfügen. Es geht eigentlich nur um eine systematische Umstellung der gewohnten Kurzschnitt-Pläne und durchdachte Planungen, mehr naturnahes Grün zu schaffen und zu belassen. „Lasst Blümchen sprechen“, so Neuhaus.

Die CDU-Fraktion unterstützte dann den Verwaltungsstandpunkt, den Andreas Geisler geradezu als kalte Dusche für das Engagement der jungen Parlamentarier empfunden hatte.

In der Folge bekam der Verwaltungsstandpunkt dann auch keine Mehrheit und wurde mit 23:32:1 Stimmen zu Makulatur. Obwohl man davon ausgehen kann, dass Thomas Dienberg bei seinem Versprechen bleibt, mit den jungen Leuten inhaltlich über die ganze Sache zu reden. Und zuletzt war eigentlich nur noch die Frage, welche Mehrheit der nur scheinbar forcierte Antrag des Jugendparlaments bekommen würde. Das Ergebnis war dann eindeutig: 40:13:3 Stimmen. Angenommen.

Die Themen Klimawandel und Insektensterben nimmt die Stadtratsmehrheit inzwischen sehr ernst. Und sie goutiert Bremsversuche aus Ämtern, die nicht gern umdenken wollen, schon seit einiger Zeit nicht mehr mit Wohlwollen.

Die Debatte vom 14. Oktober 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Keine Kommentare bisher

“Straßenbegleitgrünflächen”
Uff! Was für ein Wort…
Ansonsten aber eine hoffentlich runde Sache.
Möge sie gelingen.

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