Am 8. November fand der Kreisparteitag der Leipziger FDP unter dem Motto: „Comeback als liberale, weltoffene und konstruktive Kraft“ statt. Dort planten die Liberalen ihren Erfolg für 2029. Wie realistisch ist das? Schauen wir zurück, dann sehen wir, dass die FDP im Stadtrat Leipzig von 7 Mandaten im Jahr 2009 auf 2 Mandate 2024 zurückfiel. Im Sächsischen Landtag ist sie seit 2014 nicht mehr vertreten und mit dem Scheitern der Ampel und den Wahlen zum Deutschen Bundestag 2025 ist sie wieder mal auch dort raus.
Woher kommt der Optimismus, dass es im Superwahljahr 2029 besser wird? Wir trafen uns mit dem Leipziger Kreisvorsitzenden Dr. Alexander Gunkel zum Gespräch, um mehr darüber zu erfahren. Alexander Gunkel und der Autor sind seit geraumer Zeit per Du und haben das im Gespräch auch beibehalten.
Alexander, die FDP ist ja komplett aus dem Fokus der Menschen. Man hört nichts mehr, außer, dass Christian Lindner jetzt Gebrauchtwagenhändler ist. Ihr habt Euren Kreisparteitag gehabt und dazu eine Pressemitteilung geschickt, in der steht, dass ihr große Dinge vorhabt. Erzähl mal ein etwas darüber.
Du hast das schon richtig gesagt: Es ist momentan für uns durchaus schwer, an die Öffentlichkeit zu dringen, obwohl auf allen Ebenen sehr viel gemacht wird. Das wird sicherlich jetzt nochmal schwieriger sein, aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Wir in Leipzig kennen die Situation ja schon eine Weile.
Ihr kennt die Situation nicht nur in Leipzig, sondern auch in Sachsen.
In Sachsen kennen wir schon ziemlich lange die Situation, nicht im Parlament zu sein und dementsprechend natürlich nicht so leicht an Öffentlichkeit und Reichweite zu kommen. Wir sind noch dabei, uns neu aufzustellen. Wir haben, denke ich, schon einiges daraus gelernt, es gibt aus meiner Sicht den wichtigen Fokus darauf, was die für uns wichtige inhaltliche Mission ist, mit der wir antreten.
Wir sehen ja, wir spüren, dass Liberalismus auch gebraucht wird. Es gibt sehr viel Bedarf nach einer liberalen politischen Kraft. Das müssen wir herausstellen und wir müssen neu strategisch denken. Wir müssen mit der Situation leben, das haben andere aber auch geschafft. Wir haben schon einige gute Überlegungen dazu. Man wird in den nächsten Jahren auf jeden Fall von uns hören, da darfst Du sicher sein.
Ich habe mir die Pressemitteilung angeschaut, die Beschlüsse des Kreisparteitages auch. Aus meiner Sicht steht da nicht viel Neues drin.
Es wäre auch merkwürdig, wenn wir jetzt als ganz andere Partei wieder hervorkämen. Das kann, glaube ich, auch nicht Sinn und Zweck des Ganzen sein. Wir müssen daraus lernen, ich denke, wir müssen breiter aufgestellt sein. Wir sind und bleiben die Partei derer, die aus eigener Kraft im Leben etwas bewirken wollen. Was wir, denke ich, besser herausstellen müssen ist, dass Leute auch sehr unterschiedlich definieren, was für sie Lebenserfolg ist.
Das ist viel breiter, als wir es bisher herausgestellt haben. Und darauf müssen wir stärker eingehen, um auch breitere Zielgruppen ansprechen zu können. Wir haben ja in den letzten Jahren immer gesehen: Wenn wir als optimistische, positive, pragmatische und konstruktive Kraft auftreten, dann können wir auch Erfolge haben. Und da wollen wir wieder anknüpfen.
Optimistisch, positiv und so weiter, das war ja mal die lindnersche These. Aber letztendlich wurde es Neoliberalismus. Also Politik für Reiche machen.
Wenn es das ist, was Du Neoliberalismus nennst, dann hat sich der Eindruck, denke ich, durchaus aufgetan. Es war in jeder Krise die zentrale Aufgabe des Liberalismus, ehrlich so Politik zu machen, dass man nicht Politik für eine Schicht macht, sondern die Freiheit für alle stärken muss. Das ist und bleibt aus meiner Sicht die große Aufgabe des Liberalismus.
Und Freiheit gerade da hinzubringen, wo sie aktuell nicht so spürbar und erlebbar ist. Wir hatten ja gerade wieder in Studien gesehen, dass die soziale Mobilität in unserem Lande zurückgegangen ist. Dass es viel schwerer ist für Menschen, die aus nicht so reichen Verhältnissen kommen, aufzusteigen und ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.
Der persönliche Erfolg und die Lebenschancen sind viel zu abhängig davon, woher jemand kommt. Das müssen wir viel stärker adressieren. Ich glaube, sollte eine wichtige Lehre aus der Vergangenheit sein.
Die Liberalen sind ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass Menschen mit ungünstigen Startchancen ihre Zielgruppe sind. Sagen wir mal so: Die FDP in den alten Bundesländern, teilweise auch in den neuen, ist ja immer noch die Partei für die, die geerbt haben und gute Startchancen hatten, die auch studieren konnten. Wie wollt Ihr eine andere Zielgruppe erreichen?
Zunächst ist das eine Außenwahrnehmung, nicht die Art und Weise, wie wir uns selbst wahrnehmen. Das beschreibt auch nicht die Menschen, die bei uns aktiv sind und etwas bewegen wollen. Bei uns sind sehr viele, die nicht mit dem goldenen Löffel aufgewachsen sind. Das sind Leute, die in den letzten Jahren vermehrt bei uns eine politische Heimat gesucht und gefunden haben. Das müssen wir stärker herausstellen, dass wir dafür auch Konzepte haben.
Gerade im Bereich des Sozialen muss es für uns ein wichtiges Anliegen sein, dass Menschen den Weg nach oben auf der sozialen Leiter wieder schaffen. Das ist ja die große Herausforderung. Ich denke, da haben wir Defizite, gerade in der Außenwirkung. Wir haben auch wichtige Punkte, die wir beibehalten müssen. Ich kenne ja selbst die Situation, dass man berufliche Umbrüche hat. Und ich weiß aus eigenem Erleben, wie wichtig es ist, dass dahinter eine gute Wirtschaftspolitik steht und eine dynamische Wirtschaftsentwicklung.
Das ist das A und O, wenn jemand aus eigener Kraft etwas erreichen möchte, dass der Rahmen gut gesteckt ist. Aber das alleine reicht natürlich nicht. Und da müssen wir mehr Konzepte vorlegen und die auch anders kommunizieren und zeigen, dass wir uns an eine breitere Gesellschaftsschicht wenden.
Essenziell für ein Aufstiegsversprechen ist für mich eine gute Bildungspolitik. Dazu hört man von Euch nicht viel.
Das lag ja tatsächlich zu Ampelzeiten nicht daran, dass von uns nichts gekommen wäre. Das Startchancen-Programm war eine sehr wichtige Initiative von uns, mit der wir leider gar nicht so gut an der Öffentlichkeit durchgedrungen sind. Dies wird viel zu selten mit uns in Verbindung gebracht.
Aber es war ein urliberales Anliegen, gerade die Schulen zu unterstützen, in denen sehr viele Kinder sind, die von ihrem Elternhaus nicht so gut unterstützt werden. Das können wir uns schon zugutehalten und ich denke, genau da müssen wir anknüpfen.
Woran liegt es, Deiner Meinung nach, dass das gar nicht mit Euch verbunden wurde? Natürlich ist es die Außenwahrnehmung, aber die entsteht ja nicht ohne Grund.
Ich denke, dass viel daran liegt, wie viele verschiedene Leute von uns in der Öffentlichkeit stehen. Da müssen wir breiter werden. In der Vergangenheit gab es immer die Zuspitzung auf wenige Personen, das hat für eine kleine Partei natürlich auch Vorteile. Es ist viel schwerer, zehn Leute in die Öffentlichkeit zu bringen als eine Person.
Es hat auf der anderen Seite den Nachteil, dass man sich in der Wahrnehmung der Menschen stark verengt. Wir müssen bei der Themenauswahl auch schauen, dass wir andere Themen stärker priorisieren und stärker nach außen kommunizieren. Konkret im Bereich Bildung haben wir gerade in Sachsen das Problem, dass Bildung Ländersache ist und wir auf Landesebene in den letzten Jahren auch nicht so präsent sein konnten in der Öffentlichkeit, da wir nicht im Parlament waren.
Am Ende war man viel zu sehr auf die Person des Bundesfinanzministers zugespitzt und der ist natürlich nicht unbedingt immer derjenige, der am populärsten ist. Das gehört ein bisschen zur Stellenbeschreibung dazu. Wir hätten vielleicht die Bundesbildungsministerin mehr herausstellen sollen, die aus meiner Sicht, gerade mit dem Staatschancen-Programm, einen sehr guten Job gemacht hat. Aber es ist nicht gelungen, das nach außen wirklich so zu kommunizieren.
Kommen wir auf Leipzig zurück: Hier hört man von Euch fast nichts. Wenn nicht Sven Morlok im Stadtrat wäre, dann wäre Funkstille. Von Dir als Kreisvorsitzenden oder Eurem Parteitag nimmt man nichts wahr.
Zunächst mal ist es schon so, dass Lokalpolitik sehr viel über die Stadträte wahrgenommen wird. Das ist nicht nur bei uns so, es liegt auch daran, dass Medien vor allem die Stadträte wahrnehmen und beachten. Wenn ich mir das Zahlenverhältnis anschaue, dann habe ich schon den Eindruck, dass wir mit einem FDP-Mitglied im Leipziger Stadtrat sehr gut wahrnehmbar sind, weil Sven Morlok sehr aktiv ist und durchaus mit seinen Positionierungen und dem, was er beizutragen hat, sehr präsent in der Leipziger Öffentlichkeit.
Für Parteien ist es immer schwierig, ihre Sachen nach außen zu tragen. Wir sind noch mal ein bisschen in der gesonderten Situation, dass wir keine eigene Fraktion haben, sondern nur einen Stadtrat, über den wir das dann weitertragen können. Wir haben aber durchaus in letzter Zeit auch einiges zuwege gebracht und uns mit einigen, wie ich finde, sehr beachtlichen Vorschlägen hervorgetan.
Jetzt noch mal zum Thema Gründer- und innovationsfreundliches Leipzig: Da haben wir uns gerade heute noch mal zu Wort gemeldet und ich denke, dass wir da eine ganze Menge beizutragen haben. Aber Du hast natürlich recht, es fällt uns weiterhin schwer, das auch wirklich an genügend Leute zu bringen.
Kommen wir zum Schluss. Meine erste Erfahrung mit der FDP war Ende 1989. Da sagte mir ein alter FDP-Mann, dass wir zwei Dinge beachten sollten: Erstens, bei der Wahl sollen wir darauf achten, dass wir nicht nur von Lehrern und Juristen regiert werden. Zweitens: Ihr wollt Freiheit, dann müsst ihr wissen, dass es die Freiheit auch beinhaltet, man kann zugrunde gehen. Ist das der Liberalismus, den wir Deiner Meinung nach brauchen?
Es sind wichtige Punkte. Auch der erste ist wichtig, dass wir nicht nur von Juristen und Lehrern regiert werden wollen. Ich denke, das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, dass wir da ein bisschen mehr Breite hineinbekommen. Aber mit dem zweiten Punkt hast Du ein Riesenthema angeschnitten. Das Verhältnis von Freiheit und Eigenverantwortung ist aus meiner Sicht ein wichtiges Thema. Freiheit gibt es nur, wenn Menschen sagen, dass sie selbst die Verantwortung für das, was sie machen, tragen.
Wir müssen sehen, dass gerade mutigere Lebensentscheidungen immer das Risiko in sich tragen, dass es nicht funktioniert. Dazu haben wir einen Sozialstaat, der die Aufgabe haben soll, den Leuten zu helfen wieder auf die Beine zu kommen, neu zu starten. Das ist die zentrale Aufgabe, die unser Sozialstaat übrigens nach meiner Auffassung heute gar nicht so gut erreicht. Wir haben einen sehr teuren Sozialstaat, aber keinen Sozialstaat, dem es gut gelingt, Leuten wieder gute Chancen zum Neustart zu geben.
Das ist eine gesellschaftliche, politische Aufgabe. Da müssen wir unseren Sozialstaat fitter machen, dass es besser gelingt wieder neu anzufangen. Für mich ist der wichtige Punkt, dass ich niemals gescheitert bin, nur weil mein Lebenslauf nicht geradlinig verläuft. Es ist Ausdruck von Freiheit, dass man im Leben auch mal wieder neue Wege geht. Je besser das möglich ist, desto freier ist unsere Gesellschaft.
Alexander, ich danke Dir für das Gespräch.
Fazit: Die FDP in Leipzig will sich neu präsentieren. Ob es ihnen wirklich gelingt Menschen für ihre Thesen zu begeistern und 2029 erfolgreicher zu sein als in den letzten Jahren, das werden wir dann sehen.
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