Es ist eigentlich keine Neuigkeit, aber dennoch hat das Thema an Aktualität und Brisanz nichts eingebüßt: Das geheimnisumwitterte Privatterminal A des Leipziger Flughafens. Seit 2006 nutzt das US-Militär das Terminal, um Soldaten zwischen Amerika und den Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten zu transportieren. Leipzig ist dabei ein eminent wichtiges logistisches Drehkreuz, liegt auf halber Strecke. Hier stoppen die Maschinen, werden gewartet, gereinigt, aufgetankt und mit neuer Verpflegung bestückt.

Sehr aufschlussreich ist dabei die Serie “Geheimer Krieg” in der Süddeutschen Zeitung, die Erstaunliches zutage fördert. Darin geht es auf Grundlage des gleichnamigen Buches des Leipziger Journalisten Christian Fuchs um die Aktivitäten von CIA, NSA, US-Militär, Secret Service und mehr auf deutschem Boden. Thema darin auch das Leipziger Militär-Drehkreuz. Laut Schätzungen der Autoren sind in den vergangenen sieben Jahren mehr als 750.000 GIs von Leipzig aus gestartet.

Diese werden in der Statistik als “Transitfluggäste” geführt. “Die Passagiere US-amerikanischer Airlines stellen den Großteil des Transitaufkommens am Flughafen”, teilte die Bundesregierung auf Anfrage von NDR und SZ dazu mit. Darüber hinaus lägen keine Informationen vor. Bemerkenswert ist hier auch sicher die Webseite zum Buch “Geheimer Krieg”. Denn unter www.geheimerkrieg.de existiert eine detaillierte Datenbank über Aufträge des US-Verteidigungsministeriums, die nach Sachsen, genauer gesagt, nach Leipzig gegangen sind.
Nach Recherchen der Autoren aus einem Bericht des NDR reisten in manchem Jahr dreimal so viele Transitfluggäste über Leipzig wie über den Großflughafen in Frankfurt am Main. Das geht aus den Daten des deutschen Flughafenverbandes hervor. Und 2008 bilanzierte sogar die US-Botschaft: “In den vergangenen Jahren ist der Flughafen Leipzig-Halle zu einem der geschäftigsten Transitflughäfen Europas geworden.” Allein in diesem einen Jahr flog World Airways – neben North American Airlines und Omni Air International, eine weitere Fluglinie im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums, 428.194 GIs über Leipzig. Nach Angaben der Autoren war demnach jeder vierte Passagier in Leipzig ein US-Soldat.

Dabei offenbart sich eine enge Zusammenarbeit des US-Verteidigungsministeriums mit Leipziger Unternehmen wie zum Beispiel einem der ersten Hotels am Platz, nämlich dem Westin. Das geht aus der Datenbank über US-Aufträge hervor. So wurden laut dieser Datenbank dem US-Verteidigungsministerium jeweils am 15. Dezember 2008 249,841.59 US Dollar sowie am 8. Januar 2009 190,987.71 US Dollar für Übernachtung und Frühstück vom Westin in der Gerberstraße in Rechnung gestellt. Am 16. Januar 2009 waren wiederum 17,759.15 US Dollar für die Unterbringung von US Militärs fällig und am 2. Februar des selben Jahres wurden vom US-Verteidigungsministerium noch einmal 6,378.37 US Dollar an das Westin überwiesen. Alleine diese Zahlen machen klar, dass es sich hier um ein hohes Personalaufkommen seitens des US-Militärs gehandelt haben muss.

Rein formal handele es sich beim Transport der GIs um Flüge ziviler Airlines. Somit dürfe der Flughafenbetreiber diese im Rahmen seiner Betriebspflicht ohnehin “nicht von der Nutzung des Flughafens ausschließen” oder “ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln”, argumentiert das sächsische Wirtschaftsministerium laut dem NDR-Bericht. Das schreibe die Luftverkehrszulassungsordnung vor. In seiner Entscheidung vom Juli 2008 hatte das Bundesverwaltungsgericht außerdem festgestellt, dass die Betriebserlaubnis des Flughafens “Sonderverkehre aufgrund militärischer Nutzung” sowie solche zur “Erfüllung von Bündnispflichten der Bundesrepublik Deutschland” einschließe.

Die Richter stellten jedoch heraus, dies sei hinfällig, “wenn die Benutzung des deutschen Luftraums die öffentliche Sicherheit, zu der auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören”, gefährden würde. Gegner der Militärtransporte argumentieren daher, die US-Truppenflüge verletzten geltendes Völkerrecht. Denn im Zwei-Plus-Vier-Vertrag von September 1990, dem Vertrag zur Deutschen Einheit, heißt es mit Bezug auf das Gebiet der ehemaligen DDR: “Ausländische Streitkräfte (…) werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt. “Das entscheidende Problem ist, dass ein Netz von Unternehmen und internationalen Organisationen in die Durchführung der US-Flüge eingeschaltet ist. Wenn die USA dieses Netz effektiv kontrollieren und militärisch dominieren, dann ist die Umdeklaration von Militär- zu Zivilflügen rechtswidrig”, sagt Andreas Fischer-Lescano, Professor für Völker- und Europarecht an der Universität Bremen gegenüber den NDR-Autoren.

“Falls dieser beherrschende Einfluss besteht und die USA über dieses Institutionengeflecht die Präsenz von Truppen und Gerät in Leipzig organisieren, dann ist in der Tat der Zwei-Plus-Vier-Vertrag dadurch verletzt.” Fest steht auf jeden Fall, dass die umtriebigen Aktivitäten seitens des US-Verteidigungsministeriums auf dem Leipziger Terminal A unter bemühter Diskretion und größtmöglicher Geheimhaltung vonstatten gehen. Von den vielen zehntausenden US-Soldaten war bisher jedenfalls immer recht wenig zu sehen.

www.rowohlt.de/buch/Christian_Fuchs_Geheimer_Krieg.3073481.html
www.geheimerkrieg.de/#auftragsdatenbank
www.ndr.de/geheimer_krieg/geheimerkrieg263.html

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar