Erst vor Weihnachten hakte Bert Sander, Stadtrat der Wählervereinigung Leipzig und Mitglied der Grünen-Fraktion nach: Bekommt Leipzig irgendwann Zinsen auf die Gelder, die die Stadt der Mitteldeutschen Flughafen AG als Darlehen gewährt hat? - Nein, war das Fazit einer Kleinen Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Gisela Kallenbach, die Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) beantwortete. Gleichzeitig beschäftigte sich die Leipziger Rathausspitze mit dem Thema.

Denn wirklich viel haben Stadträte und Bürger zur Leipziger Beteiligung an der Flughafen AG in den letzten Jahren nicht erfahren. Bekannt ist, dass Leipzig 2,1 Prozent der Anteile an de MFAG hält. Zum Mitbestimmen ist es zu wenig. Zum Mitzahlen ist es genug. Immer wenn an den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden, die beide zur MFAG gehören, investiert wird, wird auch Leipzig zur Kasse gebeten. Auch denn, wenn die beiden großen Eigner der Aktiengesellschaft – die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt allein entscheiden können, was gebaut wird. Die Satzung regelt, dass 83 Prozent der Stimmen genügen (oder notwendig sind), um Entscheidungen zu fällen. Der Freistaat Sachsen hält allein 77,29 Prozent, Sachsen-Anhalt 18,54 Prozent. Die 83-Prozent-Regelung sichert nur, dass Sachsen-Anhalt nicht überstimmt werden kann.

Investiert wurde in den letzten Jahren vor allem in die Startbahn Süd am Flughafen Leipzig/Halle für 371,946 Millionen Euro und für die Start- und Landebahn in Dresden für 59,1 Millionen Euro. Weitere Infrastrukturinvestitionen kosteten in Leipzig/Halle 139,8 Millionen Euro, in Dresden 13,7 Millionen. Da Leipzig an beiden Flughäfen über die MFAG beteiligt ist, war die Stadt auch jedes Mal finanziell beteiligt.

In der Dienstberatung am 3. Februar legte Oberbürgermeister Burkhard Jung nun eine Beschlussvorlage vor, die erstmals aufdröselt, mit welchen Anteilen Leipzig dabei ist. Sie erläutert auch, warum die gezahlten Gelder ein Darlehen sind und nicht in Eigenkapital umgewandelt wurden. Der Grund ist – zumindest als weißes Papier – in der Vorlage zu finden: “1.5 EU-Beihilfe-Sachverhalte. Nicht öffentlicher Teil. Anlage B”.

In den beiden nicht öffentlichen Teilen der Vorlage geht es um den ganzen Eiertanz der Finanzierung der beiden Flughäfen. Sowohl für Leipzig als auch für Dresden hatte die Europäische Kommission ein Beihilfeprüfverfahren eingeleitet und war in beiden Fällen zu dem Schluss gekommen, dass es sich um eine Beihilfe handelt. Zu Leipzig stellte sie das 2008 fest, zu Dresden 2009. Zwar mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Aber die Gesellschafter hatten es nicht für nötig gehalten, die EU-Kommission rechtzeitig über die Beihilfe zu informieren. Das taten sie erst 2010 – drei Jahre nach Fertigstellung der Startbahn Süd am Flughafen Leipzig/Halle. Wozu sie aber nach Artikel 88 (3) EG-Vertrag verpflichtet waren. Man hatte also generös Provinzfürst gespielt und einfach ignoriert, dass für solche Infrastrukturprojekte EU-Recht gilt.

Um nicht noch tiefer in die Misere zu geraten, wurden die Gelder, die die Gesellschafter zugeschossen hatten, in verzinsliche Darlehen verwandelt. Und um nicht noch mehr Verfahren zu provozieren, wurden die folgenden Infrastrukturprojekte gleich über verzinsliche Darlehen bezahlt.

Bis die EU-Kommission zu einer Entscheidung kommt, bleiben diese Gesellschafterdarlehen und werden verzinst. Erst nach der Entscheidung sollen sie dann zu Eigenkapital der MFAG werden.

Das kann aber dauern. Denn erst 2011 bestätigte der EuG, dass die Flughafenzuschüsse eine Beihilfe waren. Aber er öffnete zumindest ein Hintertürchen, denn nicht die kompletten 350 Millionen Euro für die Startbahn Süd müssten als Beihilfe betrachtet werden. Die Eigner müssten nur endlich mal herausrechnen, wie hoch der Finanzierungsanteil für öffentliche Aufgaben ist. Das sah die Mitteldeutsche Flughafen AG aber nicht so, ging in Widerspruch und wollte die Qualifizierung als Beihilfe komplett vom Tisch haben. Aber im Dezember 2012 wies der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Ansinnen ab. Das Urteil ist seitdem rechtskräftig.

Was beim Beihilfeverfahren, das seit 2011 läuft, nun herauskommt, ist völlig offen.

Die Gesellschafter haben sich nun augenscheinlich darauf geeinigt, die Eigenkapitalzuführungen auf einem anderen Weg zu bewerkstelligen, auf dem kein Beihilfeverfahren droht. Das ist dann Teil der nicht öffentlichen Anlage, die jetzt durch die Gremien wandert. Am 5. März tagt der Verwaltungsausschuss dazu, am 19. März ist die Ratsversammlung dran.

Kurz angedeutet, worum es dabei geht, ist im Beschlussvorschlag des OBM:

1. Die Ratsversammlung nimmt die Informationen zur Umsetzung der beschlossenen Finanzierungsmaßnahmen zur Kenntnis.

2. Die Ratsversammlung nimmt die Satzungsänderung der Mitteldeutschen Flughafen AG vom 01.07.2013 zur Kenntnis.

3. Die Ratsversammlung stimmt der Vereinbarung zur Erstattung von Sicherheitsaufwendungen und Investitionen der Flughafen Leipzig/Halle GmbH gemäß Anlage D zu.

In der Vorlage ist natürlich auch zu finden, was Leipzig als Anteilseigner mit seinen 2,1 Prozent bislang schon zugebuttert hat: 7.685.769 Euro anteilig für die Start- und Landebahn Süd am Flughafen Leipzig / Halle, 1.184.350 Euro anteilig für die Start- und Landebahn am Flughafen Dresden und 2.637.423 Euro für die verbleibenden Infrastrukturmaßnahmen. Rund 11,5 Millionen Euro.

Die Vorlage findet man hier:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/D949DE924030F575C1257C74002EC05F/$FILE/V-ds-3586-text.pdf

Den Antrag der Grünen-Fraktion zu den Darlehenszinsen findet man hier:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/6E35C1BAD1DBA0B6C1257C47002E7E9E/$FILE/019_Darlehenszinsen_Flughafen.pdf

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