Der Fokus der Proteste gegen den Kohleabbau konzentriert sich in Sachsen derzeit auf die Lausitz. Das hat auch damit zu tun, dass der schwedische Energiekonzern Vattenfall seine Kohlekraftwerke und Braunkohletagebaue in Mitteldeutschland 2016 verkaufen will. Die befinden sich zum größten Teil in der Lausitz. Aber auch die Mibrag baut weiter Kohle ab. Grund genug für ein paar Aktivisten, den Kohlebaggern auf den Leib zu rücken.

Am Samstag, 5. Dezember, besetzten AktivistInnen einen Braunkohlebagger im Tagebau „Vereinigtes Schleenhain“ bei Leipzig, verkündete die Gruppe von Klimaaktivisten stolz. Die Fotos, die der L-IZ vorliegen, zeigen kein so riskantes Manöver. Die Aktivisten sind nur – hübsch bekleidet mit weißen Anzügen und einem großen Transparent – ins Tagebaugelände des Tagebaus “Vereinigtes Schleenhain” marschiert. Vor der Abbruchkante und die Führerkanzel des Baggers im Blick entfalteten sie dann ihr Transparent: “System change – not climate change!” Mit dem Hinweis: “Ende Gelände”.

Das verweist auf die große Aktion gegen den Braunkohleabbau in der Lausitz, die vom 13. bis 16. Mai 2016 im Lausitzer Braunkohlerevier geplant ist.

“Aktuell findet der Weltklimagipfel statt, doch wir erhoffen uns davon keine Lösungen. Schon seit Jahren werden die Klimaverhandlungen von großen Unternehmen beherrscht, die kein Interesse an echtem Klimaschutz haben. Das sieht man auch in Paris, die Veranstaltung ist von Renault, Air France und dem französischen Atomkonzern EDF gesponsert. Deswegen gehen wir das Problem hier vor Ort an: Die Braunkohle muss im Boden bleiben. Sie ist die dreckigste Energiequelle Deutschlands und wird massiv subventioniert“, erklärt eine beteiligte Aktivistin. „Der dadurch vorangetriebene Klimawandel zerstört die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Besonders schutzlos sind aber ärmere Menschen, obwohl sie am wenigsten zur Erwärmung beitragen.“

Die Teilnehmer der Aktion betonen daher, dass die Braunkohlenutzung nicht nur lokal, sondern auch global zu Vertreibung führt. Tatsächlich könnten laut Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung im Laufe dieses Jahrhunderts bis zu 500 Millionen Menschen wegen des Klimawandels ihren Lebensort verlassen müssen.

“Uns ist es auch wichtig, dass die Bergbau-Arbeiter hier vor Ort wissen, dass wir nicht gegen sie sind“, fügt ein anderer Aktivist hinzu. „Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft und dazu gehört auch eine Absicherung der Menschen. Zum Glück bieten die erneuerbaren Energien jetzt schon weitaus mehr Jobs als die fossilen, aber da müssen auch die Arbeitsbedingungen stimmen. Dafür kämpfen wir gemeinsam.“

Mit ihrer Aktion rufen die AktivistInnen auch dazu auf, sich an der nächsten Aktion von „Ende Gelände“ zu beteiligen. Im Sommer 2015 hatte das Bündnis zu Blockaden im Rheinland aufgerufen. Über 1.000 Teilnehmer aus mehr als 25 Ländern stiegen in den Tagebau Garzweiler II hinab, um die Kohlebagger zu stoppen. Für das Pfingstwochenende 2016 plant das Bündnis nun eine ähnliche Aktion zivilen Ungehorsams in der Lausitz.

In der Lausitz will der schwedische Konzern Vattenfall sein Braunkohle-Geschäft verkaufen. Die AktivistInnen kommentieren das so: “Ende Gelände ist ein Investitionsrisiko für Braunkohlekonzerne. Vattenfall will den maximalen Profit ohne Rücksicht auf Mensch und Natur oder Verantwortung für sein bisheriges Handeln. Dem stellen wir uns entgegen. In der Lausitz und auch hier. Denn einer der beiden Blöcke des Kraftwerks Lippendorf gehört auch Vattenfall. Wer in Braunkohle investiert, muss mit unserem Widerstand rechnen.“

Die Ende Gelände-Aktionen reihen sich ein in die weltweiten Kämpfe gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur. Zwischen dem 7. und dem 15. Mai 2016 werden auf fünf Kontinenten unter dem Motto „Keep it in the ground!” viele tausend Menschen zivilen Ungehorsam gegen den Abbau fossiler Energieträger leisten.

Aktuell scheint es vor allem von drei tschechischen Kohleunternehmen Interesse an den Tagebauen von Vattenfall in der Lausitz zu geben. Wobei offen ist, ob sie nur die Kohle haben wollen, oder auch die Kraftwerke weiterbetreiben. Sowohl Vattenfall wie auch die Mibrag haben Kraftwerksblöcke für die mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geplante “Kapazitätsreserve” zur Verfügung gestellt, mit der – in der Lesart der Kraftwerksbetreiber – alte Kohlemeiler abgeschaltet und für vier Jahre als Reserve für die deutsche Energieversorgung bereitgehalten werden. In anderer Lesart ist es eine staatliche Vergütung für das Abschalten der Blöcke, die sowieso schon aus wirtschaftlichen Gründen in den nächsten Jahren vom Netz gegangen wären.

Und keines der mitteldeutschen Braunkohleländer Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt hat bislang auch nur ansatzweise ein Programm für den gesteuerten Strukturwandel in den Braunkohleregionen vorgelegt.

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