Von 2015 zu 2017 wuchs der Anteil der Leipziger, die sich durch Fluglärm stark belastet fühlen, von 7 auf 9 Prozent. Das verlärmte Gebiet wächst also und immer mehr Menschen erleben, wie es sich unter tieffliegenden Frachtmaschinen lebt. Wer die Zahlen auf die Bevölkerung umrechnet, kommt auf eine Steigerung von knapp 40.000 auf nunmehr 53.000 betroffene Leipziger. Und die sogenannte „Kurze Südabkurvung“ spielt dabei eine zentrale Rolle.

Neben der massiven Zunahme des Frachtflugverkehrs an sich natürlich und der nach wie vor ungebremsten Bevorzugung der stadtnahen Startbahn Süd bei allen nächtlichen Flügen. DHL hat hier seine großen Packhallen hingestellt, also starten und landen weiterhin 96 Prozent aller nächtlichen Flieger auf der Startbahn Süd. Und da allerlei altes Flugmobiliar dabei ist, das sämtliche Schallpegel über die eh schon grenzwertigen 60 dBA steigen lässt, werden viele Wohngebiete im Leipziger Norden und Nordwesten verlärmt. Bei Ostwind erweitert sich das verlärmte Gebiet weit in den Leipziger Norden hinein.

Aber selbst Besucher des Auwaldes merken was es heißt, dass Privatunternehmen mit einer wirtschaftsnahen Politik am Flughafen selbst die gesetzlichen Eingrenzungen der Verlärmung missachten. Was sie ja auch nach Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts tun: Weder die im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Bahnverteilung wurde bis heute eingehalten, noch die Begrenzung von Tonnage und Flugzeit auf der nur in Ausnahmefällen zugelassenen „Kurzen Südabkurvung“.

Diese Südabkurvung wird beflogen, wenn die Maschinen gleich nach ihrem Start in Schkeuditz nach Süden abdrehen und über den Auenwald und Böhlitz-Ehrenberg langsam an Höhe zu gewinnen versuchen. Dann dröhnt es im Auenwald. Die Maschinen fliegen in wenigen hundert Metern direkt über das Naturschutzgebiet und das ausgewiesene Vogelschutzgebiet. Gerade deshalb waren im Planfeststellungsbeschluss klare Grenzen für die Befliegung dieser Route festgelegt. Und normalerweise haben Planfeststellungsbeschlüsse Gesetzeskraft. Die betroffenen Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass diese Regularien eingehalten werden. Was das Bundesverwaltungsgericht bestätigte.

Erst das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschied dann wieder im Sinne der Betreiber, des Flughafenteilhabers Sachsen und der wirtschaftsnahen Flugaufsicht. Seitdem steigen die Frachtflüge über die Kurze Südabkurvung wieder an.

Nur 2017, als der Petitionsausschuss des Bundestages die Petition der Fluglärmgegner einhellig annahm und dann auch der Bundestag folgte, gab es ein kurzes Zögern, schien die Deutsche Flugsicherung (DFS) zu zögern, noch mehr Maschinen über diese Ausweichroute zu schicken. Aber augenscheinlich genügten ein paar Telefonate im Verkehrsministerium und die DFS bekam wieder grünes Licht, ging man davon aus, dass die beschlossene Petition vom Ministerium doch nicht umgesetzt werde.

Flüge über die Südabkurvung. Grafik: Bürgerinitiative "Gegen die neue Flugroute"
Flüge über die Südabkurvung. Grafik: Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“

Nun hat sich der Petitionsausschuss des Bundestages ein zweites Mal mit der Petition beschäftigt und das Verkehrsministerium signalisierte, bis zum Frühjahr 2019 einen Vorschlag zu machen, wie man mit der „Kurzen Südabkurvung“ umgehen wolle. Die Fluglärminitiativen schöpften Hoffnung.

Der Blick auf die Nutzung dieser niedrigen Flugbahn über Wohngebiet und Naturschutzgebiet zeigt, dass die DFS im Verein mit den Frachtfluggesellschaften immer weniger Hemmungen hat, die schweren Frachtmaschinen auch in der Nacht über diese Piste zu schicken. 2.676 Flüge über die Kurze Südabkurvung wurden im Jahr 2018 gezählt, was die Zahlen von 2013 (2.001) und 2014 (2.112) noch einmal deutlich überbot.

Kein Wunder also, dass sich immer mehr Menschen vom Fluglärm gequält fühlen. 2015 und 2016 war die Zahl der Überflüge im Schatten der Gerichtsverhandlungen schon gesunken, 2017, als der Bundestag der Petition zustimmte, sogar auf 1.258 Überflüge. Aber nach dem falschen Signal aus dem Verkehrsministerium, das der Petition einfach nicht abhalf, scheinen sämtliche Schleusen geöffnet und auch die DHL lässt ihre Frachter immer häufiger über diese spritsparende Route abkürzen.

Tauchten 2016 und 2017 nur 33 bzw. 34 DHL-Flieger auf der Route auf, waren es 2018 schon 144. Und auch die laute Uralt-Maschine AN12 wird von der DFS ohne Bedenken über diese Stadtroute gelotst. 2016 flog sie hier gar nicht. Man erkennt den Uralt-Flieger schon an seiner enormen Lärmentfaltung. 2017 schickte man schon mal 35 dieser Uralt-Maschinen über die Route, vielleicht in Erwartung, irgendeine staatliche Stelle könnte jetzt munter werden und sich beschweren. Aber das passierte nicht. Also wurde die AN12 im Jahr 2018 sogar 70 Mal über die Stadt geschickt. Mit allen Risiken, denn die alte Frachtmaschine aus russischer Produktion gehört längst zu den Flugzeugtypen mit der höchsten Absturzrate.

Im Frühjahr 2019 könnte vielleicht endlich eine Lösung für die Kurze Südabkurvung kommen

Im Frühjahr 2019 könnte vielleicht endlich eine Lösung für die Kurze Südabkurvung kommen

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