Im Februar 2020 ließ sich der damalige FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen. Das hat offenbar auch heute noch Konsequenzen. In Weimar habe man ihn in einer Gaststätte nicht bedienen wollen, erzählte Kemmerich am Montag – und schob einen geschichtsvergessenen Vergleich hinterher.

Knapp eine Minute dauert die Videobotschaft, die Kemmerich am Montag in den sozialen Medien veröffentlicht hat. Als er mit seinem Sohn eine Gaststätte besucht habe, sei er von einem leitenden Mitarbeiter abgewiesen worden – mit der Begründung, dass er Thomas Kemmerich sei.

Kemmerich zeigte sich von dem Vorfall „erschüttert“ und nimmt ihn als Beleg dafür, dass man „nicht mehr zu jeder Zeit an jedem Ort das sagen kann, was man denkt und fühlt“. Tatsächlich durfte Kemmerich zu jeder Zeit und an jedem Ort sagen, was er denkt und fühlt. Offenbar stört es ihn aber, wenn andere sagen und denken, was sie fühlen, wenn sie einen Politiker bedienen sollen, der für einen der größten PR-Erfolge in der Geschichte der AfD verantwortlich ist.

Juristisch dürfte die Weigerung umstritten sein. Gaststätten haben ein Hausrecht, dürfen Besucher*innen aber nicht aus diskriminierenden Gründen oder willkürlich ablehnen. Eine Diskriminierung liegt offensichtlich nicht vor. Willkürlich im allgemeinsprachlichen Sinne war die Ablehnung vermutlich auch nicht, schließlich dürfte Kemmerichs konkrete Politik ausschlaggebend gewesen sein.

Von manchen Nutzer*innen kam zudem der Hinweis, dass viele Menschen das, was Kemmerich passiert ist, regelmäßig erleben. Das betrifft beispielsweise Migrant*innen oder Personen mit dunkler Hautfarbe, die aus rassistischen Gründen immer wieder an der Eingangstür von Clubs abgewiesen werden.

Am Ende seiner Videobotschaft sagt Kemmerich, dass er sich „an wirklich dunkle Zeiten dieses Landes“ erinnert fühle. Er sagt es zwar nicht explizit, meint aber offensichtlich die Ausgrenzung von Jüd*innen im Nationalsozialismus. Auch unter Querdenker*innen war das ein beliebter Vergleich, wenn sie wegen fehlender Masken oder Impfnachweise in bestimmten Einrichtungen nicht willkommen waren.

Es ist offensichtlich, dass dieser Vergleich hinkt. Im Nationalsozialismus wurden die betroffenen Menschen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe ausgegrenzt; die individuellen Eigenschaften spielten fast keine Rolle. Genau das ist aber bei Kemmerich der Fall: Er wurde nicht deshalb nicht bedient, weil er irgendeiner Minderheit angehört, sondern weil er, Thomas Kemmerich, als Individuum bestimmte Entscheidungen getroffen hat.

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