Mit stolzgeschwellter Brust verkündete Sachsens Landwirtschaftsminister Frank Kupfer (CDU) am 4. April: "Vor allem in den Großstädten sind Kleingärten viel mehr als ein ökologischer Farbtupfer. Sie tragen zu gutem Wohnumfeld und Stadtklima bei. Familien können ihren Kindern hier auf einfache und angenehme Weise Erfahrungen mit der Natur vermitteln." Aber darum ging es gar nicht. Würde es darum gehen, würde der Freistaat jetzt mit Kleingärten nicht Schotter machen wollen.

Denn am 4. April ging es im Landtag um die Regierungsvorlage zum Verkauf der im Landesbesitz befindlichen Flächen mit Kleingartennutzung.

Ist zwar nicht so, dass der Freistaat Sachsen so darauf angewiesen wäre, dass er den Grund und Boden, auf dem Kleingärtner gepachtet haben, Hals über Kopf verkaufen müsste. Aber in der Regierung scheint unter dem Druck des allmächtigen Finanzministers (CDU) mittlerweile eine derartige Finanzpanik ausgebrochen zu sein, dass jeder Minister nur schaut, wo er auch nur ein paar Milliönchen für den nimmersatten Staatshaushalt zusammenkratzen könnte. Da steht augenscheinlich fast alles zum Verkauf, was dem Freistaat gehört.

Dazu zählen dann auch alle landeseigenen Flächen, die bisher als Kleingärten genutzt werden. Die betroffenen Verbände und Vereine sowie die Kommunen sollen zwar ein Vorkaufsrecht bekommen. Aber das ist – wie sowohl der sächsische Kleingärtnerverband als auch die Opposition festgestellt haben – nur ein trojanischer Esel: Sie allesamt sind nicht gut betucht, die meisten sind im eigentlichen Sinn sogar kaufunfähig. Vorkaufsrecht heißt dann nur, dass sie als Erste ein Gebot abgeben dürfen. Wird das Land dann trotzdem verkauft? – Die Nutzung als Kleingarten soll zwar vertraglich festgeschrieben werden, meint Kupfer. Aber wem nutzt das, wenn sich der bislang vertrauenswürdige Verpächter aus der Verantwortung stiehlt?

Der Verkaufspreis, so Kupfer, würde sich an dem günstigen Pachtzins orientieren, der im Bundeskleingartengesetz vorgeschrieben sei. “Die Sicherung der Flächen für die bisherige Nutzung ist der Wunsch der sächsischen Kleingärtner. Ich hoffe, dass die betroffenen Kleingartenverbände nun vom Angebot des Freistaates Gebrauch machen. Die Bedingungen sind dem sozialen Zweck angemessen sehr günstig”, so der Minister.

In Sachsen gibt es derzeit rund 207.000 Kleingärten, deren Pächter in 3.900 Vereinen eine Fläche von rund 9.300 Hektar bewirtschaften. Im Besitz des Freistaates befinden sich davon 300 Hektar in 130 Kleingartenanlagen, der größere Teil in Dresden und Südsachsen. Aber die Unverfrorenheit des geplanten Deals verärgert auch die CDU-Basis.Konrad Riedel, Leipziger Stadtrat und stellvertretender Landesvorsitzender der Seniorenunion: “Ich halte nichts von den Verkaufsplänen. Das Argument, die Verwaltung sei zu teuer, fällt doch auf die Staatsregierung selbst zurück. Wenn die staatlichen Immobilienverwalter das nicht zu einem vernünftigen Kostensatz schaffen, sollten sich die Beamten im Finanzministerium mal auf dem freien Markt umschauen. Sachsen hat genügend Unternehmen, die sich mit Immobilienverwaltung auskennen. Da gibt es sicher auch Anbieter, die Kosten senken können.”

Riedel, der auch Vorsitzender des Leipziger Kleingartenbeirates ist, findet auch den Zielerlös geradezu lächerlich: “Die Verkaufseinnahmen von zirka 3 Millionen Euro können den ‘Sinn’ dieses Vorstoßes ja wohl kaum ergänzen. Das Gesamtvolumen des Haushaltes beträgt ja über 15 Milliarden Euro. Man muss schon einen besonders bürokratischen Hang zum Erbsenzählen haben, um solche Vorschläge in die Welt zu setzen.”

Die Staatsregierung benenne auch nicht die genauen Kosten, die angeblich eingespart werden, wenn sie nicht mehr selbst verwaltete, so Riedel. “Der geforderte Preis mag zwar im Vergleich günstig sein. Am Ende macht es aber die Summe der Flächen. Die ohnehin klammen Kommunen – vom Freistaat in den letzten Jahren auch nicht immer verwöhnt – können das kaum zusätzlich stemmen. Die Vereine wären auch auch überfordert. Auch von den Mitgliedern kann man nicht verlangen, auf einmal gleich 15 Jahrespachten zu bezahlen. Die Mehrheit der Kleingärtner sind keine Großverdiener, nicht wenige sind Rentner. Dabei leisten die Kleingartenvereine und ihre Mitarbeiter einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Neben der Landschaftspflege arbeiten viele Kleingärtner im Ehrenamt. Bei jeder Gelegenheit höre ich die Staatsregierung sagen, wie wichtig das Ehrenamt sei und dass die Ehrenamtlichen den Kitt der Gesellschaft darstellen. Das stimmt. Aber wenn das bei den Leuten vor Ort nicht als Lippenbekenntnis ankommen soll, dann müssen unsere politisch Verantwortlichen die offenbar übereifrigen Verwaltungsbürokraten mal mit der Realität konfrontieren. An der Basis kommt der Vorschlag jedenfalls überhaupt nicht gut an”, sagte Konrad Riedel.

Ähnlich argumentierte am Mittwoch auch Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag. “Wir fordern vom Freistaat Sachsen, sich jeglichen Drucks auf die Kleingärtner/innen zum Kauf des Landes zu enthalten. Kleingartenanlagen nehmen durch ihre Existenz und durch ihr Wirken als sogenannte weiche Standortfaktoren wichtige soziale und kulturelle Funktionen für die Bürgerinnen und Bürger wahr. Sachsen ist nach wie vor das Bundesland mit der größten Dichte an Kleingärten. Das Kleingartenwesen bedarf auch zukünftig der besonderen Förderung und Unterstützung des Landes, der Kreise und Kommunen”, erklärte er. “In dem Entschließungsantrag werden unter anderem von der Staatsregierung neben einer Konzeption für den langfristigen Schutz und die Weiterentwicklung des Kleingartenwesens in Sachsen neue Initiativen des Landes auf Bundesebene verlangt, dass die schon seit über zehn Jahren angekündigte Neuregelung zur Erhebung der Grundsteuer B für Kleingartenflächen, die mit einer Laube über 24 bzw. 25 qm bebaut sind, endlich zum Abschluss gebracht wird. Dabei soll es zur vom LSK geforderten Lösung kommen, dass Gartenlauben bis zu einer Größe von 30 qm nicht mehr gesondert bewertet werden und so von der Grundsteuer B befreit werden können.”

Dabei haben wir doch schon so viel getan für die Kleingärtner, so der Tenor der Stellungnahme der CDU-Landtagsabgeordneten Ines Springer: “Die CDU-Fraktion und die Sächsische Staatsregierung setzen sich seit Jahren mit Erfolg für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Kleingartenwesen im Freistaat ein. Zahlreiche Probleme bezüglich Abgaben-, Beitrags- und Steuerbelastungen von Kleingärtnern konnten bereits gelöst werden. So sind Zweitwohnungssteuer, Kurtaxe und GEZ-Gebühren vom Tisch.”

Die Aufzählung ist auch deshalb entlarvend, weil sie zeigt, wie sehr man doch versucht war, die Kleingartenbesitzer mit diversen Sonderabgaben zu schröpfen.

“Lediglich bei der Berechnung der Grundsteuer sehen wir noch Nachholbedarf”, meint Springer. “Die CDU-Fraktion hat dazu bereits einen Antrag zur Grundsteuerreform in den Landtag eingebracht. Wir setzen uns dafür ein, dass die maßgebliche Grenze für die Zuordnung der Kleingärten zum land- und forstwirtschaftlichen Grundvermögen auf 30 Quadratmeter Laubenfläche angehoben wird.”
Auch der geplante Verkauf von Gartengrundstücken durch den Freistaat müsse die Kleingärtner nicht beunruhigen, da Pächter und Vereine ein Vorkaufsrecht hätten und die Schrebergärten zu einem günstigen Preis von rund 1,50 Euro pro Quadratmeter erwerben könnten. Springer: “Natürlich wird eine Mehrerlösklausel vor Grundstücksspekulationen schützen.”

So locker mag Konrad Riedel die Verkaufspläne nicht sehen. “Nach dem Lehrerstreit scheint sich nun ein weiteres Feld aufzutun, auf dem der eine oder andere Planer im Finanzministerium nicht so richtig weiß, was draußen los ist. Dass das Thema Kleingärten die Leute aufregt, spüre ich derzeit jeden Tag. Und es ist völlig egal, ob der Kleingarten auf staatlichem oder städtischen Grund steht”, sagt der Leipziger CDU-Stadtrat. “Es ist doch sehr interessant, dass in dieser Woche im Sächsischen Landtag die Besuchertribüne bis auf den letzten Platz gefüllt war und sogar Leute draußen bleiben mussten und die parlamentarische Kleingartendebatte im Foyer und im Saal der Landespressekonferenz vor Ort verfolgt haben. Die Staatsregierung sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen – und mancher Ministerialbürokrat mal wieder am richtigen Leben teilnehmen. Dann bleiben wir von solchen unausgegorenen Kleingeistigkeiten künftig hoffentlich verschont.”


Die Anfrage der Linksfraktion zur sächsischen Kleingartenstrategie vom Mai 2011: http://edas.landtag.sachsen.de

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