Die Bürger verlangen mehr als Sparen. Das ist für Sachsens SPD-Partei- und Fraktionschef Martin Dulig eine Interpretation des letzten europäischen Wahlwochenendes. Nötig seien auch Wachstumsimpulse. Über die Zustimmung der SPD zu einer Schuldenbremse in der Landesverfassung soll die Parteibasis in einem Mitgliederentscheid entscheiden.

Herr Dulig, in Frankreich und Griechenland wurden am Wochenende zwei weitere Amtsinhaber in Europa im Zuge der Schuldenkrise abgewählt. Auch in Schleswig-Holstein hat die bisherige Regierung keine Mehrheit mehr. Schuldenabbau ist offenbar wenig populär. Was ist aus Ihrer Sicht zu tun?

Die Wahlergebnisse in Griechenland aber auch in Frankreich haben gezeigt, dass die einseitige Konzentration auf Sparen nicht reicht. Selbstverständlich brauchen wir überall in Europa eine solide Finanzpolitik. Wichtig sind aber ebenso Wachstumsimpulse, um der Wirtschaft nicht die Luft zum Atmen zu nehmen.

Das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein ist mit Sicherheit nicht eindimensional zu erklären. Aber auch hier gilt: Sparen darf kein Selbstzweck werden. Die Bürgerinnen und Bürger verlangen mehr. Es gilt, solide Haushaltspolitik, aktive Wirtschaftspolitik und eine gerechte Sozialpolitik zu verbinden. Dass das nicht die Quadratur des Kreises ist, sondern vielmehr verschiedene Seiten einer Medaille sind, hat die SPD als Regierungspartei in Bund und Ländern immer wieder eindrucksvoll bewiesen.Ein Wort bitte noch zum Abschneiden der Piraten zwischen Nord- und Ostsee.

Die Piraten etablieren sich zurzeit als eine neue politische Kraft in Deutschland. Wohin sie segeln, wird man sehen. Mich interessiert jedoch vielmehr, wie es der SPD gelingt, auch mit ihren 150 Jahren immer wieder auf der Höhe der Zeit zu sein.

Der Freistaat Sachsen gibt sich gern als finanzpolitischer Musterknabe. Gleichwohl gibt es zwischen Leipzig und Görlitz beispielsweise zu wenige Lehrer in Diensten eben dieses Freistaates. Wie sollen Schüler und Eltern das verstehen?Das verstehen Schüler und Eltern schon lange nicht mehr. Ich im Übrigen auch nicht. Wir müssen uns aber davor hüten, eine solide Finanzpolitik und gute Bildung gegeneinander auszuspielen. Denn gute Bildung schon in der Kita, in unseren Schulen und Hochschulen könnten wir schon heute absichern, ohne dafür neue Schulden zu machen. Das ist allein abhängig vom politischen Willen.

Die sächsische Verfassung soll nun nach dem Willen der Regierungskoalition um eine so genannte Schuldenbremse ergänzt werden. Wozu braucht es diese im so sparsamen Sachsen eigentlich?

Die Antwort ist recht simpel: Die Schuldenbremse gilt ab 2020 für alle Bundesländer. Das wurde auch von uns Sozialdemokraten auf Bundesebene so beschlossen. Nun muss es darum gehen, die Bedingungen für Sachsen in unserer Verfassung zu präzisieren. Was machen wir beispielsweise in Zeiten großer wirtschaftlicher Probleme, bei Naturkatastrophen oder wie sichern wir die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen ab? Diese Fragen müssen wir in Sachsen selbst beantworten.

Der Entscheidung Ihrer Landtagsfraktion, ob sie der Schuldenbremse zustimmt, soll ein Mitgliederentscheid der SPD-Parteibasis vorausgehen. Was ist an dem Thema so zentral, dass Sie die unmittelbare Rückkopplung mit der Parteibasis suchen?

Die Beschlusslage der sächsischen SPD ist eindeutig: Die Partei hat zu einer Schuldenbremse vor Jahren Nein gesagt. An diesen Beschluss sind wir alle – auch ich als Partei- und Fraktionsvorsitzender – gebunden. Nun haben sich aber die Rahmenbedingungen durch die Grundgesetzänderung verändert. Ich sehe daher die Notwendigkeit, unsere Beschlusslage in Sachsen an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Daher der Mitgliederentscheid.

Wann wird es zum Mitgliederentscheid kommen?

Der Mitgliederentscheid wird kommen, wenn wir mit den anderen demokratischen Parteien im Landtag ein Verhandlungsergebnis gefunden haben. Dieses Ergebnis werde ich dann der Partei zur Abstimmung vorlegen. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, liegt nicht in der Hand der SPD. Ich hoffe aber, dass wir die Partei noch im Sommer dazu befragen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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