Gemeinsam mit General a. D. Hans-Peter von Kirchbach hat Sachsens Umweltminister Frank Kupfer am Dienstag, 10. Dezember, den Bericht der "Kommission zur Untersuchung der Flutkatastrophe 2013" (Kirchbach-Kommission) vorgestellt. Diese hatte im Auftrag der Staatsregierung nach der Flutkatastrophe vom Juni 2013 untersucht, wie die Änderungen bei Hochwasserschutz, Hochwassermeldesystem und Katastrophenbekämpfung nach 2002 gewirkt haben.

Untersuchen sollte die Kommission auch, wie das heute bestehende System noch weiter optimiert werden kann. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass “sich die vielfältigen und zum Teil sehr grundsätzlichen Änderungen seit 2002 … voll und ganz bewährt haben”, zitiert das Umweltministerium. Trotz einer flächenmäßig deutlich größeren Betroffenheit des Freistaates als 2002 seien Schäden in weitaus geringerem Ausmaß eingetreten.

Und wofür stehen die drei Pünktchen? – Für das Ausgelassene natürlich. Das, was auch der Bericht auslässt, weil es nicht abgefragt wurde. Der vollständige Satz im Bericht lautet: “Sie ist im Gegenteil der Auffassung, dass sich die vielfältigen und zum Teil sehr grundsätzlichen Änderungen seit 2002, die im Bericht beschrieben sind, voll und ganz bewährt haben.” Das wird auch im Bericht mehrfach betont: Untersucht wurde nur das existierende System, nicht dessen Fehlstellen. Nachzulesen gleich im Vorwort: “Der Kommission konnte es also nicht darum gehen, ein gut bewährtes System grundsätzlich ändern zu wollen. Sie hat vielmehr im Einzelnen untersucht, ob weitere Verbesserungen möglich oder sogar geboten sind.”

Deutlicher geht es nicht. Auch so kann man sich Lorbeeren organisieren. Auch wenn die Kommission sich durchaus auch ein paar kritische Anmerkungen gönnte.

“Diese Einschätzung zeigt, dass unser Weg seit 2002 richtig war”, behauptet Umweltminister Kupfer einfach mal, obwohl – wie gesagt – die Aufgabe der Kommission nicht darin bestand, das 2002 ausbaldowerte Programm zu hinterfragen. Kupfer: “Unser System aus Investitionen in den Hochwasserschutz, aus einer deutlichen Verbesserung der Warn- und Vorhersagesysteme sowie aus einer Stärkung der Eigenvorsorge hat sich in diesem Jahr erneut bewährt.”

Kupfer dankte der Kommission für die Empfehlungen, die sie für eine weitere Optimierung gegeben hat. “Kein System ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Wir werden die Vorschläge berücksichtigen. Zum Teil ist ihre Umsetzung schon im Gang”, sagte er noch.Die Kommission empfiehlt, das Hochwasserschutz-Investitionsprogramm konsequent weiterzuführen, betont das Ministerium. “Wir haben nach 2002 650 Millionen Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen investiert, weitere 900 Millionen in die nachhaltige Beseitigung von Schäden an Gewässern”, betonte Frank Kupfer. Abgeschlossen seien unter anderem der Schutz für die historische Altstadt von Dresden, der Hochwasserschutz für Eilenburg sowie der Bau der Hochwasserrückhaltebecken Lauenstein und Glashütte. Beispiele für im Bau befindliche, zum Teil sehr komplexe Hochwasserschutzmaßnahmen sind Projekte in Flöha und Grimma, am Schwarzwasser und der Zwickauer Mulde in Aue, in Lunzenau, Penig und Döbeln.

Aber gleich unter der Empfehlung zur Fortführung des Investitionsprogramms betont der Bericht, es seien “dabei Möglichkeiten zu untersuchen, die Gewinnung von Überschwemmungsflächen und die Einrichtung von Poldern zu beschleunigen”. Da hängt es nämlich seit 2002.

Im Hochwasserschutzinvestitionsprogramm des Freistaats sind solche Maßnahmen mit einer Gesamtfläche von 5.200 Hektar vorgesehen. Drei Deichrückverlegungen mit zusammen 141 Hektar sind fertiggestellt, weitere befinden sich in Planung. Im Bau ist die Deichrückverlegung Bennewitz-Püchau an der Mulde bei Wurzen, hier werden rund 450 Hektar Fläche als Retentionsraum gewonnen.

Der Bericht wird zu diesem Thema noch viel deutlicher, denn einige Gefahrenlagen hätten mit mehr Überschwemmungsflächen im Oberlauf der Flüsse wesentlich entspannter ablaufen können. Klartext: “Die Fortschritte bei der Einrichtung von Überschwemmungsflächen und Poldern befriedigen dagegen nicht. Ehrgeizigen Planungen stehen bislang nur wenige mühsam erreichte Ergebnisse gegenüber.”

Von den vorgesehenen Polderprojekten befindet sich das größte im Bau. Der Polder Löbnitz an der Mulde, westlich von Bad Düben soll Wasser auf einer Fläche von 1.436 Hektar speichern können. In Planung befinden sich die Polder Außig, Dautzschen und Dommitzsch an der Elbe mit zusammen 1.546 Hektar. “Diese Polderprojekte wollen wir aus dem gemeinsamen Programm des Bundes und der Länder finanzieren. Ich bin froh, dass bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene ein solcher Sonderrahmenplan für länderübergreifenden Hochwasserschutz vereinbart wurde”, meint Minister Kupfer.Im Bericht heißt es dazu aber noch deutlicher: “Die Sanierung und der Neubau von Deichen führten 2013 zu einem signifikanten Rückgang von Deichbrüchen. Hinsichtlich der Gewinnung von Überschwemmungsflächen ist ein schnelleres Vorgehen angezeigt. Ein Entschädigungsprogramm für Landwirte, das bundesweit ausgerichtet sein sollte, ist hierfür notwendig.”

Wie sehr der Freistaat bei der Schaffung von Poldern und Überschwemmungsflächen hinterher hängt, das brachte erst im Juli eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Gisela Kallenbach zu Tage. Und das Erstaunliche ist: Der Kirchbach-Bericht verweist auf diese Anfrage, um dazu überhaupt eine Aussage treffen zu können.

Dass einige Pegel deutlich niedriger ausfielen als 2002, hat damit zu tun, das zumindest der Hochwasserschutz durch Talsperren und Rückhaltebecken verbessert wurde. Im Bericht heißt es dazu: “Der Hochwasserrückhalteraum der Talsperren ist gegenüber 2002 um mehr als ein Drittel erhöht worden, neue Rückhaltebecken wurden eingerichtet oder sind in Planung. Alle Maßnahmen haben ihren Zweck erfüllt. Es ist gelungen, mit Hilfe der Wasserspeicher eine deutliche, manchmal sehr deutliche Abflachung der Hochwasserscheitel zu erreichen. Damit haben die Wasserspeicher auch zur Vermeidung oder Verringerung von Schäden beigetragen.”

Mehrere Vorschläge der Kommission zielen auf eine weitere Verbesserung des Hochwasservorhersage- und Warnsystems. So sollen das Pegelbau- und Ausrüstungsprogramm weiter umgesetzt und die Informationsplattform des Landeshochwasserzentrums (LHWZ) weiter ausgebaut werden.

“Auch hier arbeiten wir bereits an der Umsetzung”, so Kupfer. “Wir haben bereits jetzt das deutschlandweit dichteste Netz an Hochwassermeldepegeln. Dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, werden bestehende Pegel mit einer Hochwassermeldefunktion ausgestattet, zusätzlich gebaut oder an anderer Stelle überflutungs- und damit ausfallsicher neu errichtet.” Beispiele dafür seien der Pegel Podrosche an der Lausitzer Neiße, der Pegel Leisnig an der Freiberger Mulde sowie der Pegel Flöha1.

Mit einer grundlegenden Neukonzeption seiner Datenverarbeitungssysteme werde das LHWZ künftig technisch auch für große Anfragebelastungen gerüstet sein. Darüber hinaus sollen Prognosen und Hochwasserwarnungen auch für kleinere Flussgebiete ermöglicht werden. Änderungen bei der Bestätigung von Eilbenachrichtigungen sowie zeitgemäße Informationsangebote wie Apps sollen zudem die Nutzerfreundlichkeit erhöhen, meint Kupfer.

“Der Kirchbach-Bericht zeigt: Unsere Einsatzkräfte haben hervorragende Arbeit geleistet”, sagte Innenminister Markus Ulbig. “Dabei haben sie viel Unterstützung erhalten. Unzählige Freiwillige haben sich im Web 2.0 organisiert und die Einsatzkräfte vor Ort tatkräftig unterstützt. Eine wichtige Frage für die Zukunft wird sein, wie diese Zusammenarbeit und die Einbindung Sozialer Netzwerke im Katastrophenschutz noch effizienter gestaltet werden kann.”

Sagt er so beiläufig hin. Aber der Bericht weist deutlich darauf hin, dass die amtlichen Stellen gerade bei der zentralen Krisenkommunikation auch über soziale Netzwerke reichlich Nachholbedarf haben.

Bericht der “Kommission zur Untersuchung der Flutkatastrophe 2013”: www.naturgefahren.sachsen.de

Die Antwort des Umweltministerium an die Grünen-Abgeordnete Gisela Kallenbach zu Deichrückverlegungen:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12218&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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