Eine Zeit lang passierte es gar nicht. Da zuckte die Fraktion der CDU im Sächsischen Landtag einfach mit den Schultern, wenn die Opposition Kritik äußerte. Warum auch reagieren, wenn im Freistaat alles paletti ist? - Aber seit einem Jahr mehren sich auch aus der CDU-Fraktion die dünnhäutigen Reaktionen und man reagiert sehr unwirsch auf die Kritik. Wie am Freitag, Karfreitag, 18. April. Da musste noch schnell ein Dementi raus.

Tags zuvor hatte die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen nach diversen Medienberichten – auch zur letzten Grünen-Anfrage – darauf hingewiesen, dass die sächsische Polizei keineswegs auskunftsfreudig ist, wenn es um die Verwendung nicht vorschriftsüblicher Mittel geht – Stichwort: Feuerlöscher gegen Demonstranten. Die Grünen-Anfrage hatte erst öffentlich gemacht, dass die Bereitschaftspolizei nicht erst bei einem Einsatz in Leipzig vorschriftswidrig Feuerlöschmittel gegen Demonstranten eingesetzt hat. Jähnigen erneuerte am Donnerstag, 17. April, eine alte Grünen-Forderung nach einer unabhängigen Polizeikommission.

Auf die reagierte dann am Karfreitag sofort Christian Hartmann, amtierender Vorsitzender des Arbeitskreises Innenpolitik der CDU-Landtagsfraktion: “Die Aufklärungsarbeit der Grünen bestand allein darin, einem bekannten Sachverhalt, an dessen vollumfänglichen Aufklärung längst gearbeitet wird, durch eine Kleine Anfrage nachzugehen. Die transparente Antwort des Innenministeriums als Vorwurf für ein mangelhaftes Beschwerde- und Kontrollwesen zu formulieren, ist innenpolitisches Trittbrettfahren der Grünen.”

Es ist ja nicht der einzige Punkt, in dem die sächsische Polizeipolitik kritisiert wird. Doch immer dann, wenn Polizeiarbeit aus dem Ruder läuft, sehen sich die Betroffenen einer Mauer des Schweigens gegenüber. Es gibt keine Verantwortlichen und keine kompetente Anlaufstelle für Beschwerden.

Hartmann aber sieht dafür keinen Grund: “Die wiederholte Forderung nach einer Polizeikommission als Beschwerde- und Kontrollinstitution macht nach wie vor keinen Sinn und ist Ausdruck des grünen Generalverdachts gegen unsere sächsischen Polizeibeamten. – Den Vorkommnissen in Leipzig und möglichen anderen Vergehen werden konsequent durch das Sächsische Innenministerium nachgegangen und aufgeklärt. Seitens des Staatsministers des Innern und des Landespolizeipräsidenten wird alles daran gesetzt, mögliche Dienstvergehen und Verletzung klarer Regeln polizeilicher Arbeit auf den Grund zu gehen und die notwendigen Konsequenzen nach dem Dienst- und Disziplinarrecht einerseits und in der polizeilichen Aus- und Fortbildung andererseits zu ziehen. Klar ist, dass sich solches Fehlverhalten nicht wiederholen darf.”Aber irgendwie haben nicht nur die Grünen von solchen Beteuerungen die Nase so langsam voll. Denn das hören sie auch immer wieder vom Minister. Und wenn er dann mal offiziell Stellung nehmen und Anfragen beantworten muss, dann zeigt sich schnell, was lieber alles unter der Decke hätte bleiben sollen.

Am 15. April hatte Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf Anfrage von Eva Jähnigen einräumen müssen, dass es schon im Jahr 2013 zwei Einsätze der Polizei mit Feuerlöschern gegen Personen am Rande von Fußballspielen von Dynamo Dresden gab.

“Die Antworten auf meine Kleinen Anfragen bestätigen leider meine Befürchtungen, dass das Vorgehen der Polizei in Leipzig kein Einzelfall war”, erklärte Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, am Donnerstag. “Die von der Polizei angekündigten Konsequenzen reichen nicht aus. Wir brauchen eine unabhängige Beschwerde- und Kontrollinstitution bei der Polizei. Wir Grünen haben dazu die Einsetzung einer Polizeikommission vorgeschlagen. Wieso werden diese Fälle erst jetzt aufgrund meiner Kleinen Anfragen publik? Dass der illegale Chemiemittel-Einsatz in Dresden seit Juli bzw. Oktober letzten Jahres unerkannt blieb, macht deutlich, dass es mit dem internen Beschwerde- und Kontrollwesen der Polizei nicht weit her sein kann.”

Die Minister-Antwort machte auch deutlich, dass der Einsatz solcher nicht vorschriftsmäßigen Mittel bei der sächsischen Polizei nicht einmal elektronisch registriert wird. Die Fälle, die Ulbig am 15. April nannte, sind also nur ein Teil der Wahrheit. Und auch Beschwerden scheint niemand zu registrieren.

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“Bezeichnend ist, dass der Innenminister laut Antwort auf meine Anfrage nicht einmal weiß, inwieweit bei der Polizei Beschwerden gegen derartige ‘Feuerlöscher-Einsätze’ eingegangen sind”, erklärte Jähnigen. “Innenminister Ulbig muss umfassend über die beiden Einsätze im Jahr 2013 in Dresden informieren. Die Inkaufnahme von Gesundheitsschäden durch Polizeieinsätze ist nicht hinnehmbar. So ein Rechtsverständnis muss Konsequenzen für die Verantwortlichen haben.”

Aus ihrer Sicht wäre die Belehrung der Polizeibediensteten nur ein erster Schritt. Der Innenminister müsse sicherstellen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. “Die Aufgabe einer unabhängigen Polizeikommission wäre, solche Vorfälle in der Polizei aufzuklären und für eine Wiedergutmachung bei den Betroffenen zu sorgen”, erläutert Jähnigen.

Antwort auf die Kleine Anfrage ‘Einsatz von nicht durch das Polizeigesetz gedeckten Zwangsmitteln’ (Drs 5/14036): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14036&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

Antwort auf die Kleine Anfrage ‘Einsatz chemischer Stoffe durch die Polizei’ (Drs 5/14032): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14032&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion ‘Gesetz über eine Polizeikommission zur Gewährleistung rechtmäßiger Polizeiarbeit’ (17.08.2012, Drs 5/9962): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9962&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

Eckpunktepapier zum Gesetzentwurf ‘Sächsisches Polizeikommissionsgesetz’: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Positionspapiere/2012-09-24_polizeikommission_ej.pdf

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