Der ganze Laden knirscht. Unterricht fällt aus, Gerichte schaffen ihre Arbeit nicht mehr, ganze Regionen sind von Polizisten entblößt und an den Hochschulen werden völlig überlaufene Studiengänge abgeschafft. Doch die CDU-Regierung kürzt immer weiter Stellen. Über 5.000 hat sie in den vergangenen fünf Jahren gestrichen. Jetzt fordern die Grünen eine Überprüfung der von Stanislaw Tillich 2009 verkündeten Abbauziele.

Haben wir hier die FDP vergessen? – Haben wir nicht. Sie hat den undurchdachten Kahlschlag mitgemacht. Der vorsichtige Protest kommt erst jetzt, ganz zum Schluss der Regierungsperiode. Was nutzt ein Koalitionspartner, wenn er die undurchdachten Beschlüsse der Regierungspartei nur abnickt und ansonsten schweigt?

Für den Haushaltsplanentwurf 2015/2016 fordert nun die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag eine Überprüfung aller Stellenabbauziele der derzeitigen Staatsregierung. Ein entsprechender Antrag der Fraktion steht am Mittwochabend, 18. Juni, auf der Tagesordnung des Sächsischen Landtags (TOP 12, gemeinsam mit einem Antrag der SPD).

“Seit sieben Jahren bringt das Finanzministerium in jedem Haushaltsplan neue Stellenabbauziele aus. Dabei wurde kein einziges Mal überprüft, ob dieser Stellenabbau tatsächlich noch notwendig ist und ob die Verwaltung des Freistaates Sachsen diesen Aderlass überhaupt verkraftet”, kritisiert Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. “Die Stellenabbauziele gehören auf den Prüfstand. Ohne Blick auf die Konsequenzen dürfen nicht weitere Stellen abgebaut werden.”

“Mit dem Haushaltsplan 2007/2008 wurden mit den Stimmen von CDU und SPD 6.441 kw-Vermerke ausgebracht”, erinnert die Abgeordnete an die Zeit, als noch die SPD als Koalitionspartner sich derart von der übermächtigen CDU mitschleppen ließ. “Also 6.441 Stellen, die künftig wegfallen sollten. 2011/2012 kamen unter der CDU/FDP-Regierung weitere 5.529 kw-Vermerke hinzu und im letzten Haushaltsplan wurde der Abbau zusätzlicher 496 Stellen beschlossen, die bis 2020 abgebaut werden sollen (sog. Stellenabbauziele). Von den insgesamt 12.466 beschlossenen kw-Vermerken waren bis Ende 2012 bereits 5.373 Stellen tatsächlich abgebaut. Mehr als noch einmal so viele sollen in den nächsten sieben Jahren abgebaut werden.”
Wobei nicht alles wirklich so “abgebaut” wurde, wie es die Landesstatistiken ausweisen. 4.000 Stellen wurden mit der Kreisgebietsreform 2008 in die Kreise verschoben. Die Jobs blieben zwar erhalten, doch die Finanzierung des Freistaats dafür schmilzt ab. Die Kommunen haben also einen zusätzlichen Finanzierungsposten aufgebürdet bekommen. Weitere 4.000 Stellen wurden aus dem Zentralbereich der Landesbediensteten statistisch ausgegliedert, als der Freistaat über 3.600 Stellen in den Medizinischen Fakultäten aus dem Landesbereich in den Hochschulbereich verschob. Was ganz sicher wieder zum Thema wird, wenn wieder einmal über die “viel zu hohe Zahl” von Hochschulangestellten debattiert wird.

Im Klartext heißt das: Die Zahlen, die Eva Jähnigen nennt, sind zwar hoch, aber durch den Verschiebebahnhof sind sie tatsächlich wesentlich kleiner. Und es fällt auf, dass schon die rund 4.000 nicht wieder besetzten Stellen dazu geführt haben, dass die Landesbehörden allesamt Personalprobleme haben und die Bürger spüren, wie die staatliche Dienstleistungsqualität in den Keller geht.

Was aber passiert erst, wenn das rigide Kürzungsprogramm einfach weiter geführt wird?

“Wir brauchen dringend eine umfassende Analyse, welche staatlichen Aufgaben mit welchem Personal geleistet werden können. Andernfalls wird der öffentliche Dienst bald nicht mehr arbeitsfähig sein. Die Auswirkungen dieses Stellenabbaus sehen wir bereits jetzt bei den Lehrerinnen und Lehrern sowie der Polizei”, legt Eva Jähnigen den Finger in die Wunde. “Im Bildungsbereich arbeitet die Staatsregierung nur noch nach dem Prinzip der Feuerwehr und versucht Flächenbrände zu verhindern. Von planvollem Handeln keine Spur. Im Bereich der Polizei werden wir in den nächsten Jahren mit wesentlich längeren Interventionszeiten rechnen müssen als bisher. Die durchschnittlich 20 Minuten, die die Polizei derzeit vom Notruf bis zum Eintreffen vor Ort braucht, sind schon jetzt in den Fällen von Gefahr für Leib und Leben viel zu lang. Auch die Hochschulen sind für die hohe Anzahl der Studierenden derzeit personell nicht gewappnet. In den Bereichen der Heimaufsicht und der Arbeitsschutzverwaltung kann bereits jetzt – obwohl die massiven Altersabgänge erst ab 2020 eintreten – ein Rückgang der Kontrollen verzeichnet werden, was auf fehlendes Personal schließen lässt.”

Grünen-Antrag ‘Arbeitsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes erhalten – Stellenabbauziele im Haushalt 2015/2016 überprüfen und Einstellungskorridore schaffen’ (Drs 5/14592): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14592&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=0

Zahlen aus dem Stellenabbaubericht der Staatsregierung (S. 3, 5, 11 ff.): www.finanzen.sachsen.de/download/Stellenentwicklungsbericht(2).pdf

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