Das klang schon sehr genervt, was der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann da am 6. Oktober die irgendwie noch amtierende sächsische Staatsregierung fragte. Da gab ein Leipziger Ordnungsbürgermeister andere Zahlen an als kurz zuvor der sächsische Innenminister, was den Schusswaffenbesitz in Leipzig beträfe. Aber auch für die Zahl der Waffenbesitzer geistern völlig unterschiedliche Zahlen durch die Welt. Was stimmt denn nun?

Wahrscheinlich muss man in Deutschland tatsächlich erst einmal lernen, wie ein voll ausgebildeter Bürokrat zu denken. Selbst um Antworten von Ministern verstehen zu können und zumindest zu ahnen, was der Minister tatsächlich gesagt und was er weggelassen hat. Und welche Fragen man vielleicht stellen muss, um herauszukriegen, was er weggelassen haben könnte.

Das betrifft eben auch die existierenden Schusswaffen in Sachsen und die dazu gehörenden Besitzer. Und da gehen die Differenzen schon los. Und die erste Antwort, die Innenminister Markus Ulbig nun am 30. Oktober gab, ist für seine Verhältnisse schon ganz humorvoll: “Die unterschiedlichen Angaben resultieren aus einer unterschiedlichen Interpretation der Fragestellungen durch das Sächsische Staatsministerium des Innern und die Stadt Leipzig.”Das geht bei den Schusswaffen los, die das sächsische Innenministerium für Leipzig auf 7.436 bezifferte. Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal war aber irgendwie nur auf 7.095 registrierte Schusswaffen in der Messestadt gekommen. Das könnte – so vermutet Markus Ulbig – daran liegen, dass Rosenthal nur die vollständigen Waffen gezählt hat und nicht die zusätzlichen Waffenteile.

Noch verrückter wird die bürokratische Zählung freilich, wenn es um die zugehörigen Waffenbesitzer geht. Das Innenministerium hatte auf eine Kleine Anfrage der Grünen hin erklärt, es gäbe in Sachsen 34.651 Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis, die irgendwie zu den registrierten 137.431 Schusswaffen in Sachsen gehörten. Wenig später meldete die dpa aber nur 26.487 Waffenbesitzer in Sachsen. Das – so Ulbig – sei freilich nur eine Interpretation des zentralen Waffenregisters. Denn der Besitz eines waffenrechtlichen Erlaubnisscheins bedingt noch nicht den Besitz einer Waffe. Es gibt also in Sachsen 34.651 Personen mit Erlaubnisschein, aber nur 26.487 sind tatsächlich offiziell im Besitz einer oder mehrerer Waffen – in der Regel mehrerer. Die Regel scheint wohl eher zu sein, dass ein Waffenbesitzer im Schnitt fünf bis sechs Schusswaffen sein eigen nennt.

In Leipzig ist der Schnitt ganz ähnlich, wenn auf die von Heiko Rosenthal genannten 7.095 Schusswaffen genau 1.553 gespeicherte Waffenbesitzer kommen – macht vier bis fünf Schusswaffen pro registrierten Besitzer, also im Schnitt ein kleines Arsenal. Die Gruppe der Waffennarren in Sachsen ist also deutlich kleiner, als das zentrale Waffenregister auf den ersten Blick aussagt, dafür hat die Gruppe von 26.487 dafür im Schnitt umso mehr Waffen im Waffenschrank. Hoffentlich im Waffenschrank. Andererseits sind fast 27.000 Personen auch schon wieder eine Kleinstadt. Und der Normalsterbliche fragt sich natürlich: Wofür braucht man in einem friedlichen Land mit (noch) funktionierender Polizei eigentlich überhaupt ein Schießeisen?

Innenminister Markus Ulbig hat zumindest eine Ahnung, wer da so fleißig Waffen hortet und das Arsenal Jahr für Jahr weiter anwachsen lässt: “Der Anstieg registrierter erlaubnispflichtiger Waffen ist im Licht einer steigenden Anzahl von Jägern und Sportschützen im Freistaat zu sehen.”

Die Kleine Anfrage von Valentin Lippmann als PDF zum Download.

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