Da wunderte sich nicht nur das deutsche Feuilleton, als Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Montag, 26. Januar, bekannt gab, er habe sich mit der Spitze des PEGIDA e.V. getroffen. „Dialogangebote zur Diskussion nutzen“, betitelte das Innenministerium diesen seltsamen Vorgang, zu dem Ulbig zwei Tage später auch im Landtag Stellung nehmen musste. Und nun lässt ein "Spiegel"-Beitrag herbe Zweifel darüber aufkommen, ob der Innenminister vor dem Landtag tatsächlich die volle Wahrheit gesagt hat.

Mit der Pressesprecherin von PEGIDA e.V., Kathrin Oertel, und einem weiteren Vorstandsmitglied, Achim Exner, will Ulbig über “die bislang 13 angemeldeten Veranstaltungen an Montagen in Dresden und die Verantwortung des Veranstalters für die Sicherheit und Ordnung” gesprochen haben. Und nach Wortlaut der Meldung des Staatsministeriums des Inneren (SMI) herrschte eine Art Einverständnis: “Darüber hinaus bestand eine gemeinsame Blickrichtung dafür, dass notwendige Meinungsbildung in der Gesellschaft nicht allein durch Demonstrationen geführt werden kann.”

Markus Ulbig wird mit den Worten zitiert: „Der Dialog kann auf der Straße beginnen, kann aber dort nicht als verständiger Austausch von Meinungen und Argumenten geführt werden. Ziel ist es – bei aller Meinungsverschiedenheit – die Bürgerschaft wieder aufeinander zu zu bewegen.“

Doch irgendwie scheint Ulbig mit PEGIDA schon vorher in regem Kontakt gestanden zu haben.

Beim Treffen von Ulbig mit den PEGIDA-Organisatoren Kathrin Oertel und Achim Exner sei es nicht nur vorrangig um Sicherheitsfragen der Pegida-Demonstrationen gegangen, sondern Ulbig hätte auch die Dialogbereitschaft der sächsischen Staatsregierung bekräftigt, lässt nun die Meldung des “Spiegel” vermuten.

Schon als Ulbig am Mittwoch, 28. Januar, seine Fachregierungserklärung abgab, reagierte der Vorsitzende der Linksfraktion, Rico Gebhardt, mit scharfen Worten. Denn eine ehrliche Dialog-Geschichte hat Ulbig nicht. Im Gegenteil. Sein Amt als Innenminister hat er immer mit harten Bandagen geführt – am liebsten gegen Linke und all jene Initiativen, die sich gegen extremistische Erscheinungen im Freistaat engagieren. Stichwort Extremismusklausel. Da wirkt eine derart gefällige Dialogbereitschaft mit PEGIDA – und zum Gespräch am 26. Januar sollte ja auch noch der alte Vorsitzende Lutz Bachmann dabei sein – mehr als seltsam.

“Streicheleinheiten nach rechts, Schläge nach links, das ist die Politik der CDU Sachsen”, sagte Gebhardt bei seiner Landtagsrede, bei der er Ulbig direkt zur Rede stellte: “Herr Ulbig, am Tag eines bürgerschaftlich organisierten Kultur-Großereignisses im Namen der Weltoffenheit vor der Dresdner Frauenkirche treffen Sie sich also mit den Oberstrategen für Volksverhetzung an der Spitze von PEGIDA. – Sie empfahlen sich PEGIDA bereits zuvor mit einer Polizei-Sondereinheit gegen kriminelle Asylbewerber, auch wenn sich der Dresdner Polizeipräsident ob dieses Unfugs öffentlich an den Kopf griff. Aber es ging ja nicht um Statistik, nicht um Fakten, sondern um das parteipolitische Abernten diffuser Ängste.”

Und trocken stellte er fest, dass da augenscheinlich eine ganz flotte Allianz entstanden war: “Sie und Frau Oertel von PEGIDA passen wirklich perfekt zusammen – bei der psychologischen Kriegsführung zum Thema innere Sicherheit passt kein Blatt Papier zwischen Sie, da kann noch nicht mal die AfD mit Frau Petry Schritt halten. – Herr Ulbig, Sie verstehen PEGIDA. Aber Sie verstehen nicht die Flüchtlinge, die sich abends nicht mehr aus dem Haus trauen. Sie machen die PR für PEGIDA gleich mit und erklären im Zuge des totalen Versammlungsverbotes auch alle Gegenveranstaltungen zu bedrohten Zonen, als könnte sich der Ober-Rassist Lutz Bachmann plötzlich inmitten einer Veranstaltung von „Dresden nazifrei“ finden. Wie absurd!”

Dass der flotte Dialog, den Ulbig als möglicher Bewerber um das OBM-Amt in Dresden da führte, in krassem Widerspruch zu Ulbigs sonst geübter Kommunikation stand, ließ Gebhardt auch nicht weg: “Nun will die sächsische Staats- und Regierungspartei CDU mit Kritikern plötzlich einen Dialog führen. – Aber es waren doch Sie, die eine politische Kultur des Anhörens der Argumente des anderen in Sachsen konsequent erstickten. Da wurden hier im Landtag und draußen vor demonstrierenden Lehrer/innen, Polizisten, Eltern und Schülerinnen und Schülern Millionen Einsparungen im Landeshaushalt als alternativlos dargestellt. Da wurden Gelder in der Jugendhilfe gestrichen. Da wurde eine Polizeireform durchgeführt, die eine Stellenstreichungsorgie ist. Da wird die Lehrerschaft auf Verschleiß gefahren. Und immer wurde das als alternativlos dargestellt, und am Ende des Haushaltsjahres erfreuten Sie sich der Millionenüberschüsse.”

Und da stecken die eigentlichen Ängste, die sich in zum Teil chaotischer Weise in Schneeberg, Dresden und anderswo auf der Straße äußerten. Denn während sich Ulbig einer knallharten Abschiebepraxis rühmte, setzte die Staatsregierung bei der eigentlichen Asylpolitik auf grimmiges Schweigen. Rico Gebhardt: “Keine Kommunikation, aber umso mehr Schikanen, viele Jahre auch beim Thema Asyl. Massenunterkünfte, Residenzpflicht, Wertmarken statt Selbstversorgung – das war Ihre Linie. Erst vor wenigen Wochen wurde im letzten Landkreis die Versorgung der Asylsuchenden mit Wertmarken abgeschafft. In keinem Bundesland gibt es so viele private Betreiber von Flüchtlingsunterkünften wie in Sachsen, ganz im Gegensatz zu Bayern. Jetzt gibt es Asylgipfel, und es wurde vor wenigen Tagen den Bürgermeister_innen rechtzeitige Kommunikation versprochen. – Aber erst am vergangenen Freitag wurde wieder genau das Gegenteil gemacht, es wurden 68 Flüchtlinge in die Stadt Böhlen gebracht, die Information dazu erreichte das Rathaus weniger als 24 Stunden vorher.”

Seine Mahnung an den Innenminister: “Herr Innenminister, Sie sollten vielleicht tatsächlich mal Ihren Job machen und nicht abstruse Gespräche führen.”

Abstrus war dann auch die Reaktion des Innenministers auf eine fast schon zu erwartende Warnung des US State Departments. Das hatte nämlich am 28. Januar eine Warnung ausgesprochen. Auch in den USA bekommt man mit, wenn in Sachsen seltsame Dinge geschehen. Aber auch das moderierte Innenminister Markus Ulbig am 28. Januar gleich ab: “Das ist eine bedauerliche Übertreibung. Wir haben eine unverändert stabile Sicherheitslage in Sachsen. Gäste aus aller Welt sind im Freistaat Sachsen herzlich willkommen.“

Aber nicht nur die Linken trauen dem umtriebigen Innenminister Sachsens nicht mehr über den Weg.

“Hat der Innenminister dem Landtag tatsächlich die volle Wahrheit gesagt?”, fragt Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. “In seiner Fachregierungserklärung in der letzten Woche vor dem Landtag hat der Innenminister sein Treffen mit Pegida noch so dargestellt, es sei es vor allem um die Demonstrationen gegangen. Die Medienberichte erwecken jetzt einen anderen Eindruck. – Ich fordere den Innenminister auf, jetzt reinen Tisch zu machen. Der Innenminister muss erklären, was tatsächlich die Gesprächsinhalte mit Pegida waren. Bei diesem heiklen Thema darf keineswegs der Eindruck entstehen, dass der Landtag nur die halbe Wahrheit erfahren hat.”

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“Aber es waren doch Sie, die eine politische Kultur des Anhörens der Argumente des anderen in Sachsen konsequent erstickten. Da wurden hier im Landtag und draußen vor demonstrierenden Lehrer/innen, Polizisten, Eltern und Schülerinnen und Schülern Millionen Einsparungen im Landeshaushalt als alternativlos dargestellt. Da wurden Gelder in der Jugendhilfe gestrichen. Da wurde eine Polizeireform durchgeführt, die eine Stellenstreichungsorgie ist. Da wird die Lehrerschaft auf Verschleiß gefahren. Und immer wurde das als alternativlos dargestellt, und am Ende des Haushaltsjahres erfreuten Sie sich der Millionenüberschüsse.”
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Keine Frage, der Innenminister ist lediglich einen Marionette der CDU. Er hätte nie wieder ernannt werden dürfen. Er ist für diese Funktion untragbar.

Herr Gebhardt, lehnen sie sich, eingeschlossen der “Linken” in Sachsen, trotzdem nicht zu weit vor. sonst fallen sie aus dem Fenster und womöglich auf ihre große Klappe. “Die Linke” hat bis heute nicht einmal eine Diskussion darüber auf den Weg gebracht, dass eine gravierende Reform der kommunalen Finanzkontrolle im Interesse des Gemeinwohl dringend erforderlich ist. Das wäre bzw. ist ein Weg zum sparsameren wirtschaftlicheren Umgang mit Steuergeld. “Die Linke” geht lieber einen “Irrweg”.

Auch beim “Spiegel” ist nicht alles das Gelbe vom Ei. Auch beim Spiegel gibt es Pressefreiheit nur dann, wenn der Gegenwind nicht zu groß wird. Nicht einmal hat er darüber berichtet, dass in Deutschland eine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder nicht erfolgt und politisch gar nicht gewünscht ist. Alle meine diesbezüglichen Hinweise wurde unter die (Spiegel)Tische gekehrt!

(bisherigen Hinweise wurde

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