„Auf 60 Millionen Euro Asylkosten bleiben Kommunen bislang sitzen“, meldete die „Freie Presse“ am Samstag, 21. Mai. Grundlage der Nachricht ist ein neues Gutachten des Leipziger Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Thomas Lenk, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Uni Leipzig. Er ist Experte für Kommunalfinanzen und hat ausgerechnet, dass das Prinzip „Alle bekommen das Gleiche“ in Sachsen völlig danebengeht.

Es ist der alte Kardinalfehler der sächsischen Politik, das Land mit der Gießkanne beglücken zu wollen und einfach zu ignorieren, dass die verfügbaren Ressourcen nicht gleich verteilt sind und auch die Kosten mittlerweile stark differieren. Das trifft auch auf die Kosten zur Unterbringung der Flüchtlinge zu.

„Das Stadt-Land-Gefälle ist offensichtlich: Die drei kreisfreien Städte gaben 2015 für Asylbewerber 95 Millionen Euro aus, die zehn Landkreise 184 Millionen Euro. Pro Asylbewerber fielen in Dresden, Leipzig und Chemnitz 12.100 Euro an, in den Landkreisen hingegen nur 10.900 Euro – eine Differenz, die sich durch unterschiedliche Rahmenbedingungen wie etwa beim Mietniveau erklären lässt“, schreibt die „Freie Presse“.

Dabei sorgen vor allem die Wohnungsengpässe in den Großstädten dafür, dass hier die Kosten für die Unterbringung in die Höhe geschnellt sind.

„Das Lenk-Gutachten prognostiziert auch für die kommenden Jahre kein relevantes Absenken der Aufwendungen. Die Stadt Leipzig musste im vergangenen Jahr beispielsweise zwölf Millionen Euro draufzahlen und erwartet für das laufende Jahr 50 Millionen Euro Mehrausgaben, die nicht über die Landesfinanzierung erstattet werden. Statt unsicherer Sonderzuweisungen brauchen die Kommunen endlich eine stabile Refinanzierung der im Zusammenhang mit Asyl zu tätigen Ausgaben“, fordert die Landtagsabgeordnete der Linken Juliane Nagel. „Dass die im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz festgeschriebene Asylpauschale in Höhe von 7.600 Euro pro Person und Jahr nicht auskömmlich ist, war bereits zur Beschlussfassung des Haushaltsbegleitgesetzes zum Doppelhaushalt 2015/16 und damit vor dem Anwachsen der Zahl von Geflüchteten ab Sommer 2015 klar. Schon damals veranschlagten einige Landkreise und Kreisfreien Städte etwa 9.000 Euro. Ein Haushaltsantrag der Linken, die Pauschale entsprechend anzuheben, wurde von der CDU/SPD-Koalition abgelehnt. Dass dies weder realitätsbezogen noch weitsichtig war, zeigt das Ergebnis des Lenk-Gutachtens.“

Und das sorgt jetzt erst einmal dafür, dass Städte wie Leipzig draufzahlen – obwohl sie eigentlich keinen Puffer zum Zuzahlen haben.

476 Millionen Euro hat der Freistaat Sachsen 2015 für die Flüchtlingsunterbringung ausgegeben, 242 Millionen Euro davon für die Erstaufnahmen. 218 Millionen Euro gingen an die zehn Landkreise und drei kreisfreien Städte, die letztlich für die dauerhafte Unterbringung der Flüchtlinge zuständig sind. Doch die haben insgesamt selbst 280 Millionen Euro ausgegeben, so Lenk. 62 Millionen sind also vom Freistaat nicht gegenfinanziert.

Nach Lenk stiegen die durchschnittlichen Kosten der Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung von 8.900 Euro pro Unterzubringenden im Jahr 2013 auf 9.700 im Folgejahr und 11.100 im Jahr 2015. Und in dieser Region werden die Kosten auch die nächsten Jahre bleiben. Städte wie Leipzig zahlen also bei jedem Unterzubringenden über 3.000 Euro aus eigener Kasse drauf in der Hoffnung, die Gelder irgendwann vom Land oder vom Bund erstattet zu bekommen.

„Eine auskömmliche Finanzierung der Pflichtaufgabe der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten im Asylverfahren ist ein Essential für stabile und handlungsfähige Kommunen und eine qualitativ angemessene Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten“, erklärt Juliane Nagel als Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Linksfraktion. „Nicht zu vergessen ist, dass auch mit der Integration von anerkannten Geflüchteten finanzielle Herausforderungen auf die Städte und Gemeinden zukommen, die von der Asylpauschale nicht mehr gedeckt werden. Auch hier müssen verlässliche Lösungen her!“

Deswegen habe die Linksfraktion im April auch eine Novelle des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vorgelegt, in der sie in den §§ 20 und 21 ein Umschalten von der Pauschallösung auf Spitzabrechnung vorschlägt.

Das hieße, dass die Landkreise und Kreisfreien Städte alle im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten getätigten Ausgaben auf Nachweis erstattet bekämen. Nach einem Zeitraum von zwei Jahren solle dann auf Grundlage der beobachteten Finanzierungsflüsse zu einer Pauschallösung zurückgekehrt werden, die dann auf einem realistischen und zeitgemäßen Niveau beruhen würde. Auch eine Idee von differenzierten Pauschalen hält Die Linke für diskussionswürdig.

Was auf keinen Fall funktionieren und viele Kommunen in Schieflage bringen wird, wäre, wenn diese auf den nicht gedeckten Kosten sitzenbleiben – eben jenen 62 Millionen Euro allein für das Jahr 2015. Dieselbe Größenordnung wird ja auch in den Folgejahren erreicht, denn die Kommunen müssen die Unterbringung der Asylsuchenden dauerhaft gewährleisten – zumindest, bis es jenen gelingt, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen.

Der Linke-Vorschlage für das „Gesetz über die Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Vorschriften“.

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