Was Asylsuchende in Deutschland immer wieder erleben, ist ausufernde Bürokratie. Der Weg in ein selbstbestimmtes Leben mit eigener Wohnung und eigenem Einkommen wird ihnen unheimlich schwer gemacht. Das ganze Asylsystem ist vollgestopft mit dem Misstrauen konservativer Politik, die geflüchtete Menschen vor allem als Zumutung begreift, nicht als echte Bereicherung.

Obwohl die meisten Ankommenden nichts anderes wollen, als so schnell wie möglich ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der Zeltlager zu führen.

Ein Thema, zu dem in der Ratsversammlung am 28. Februar Mohamed Okasha, der Vorsitzende des Migrantinnen- und Migrantenbeirats sprach. Denn wenn Asylsuchende, die in einer der großen Leipziger Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht wurden, eine Arbeit finden, werden sie oft postwendend mit einer saftigen Rechnung konfrontiert.

Okasha schilderte in seiner Rede zum Antrag des Migrantinnen- und Migrantenbeirats, was dann passiert. Dann bekommen die Betroffenen nämlich gepfefferte Rechnungen für ihre Unterkunft und Verpflegung in der Gemeinschaftsunterkunft.

Rechnungen, die eine reale Grundlage haben, den so teuer ist die Versorgung der in der Gemeinschaftsunterkunft Untergebrachten ja tatsächlich. Eigentlich ist das auch nicht dauerhaft gedacht. Doch auch den Menschen, die schon bald durch Eigeninitiative eine Arbeit finden, sind oft trotzdem noch auf die Gemeinschaftsunterkunft angewiesen, weil sie keine eigene Wohnung finden. Nur dass sie jetzt eine Rechnung dafür bekommen.

Wenn auf einmal Rechnungen kommen

„Asylsuchende, die nach Deutschland kommen, werden zunächst vom Land aufgenommen und anschließend auf verschiedene kommunale Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Solange sie kein Einkommen haben und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, sind diese Unterkünfte für sie kostenfrei. Das ändert sich jedoch mit Eintritt in die Erwerbstätigkeit“, schildert der Antrag des Migrantinnen- und Migrantenbeirats den Sachverhalt.

„Bereits in 2017 sollten die Kosten für eine Wohnung in der Stadt oder einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Gestattete oder Geduldete in Arbeit oder Ausbildung auf 600,00 € erhöht werden – als Konsequenz ‚hätte Arbeit hier sogar zur Schuldenfalle werden können‘, schreibt der Sächsische Flüchtlingsrat 2017.“

Aber natürlich kommen Asylbewerber nicht sofort die hoch bezahlten Jobs, mit denen sie locker auch jeden Schlafplatz in der Zeltunterkunft bezahlen könnten. Es sind eher die einfachen, nicht wirklich üppig bezahlten Jobs.

Und da taucht dann logischerweise sofort das Problem auf, das Mohamed Okasha auch aus eigener Erfahrung als Sozialbetreuer kennt. Im Antrag liest sich das so: „In Leipzig beispielsweise betragen die Gebühren in einer Gemeinschaftsunterkunft 477,40 € pro Person und Monat. Wenn es sich um eine ‚Unterkunft mit Zusatzleistungen‘ handelt, sogar 984,06 € pro Person und Monat.

Angesichts der Tatsache, dass die Schutzsuchenden einer Unterkunft zugewiesen werden und nicht wählen können, ob und in welche Art der Unterkunft sie gebracht werden, ist es unverständlich, dass Gebühren in dieser Höhe verlangt werden können.“

Reicht bessere Beratung?

Wobei das Sozialamt nicht einfach auf die Erhebung der Gebühren verzichten darf. Aber man habe schon ein Verfahren, so das Sozialamt in seiner Stellungnahme, mit dem man auf die Einkommenssituation der Betroffenen Rücksicht nehme: „Wenn Bewohner/-innen einer Gemeinschaftsunterkunft eine Beschäftigung aufnehmen und aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG herausfallen könnten, erfolgt im Rahmen der Leistungssachbearbeitung bereits eine erste Überschlagsberechnung, ob durch die Erwerbstätigkeit eine Leistungseinstellung zu erwarten ist.

Wenn sich noch Ansprüche ergeben könnten, die ggf. aufgrund variierender Einkommenshöhen auch differieren können, erfolgt eine Beratung der Bewohner/-innen für Fälle mit Einkommen und Gebührenpflicht.

Fällt die Person in den Zuständigkeitsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes, so erfolgt in der Leistungssachbearbeitung des Sozialamtes eine Prüfung über den bestehenden Bedarf der/des Antragstellers/-in (Lebensunterhalt und Unterbringungskosten). Diesem Bedarf wird das erzielte Einkommen, abzüglich des Selbstbehalts, gegenübergestellt und die Höhe der zu zahlenden Eigenanteile oder der bestehenden Leistungsansprüche nach dem AsylbLG im Einzelfall ermittelt.“

Das war dann auch eine Art Kompromissvorschlag für den Migrantinnen- und Migrantenbeirat, der dann nach Gesprächen mit dem Sozialamt seinen Ursprungsantrag noch einmal überarbeitete. Und zwar nicht im Sinne des Sozialamts-Vorschlags, der eher einen Ausbau der Beratungen für die Betroffenen vorgeschlagen hatte.

Sondern in dem Sinn, den Okasha in seiner Rede besonders hervorhob, denn die meisten Menschen, die nach Deutschland kämen, wollten ja so schnell wie möglich eine eigene Arbeit aufnehmen und auch in eine eigene Wohnung ziehen. Sie wollen gar nicht im Hilfesystem bleiben. Aber dazu müssen Schwellen und Barrieren abgebaut werden.

Hilfe beim Einstieg in die Erwerbsarbeit

Im Antrag heißt es dazu: „Deutschland ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Asylsuchende, die schnell in die Erwerbstätigkeit einsteigen, sollten daher unterstützt werden, statt sie durch hohe Unterkunftszahlungen und teilweise sogar rückwirkende Gebührenforderungen zusätzlich zu belasten. Die Höhe der Gebühren ist außerdem integrationspolitisch nicht sinnvoll und demotiviert Asylsuchende zu arbeiten, obwohl Arbeit vor Ort Integration fördert durch den Austausch mit anderen Leipziger Arbeiter/-innen und oftmals das Erlernen der Sprache unterstützt.“

Und so sollte „eine Einzelprüfung im Sozialamt eingeführt werden, sodass im Fall von erwerbstätigen Asylsuchenden je nach Einkommen eine Reduktion der Kosten vorgenommen werden kann. Für Asylsuchende, die in die Erwerbstätigkeit einsteigen, bedeuten die Forderungen nach Zahlung von Unterkunftsgebühren oftmals eine negative Überraschung“, heißt es weiter.

„Wir fordern, dass Asylsuchende über die anfallenden Gebühren und ggf. die Pflicht rückwirkend Gebühren zu begleichen, vorab ausreichend informiert werden.“

Und so beantragte der Migrantinnen- und Migrantenbeirat nicht nur, dass „erwerbstätige Asylsuchende, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, SGB II oder SGB XII beziehen, in Gemeinschaftsunterkünften mit Selbstversorgung unterzubringen und ggf. in diese Gemeinschaftsunterkünfte umzuverteilen“ seien, sondern auch, dass „erwerbstätige Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, prioritär beim Auszug in eigene Wohnungen zu unterstützen (seien) und dabei mit den Betreibern der Unterkünfte und Trägern der Flüchtlingssozialarbeit zusammenzuarbeiten“ sei.

Dass die Stadt Leipzig also selbst alles dafür tut, dass asylsuchende Menschen selbst schnell den Weg in eine Erwerbsarbeit finden und dann auch bei der Suche nach einer eigenen Wohnung – prioritär – unterstützt werden.

Dass das der rechtsextremen Fraktion im Stadtrat nicht passte, auch wenn die zum Antrag keinen Ton sagte, war abzusehen: Die AfD-Stadträte stimmten dann auch als einzige gegen den Antrag des Migrantinnen- und Migrantenbeirats, wollten sich aber irgendwie noch ein bisschen aufblasen und elf Gegenstimmen registriert bekommen.

Aber da nur neun AfD-Stadträte anwesend waren, musste ihnen OBM Jung bescheinigen, dass sie nun einmal nur neun wären und es bei neun Gegenstimmen bliebe.

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