Am 24. Oktober veröffentlichten die beiden Dezernate für Soziales und für Jugend den neuen „Sozialreport 2023“. Ein nicht ganz unwichtiger Zustandsbericht der Stadt Leipzig. Denn er zeigt, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse trotz Wirtschaftsaufschwung nach wie vor sind, wie viele Menschen unter prekären Bedingungen leben und wie viel Geld die Stadt für die Bewältigung sozialer Aufgaben ausgeben muss.

Im Sozialreport werden seit 2004 Daten aus vielen verschiedenen Bereichen der Verwaltung zusammengeführt, um einen Überblick über wesentliche Entwicklungen in der Stadt Leipzig zu erhalten. Die Zusammenschau statistischer Kennzahlen und Indikatoren aus dem Jahr 2022 im 18. Sozialreport ermöglicht damit die Grundlage für eine datenbasierte Steuerung.

Der Einfluss des Krieges in der Ukraine

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt sich deutlich in den verschiedenen Kapiteln des Sozialreports. Die Einwohnerzahl nahm im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich zu, gleichzeitig stieg sowohl die Zahl der Arbeitslosen als auch die Zahl der Menschen, die Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld, ehem. Arbeitslosengeld II, ugs. „Hartz IV“) erhalten.

Es bezogen mehr Kinder unter 15 Jahren Sozialgeld als im Vorjahr und die Anzahl der Alleinerziehenden in Leipzig stieg ebenfalls deutlich an.

„Auch im Jahr 2022 hat der starke Zuzug von Geflüchteten und Schutzsuchenden aus der Ukraine angehalten“, erläutert Sozialbürgermeisterin Dr. Martina Münch. „Deshalb waren in Gemeinschaftsunterkünften und Gewährleistungswohnungen über 2.000 Personen mehr unterzubringen als im Vorjahr. Das bedeutet einen Anstieg um mehr als 60 Prozent.

Entsprechend haben wir Plätze zur Unterbringung ausgebaut und mussten auch Notunterkünfte nutzen. Zugleich lebt etwa die Hälfte der Haushalte derzeit noch in Gemeinschaftsunterkünften oder Gewährleistungswohnungen, weil sie auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine eigene Wohnung finden.“

Die Einwohnerentwicklung zeigte sich auch in den Leipziger Schulen.

„Im letzten Jahr haben wir erneut ein deutlich gestiegenes Wachstum bei der Zahl der Schülerinnen und Schüler festgestellt“, so Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus. „Der Ausbau der Schulkapazitäten läuft weiterhin auf hohem Niveau. Positiv ist der gestiegene Anteil an inklusiv unterrichteten Schülerinnen und Schüler, der mittlerweile bei 50 Prozent liegt.

Andererseits haben sich die Zahlen für Schulbegleitung und die damit verbundenen Kosten in den letzten Jahren vervielfacht. Die Kommune hat zur effizienteren Bearbeitung der Anträge einen Fachdienst Eingliederungshilfe im Kontext Schule geschaffen.“

Wieder mehr Leipziger in der sozialen Mindestsicherung

Das monatliche persönliche Haushaltsnettoeinkommen in Leipzig lag im 2022 bei rund 1.620 Euro und damit etwa 30 Euro höher als im Vorjahr. Doch die Einkommensunterschiede zwischen den einkommensschwächsten und einkommensstärksten 20 Prozent der Bevölkerung haben sich auf rund 1.470 Euro erhöht.

Das heißt: Wer ohnehin schon gut verdient, hat deutlich höhere Einkommenszuwächse. Während Menschen mit niedrigen Einkommen auch nur niedrige Zuwächse erleben. Mit der logischen Folge, dass sie unter der seit 2022 herrschenden Inflation deutlich stärker leiden als die höheren Einkommensgruppen.

Die Entwicklung der Nettoäquivalenzeinkommen der einkommenstärksten und der einkommensschwächsten Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2023
Entwicklung der Nettoäquivalenzeinkommen der einkommenstärksten und der einkommensschwächsten Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2023

Die Zahl der Menschen, die auf Sozialtransfers angewiesen waren, stieg 2022 wieder.

Die Zahl der Regelleistungsempfängerinnen und -empfänger nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch („Hartz IV“) ist im Jahr 2022 im Gegensatz zum Vorjahr wieder deutlich gestiegen. Insgesamt erhielten 53.456 Personen diese Leistungen, im Vorjahr waren es knapp 4.000 weniger. Die Anzahl der Kinder unter 15 Jahren, die Sozialgeld bezogen, stieg zum ersten Mal seit 2017 wieder an.

2022 waren 13.348 Kinder auf diese Leistung angewiesen. Das entsprach einem Anteil von 15,3 Prozent, im Vorjahr waren es 14,8 Prozent. Die Anzahl der Kinder, für die Kinderzuschlag bezogen wurde, blieb im Jahresverlauf stabil bei etwa 6.000.

1,34 Milliarden Euro für sozialpolitische Aufgaben

Und auch das bewirkte einen weiteren Anstieg der Sozialausgaben der Stadt.

Im Haushaltsjahr 2022 wurden in der Stadt Leipzig 1,34 Milliarden Euro für sozialpolitische Aufgaben aufgewendet. Das entspricht 60 % des Gesamthaushaltes der Stadt (Vorjahr: 56 %). Seit dem Jahr 2017 stiegen die Aufwendungen der Stadt Leipzig für sozialpolitische Aufgaben mit Ausnahme dem Jahr 2021 kontinuierlich an. I

m Vergleich zum Vorjahr kletterten die Aufwendungen für sozialpolitische Aufgaben um 123,6 Millionen Euro, teilen die beiden beteiligten Dezernate mit.

Steigende Zuschüsse für die sozialpolitischen Aufgabenfelder. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2023
Steigende Zuschüsse für sozialpolitische Aufgabenfelder. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2023

Wobei der größte Anteil auf ein elementares Versorgungsfeld kommt, wie man im „Sozialreport“ lesen kann: „Den größten Anteil bei den Aufwendungen stellt, wie in den vergangenen Jahren, das Aufgabenfeld der Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (einschließlich der Übernahme der Elternbeiträge) dar. Im Jahr 2022 lagen diese bei 400,7 Mio. Euro und stiegen damit um 29,8 Mio. Euro gegenüber dem Jahr 2021 (voraussichtliches Rechnungsergebnis).

Obwohl die Zahl der Kinder in Kindertagesbetreuung im Vergleich zum Vorjahr um 185 zurückging, stiegen die Aufwendungen, was v. a. mit den erhöhten Personalkosten aufgrund der Tarifabschlüsse im Bereich SuE (Sozial- und Erziehungsdienst, Anm. d. Red.) zu begründen ist.

Im Jahr 2022 wurde die größte Zunahme an Aufwendungen mit 33,9 Mio. Euro im Bereich Maßnahmen und Hilfen für Asylbewerber/-innen verzeichnet. Die wachsenden Ausgaben in diesem Bereich sind auf die hohe Anzahl von Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine, zurückzuführen.

Ebenfalls stiegen die Aufwendungen für Leistungen nach dem SGB XII (um 6,3 Mio. Euro) sowie die Umlage an den Kommunalen Sozialverband (um 24,0 Mio. Euro), jeweils im Vergleich zum Vorjahr. Im SGB XII sind diese Mehraufwendungen hauptsächlich auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zurückzuführen.“

Noch deutlicher wird die zunehmende Belastung des städtischen Haushaltes, wenn die Ausgaben um die Erträge bereinigt werden und nur noch die Zuschüsse abgebildet werden.

„Der Zuschuss beziffert Aufwendungen, gemindert um die Erträge. Er stellt damit die tatsächliche Belastung der Stadt dar“, betont der „Sozialreport“.

„Insgesamt betrug der Zuschuss im Jahr 2022 für die Ämter des Dezernates Soziales, Gesundheit und Vielfalt sowie des Dezernates Jugend, Schule und Demokratie nach vorläufigem Rechnungsergebnis 842,7 Mio. Euro (vorl. Rechnungsergebnis 2021: 763,0 Mio. Euro). Im Vergleich zum Jahr 2017 entspricht dies einer Steigerung um 240,9 Mio. Euro.“

Immer mehr Mittel aus dem städtischen Haushalt werden also für zwingende soziale Aufgaben gebunden. Was letztlich den Gesamthaushalt zunehmend unter Druck bringt, wie auch jüngst wieder in der Ratsversammlung sichtbar wurde.

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