Es war nach Rostock-Lichtenhagen im August 1992, als die deutsche Politik quasi das Grundrecht auf Asyl in Deutschland aufhob und an seine Stelle ein rigides Gnadenrecht setzte, das den Schutz von Geflüchteten von bürokratischem Goodwill abhängig machte. Souverän war das nicht, eher feige. Seitdem aber übertreffen sich deutsche Innenminister in gnadenloser Härte gegen Schutzlose. Und reißen auch Familien auseinander. Beispiel Sachsen.

Hier ist, wie man weiß, ein Innenminister in Amt und Würden, der seine fehlende Souveränität im Amt damit zu kaschieren versucht, dass er versucht, in der Abschiebepraxis besondere Härte zu zeigen. Dass dabei Familien auseinandergerissen werden, ist dem Machtmenschen sichtlich egal.

„Für Aufmerksamkeit sorgten vor allem die Abschiebung einer Mutter ohne ihren 13-jährigen Sohn aus Grimma nach Polen im April 2016 sowie die Abschiebung einer Frau mit drei Kindern nach Mazedonien ohne Vater und weitere Kinder im Mai aus Riesa. In beiden Fällen wurden offensichtlich auch gesundheitliche Aspekte unzureichend beachtet“, stellt die Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, dazu fest. „Frau D. aus Grimma war in psychotherapeutischer Behandlung, ihr Facharzt riet ausdrücklich von einer Abschiebung ab. Frau K. aus Riesa leidet an einer Herzerkrankung. Im Abschiebewahn verletzten die sächsischen Behörden offenbar humanitäre Grundsätze. Das kann und darf nicht sein!“

Dass sich die Behörden so verhalten, hat natürlich damit zu tun, dass sie nicht souverän sind in ihren Handlungen, sondern mit Ministern zu tun haben, die augenscheinlich tief verwurzelt sind in alten Erfahrungen schwarzer Pädagogik: Diese Art Pädagogik akzeptiert die zur Erziehung Befohlenen nicht als gleichberechtigt und selbstbestimmt, sondern als Objekte, an denen Erziehung exerziert werden muss. Mit Gewalt und Härte, deswegen beschwören es ja die strengen Herren in ihren strengen Anzügen immer wieder. Das beeindruckt natürlich vor allem Bevölkerungsschichten, die sich nach einer harten Hand und einem strafenden Übervater sehnen. Nur dass die Gewalt möglichst nicht über sie kommen solle, sondern über die anderen, die scheinbar Ungezogenen.

Anders machen die martialischen Äußerungen etwa des sächsischen Innenministers keinen Sinn.

Dass die Vollzugsbeamten dabei selbst geltende Gesetze mit Stiefeln treten, kritisiert Juliane Nagel besonders.

„Der Schutz des Familienlebens ist ein Menschenrecht (Art. 6 Grundgesetz, Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 9 UN-Kinderrechtskonvention). Dieses Recht wird in Deutschland offenkundig nicht allen Menschen gleichermaßen gewährt. Das Innenministerium antwortet auf meine Anfragen, dass diese Normen generell einer Aufenthaltsbeendigung nicht entgegenstehen“, geht die Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Linksfraktion auf die besonders eisige Einstellung des Innenministers zu diesen Übergriffen ein. „Andererseits verweist auch das Innenministerium auf die Einzelfallprüfung, wonach die ‚Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Intensität der familiären Bindungen, das Alter der Kinder, die Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder und die voraussichtliche Dauer der Trennung‘ (Drs 6/5205) einbezogen werden müssen. Diese Prüfkriterien wurden offensichtlich in den beiden bekannten Fällen grob missachtet. Es liegt nahe, dass dies auch in weiteren Fällen geschehen ist.“

Aber was bleibt einer Abgeordneten in einem Land, in dem der Innenminister auch noch stolz darauf ist, wenn er Menschen, die hier Zuflucht gesucht haben, mit aller Macht abschieben lässt? Zumindest der Appell an die Regierenden um mehr Menschlichkeit.

Juliane Nagel versucht es zumindest: „Ich fordere von der Staatsregierung und den zuständigen Behörden sorgfältige Entscheidungen zugunsten der Betroffenen, besonders wenn es um Familien mit Kindern und um gut integrierte Menschen geht – wie um die hochschwangere Dolmetscherin Alma U., die im Juni aus Dresden nach Albanien abgeschoben wurde. Zwar wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen stark verschärft und insbesondere mit dem Asylpaket II die Hürden für die Abschiebung kranker und traumatisierter Menschen abgesenkt. Nichtsdestotrotz müssen die Behörden die individuelle Situation der Betroffenen und menschenrechtliche Grundsätze beachten! Abschiebungen sind ein oft gewaltsam vollzogenes Zwangsmittel, das Menschen ihrer Lebensperspektive beraubt. Ein Abschieben um jeden Preis, wie es gerade in Sachsen gang und gäbe ist, kann nur als Vollzug der rassistischen Stimmungsmache auf den Straßen gelten.“

Die Anfrage von Juliane Nagel zur Abschiebung in Grimma. Drs. 5205

Die Anfrage von Juliane Nagel zu Familientrennungen bei Abschiebungen in Sachsen. Drs. 5266

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Es gibt 3 Kommentare

Erklärt dieser Held von Minister dem Kind wenigstens selbst, warum man ihm die Mutter genommen hat? Wie kann der noch sein eigenes Spiegelbild ertragen?

Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn gut integrierte Menschen, die auch noch ihren Lebensunterhalt selber verdienen, aber aus einem “sicheren Land” kommen, abgeschoben werden, aber kriminelle Ausländer hier bleiben dürfen, weil sie aus einem “unsicheren Land” kommen. Vor allem dauern die Verfahren immer noch zu lange!

Während in Frankreich schon leise Rufe nach einer Wiedereinführung der Guillotine erklingen, wiegen sich Politiker im Michel-Deutschland in seliger Eierschaukelruhe.
Wie lange wird der herbeigeredete Sommermärchenzauber wohl anhalten?

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