Zwei Männer, die seit dem „Tag X“-Wochenende in Leipzig in U-Haft saßen, sind heute unter Auflagen freigekommen, weitere Haftprüfungen stehen in den kommenden Tagen an. Außerdem hat sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute mit den Rechten von Asylbewerber*innen befasst und mehrere mutmaßliche Femizide sorgen für Entsetzten. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 15. Juni 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Nach „Tag X“-Wochenende: Zwei Tatverdächtige aus U-Haft entlassen

Im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen rund um das Wochenende des 3. Juni in Leipzig sind heute zwei Personen unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Bei den beiden Männern (beide Mitte 20) besteht nach LVZ-Informationen weiterhin „dringender Tatverdacht“. Die heute freigelassenen Beschuldigten sind zwei von insgesamt neun Personen, die seit dem sogenannten „Tag X“-Wochenende in der Justizvollzugsanstalt Leipzig festgehalten werden.

Der Vater eines Entlassenen trat heute mit vollem Namen und Gesicht in die Öffentlichkeit. Er stehe voll hinter seinem Sohn, zitiert ihn der Journalist Marco Santos. Nach eigenen Angaben war Hartwin Schulz aus dem brandenburgischen Bernau in der DDR selbst in Haft, seine Stasi-Akte habe 1.000 Seiten umfasst.


Kurz nach dem Wochenende war von zehn Personen in U-Haft die Rede, am 8. Juni waren es noch neun. Einige von ihnen sollen sich an den Ausschreitungen am Freitagabend (2. Juni) in Connewitz beteiligt haben, einige an den Protesten am Samstag (3. Juni) am Alexis-Schumann-Platz und einige an den Ausschreitungen am Samstagabend in Connewitz.

Im Zusammenhang mit der Situation am Alexis-Schumann-Platz am 3. Juni hatte die Staatsanwaltschaft für sechs Personen Haftbefehlserlass beantragt. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Alle Beschuldigten (zwischen 18 und 35 Jahre alt) sind nach Angaben der Polizei nicht in Leipzig oder Sachsen gemeldet, sondern in anderen Bundesländern.

Für fünf der Beschuldigten wurde Haftbefehl erlassen, zwei der Beschuldigten kamen direkt im Anschluss aber unter Auflagen auf freien Fuß. Gegen einen Beschuldigten wurde der Haftbefehl aufgrund fehlender Haftgründe nicht erlassen.

Somit sitzen nach dem „Tag X“-Wochenende Stand Donnerstagabend noch insgesamt sieben Männer in U-Haft, zwei davon wurden beim Demonstrationsgeschehen am 3. Juni festgenommen.

Laut der Initiative „Wir sind alle Linx!“ stehen für die kommenden Werktage weitere Haftprüfungen an. Die Initiative ruft aus diesem Anlass zu mehreren Kundgebungen vor dem Amtsgericht Leipzig auf. „Kommt vorbei und zeigt euch solidarisch“, heißt es in dem Aufruf.

Bundesverwaltungsgericht: Abschiebungen gelten nicht als Wohnungsdurchsuchungen

Soll die Polizei eine ausreisepflichtige, nicht-deutsche Person abschieben, darf sie zum Zweck der Abschiebung ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl ihren Wohnraum betreten. Zu diesem Urteil kam das Leipziger Bundesverwaltungsgericht heute und bestätigte somit die gängige Praxis.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei einer Abschiebung nicht um eine Durchsuchung im Sinne Artikel 13 Absatz 2 des Grundgesetzes handele. Geklagt hatte ein ehemaliger Asylbewerber, der für seine Abschiebung im Juni 2018 von der Polizei nachts aus seinem Zimmer in einer Asylunterkunft in Baden-Württemberg geholt wurde.

Artikel 13 des Grundgesetzes dreht sich um die sogenannte „Unverletzlichkeit der Wohnung“, soll also den persönlichen Lebensbereich jedes Menschen vor staatlichen Eingriffen schützen.

Außerdem hat sich das Bundesverwaltungsgericht heute mit dem Fall eines anderen ehemaligen Asylbewerbers beschäftigt. Der Mann hatte gegen die ehemalige Hausordnung seiner damaligen Asylunterkunft in Freiburg geklagt.

Sie sprach dem Sicherheitspersonal die Befugnis zu, die Zimmer der Bewohner*innen regelmäßig zu betreten, um zu kontrollieren, ob sich die Bewohner*innen an die strengen Hausregeln halten. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag in diesem Fall ab, da der Antragsteller nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung wohne und es somit keines weiteren Rechtsschutzes bedürfe.

Zuvor hatte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim diese Praxis als unzulässig und die entsprechenden Passagen der Hausordnung rückwirkend für unwirksam befunden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fand in Solidarität mit den Antragstellern heute eine Kundgebung unter dem Motto „No more camps, we want housing!“ (dt. „Keine Lager mehr, wir wollen Wohnungen!“) statt.

Mehrere mutmaßliche Femizide in Deutschland und Österreich

Mehrere Fälle mutmaßlicher Femizide haben heute für Entsetzen gesorgt. Femizide werden Fälle genannt, in denen Männer Frauen vor dem Hintergrund der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen töten. Oft handelt es sich bei den Tätern um Partner oder Ex-Partner der Frauen.

Wie heute bekannt wurde, soll ein 47-jähriger Mann in einem Einfamilienhaus im österreichischen St. Peter am Kammersberg mit einem Revolver zuerst seine 65-jährige Ehefrau und seine 62-jährige Bekannte mutmaßlich getötet haben, danach allem Anschein nach sich selbst. Bei der getöteten 62-Jährigen handelt es sich um eine Hotelunternehmerin aus Nossen in Sachsen. Der mutmaßliche Täter hatte nach Angaben der Polizei einen gültigen Waffenschein für den Revolver.

Ein weiterer Fall hat heute für viel Aufsehen gesorgt: Ein 30-jähriger Mann soll zwei junge Frauen nahe dem weltberühmten Schloss Neuschwanstein eine Schlucht hinabgestoßen haben. Eine der Frauen, eine 21-jährige Touristin aus den USA, überlebte den Angriff nicht. Im Zuge der Tat soll es zu einem versuchten Sexualdelikt an mindestens einer der Frauen gekommen sein. Die Polizei hat den Mann festgenommen und ermittelt wegen Mordes, versuchten Mordes und wegen eines Sexualdelikts.

Nach ersten Erkenntnissen haben sich der mutmaßliche Täter und die beiden Frauen bis kurz vor der Tat nicht gekannt. Der Vorfall ereignete sich bereits am Mittwochnachmittag.

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Muslimisches Seelsorgetelefon: Das muslimische Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 030  44 35 09 821 erreichbar.

Weitere Möglichkeiten und Angebote finden Sie hier hier:
www.suizidprophylaxe.de

Rammstein-Plattenfirma setzt Werbung für die Band aus

Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat:
über das Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen in Sachsen

über den Wahrheitsgehalt der Polizeimeldungen zum sogenannten „Tag X“

über die Inszenierung „Der schwarze Hund“ im Gutshof Stötteritz

Was heute noch wichtig war: Universal Music, die Plattenfirma der Band Rammstein, stellt nach den schweren Vorwürfen gegen Frontmann Till Lindemann und das Rammstein-Umfeld das Marketing für die Band vorerst ein.

Und noch eine Nachricht aus der Medienwelt: Martin Machowecz, bis 2021 zuständig für die „Zeit im Osten“-Seiten der Wochenzeitung „Zeit“, wird ab Juli stellvertretender Chefredakteur bei dem traditionsreichen deutschen Leitmedium. Das hat die „Zeit“-Verlagsgruppe heute bekannt gegeben.  Machowecz stammt aus Meißen, studierte Politikwissenschaft in Leipzig und wohnt mittlerweile in Hamburg. Aktuell leitet er noch das „Streit“-Ressort.

Was morgen passieren wird: Am morgigen Freitag, 16. Juni 2023, laden die Leipziger Stadtreinigung und das Marktamt zum ersten Mal zum sogenannten „Nachhaltigkeitsmarkt“ ein. Im Zeitraum von 13 bis 17 Uhr präsentieren Vertreter*innen der Stadt ein Bühnenprogramm zum Thema Nachhaltigkeit – das Motto lautet „Mein Leipzig schon’ ich mir – Ressourcen sparen, Zukunft wagen“.

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