Am Donnerstag, 11. Mai, gab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die neuesten Zahlen zur Steuerschätzung bekannt. Da war dann zwar schnell die Zahl 54 Milliarden - bis 2021 - im Raum und die üblichen Begehrlichkeitsvereine meldeten sich zu Wort. Aber man sollte doch vorsichtshalber erst einmal bei den 7,9 Milliarden Euro bleiben, die wohl 2017 zusätzlich kommen. Davon wird auch Sachsen ein paar Milliönchen extra bekommen.

Was dann Sachsens Finanzminister Prof. Dr. Georg Unland auf bekannt unterkühlte Art einkassierte. Irgendwie scheint er das schon längst gewusst zu haben: „Bereits Ende 2016 hatten sich die Steuereinnahmen bundesweit sehr gut entwickelt. Zum Jahresauftakt 2017 setzte sich dieser Trend fort. Insofern hatte sich schon abgezeichnet, dass die Schätzung besser ausfallen dürfte. Wesentlich dafür ist die anhaltend gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in Deutschland. Das spiegeln unter anderem auch die derzeit sehr starken Umfrageindikatoren direkt aus den Unternehmen wider. Gleichwohl dürfen wir die großen Risiken aus der weltwirtschaftlichen Situation mit seinen zahlreichen Krisenherden nicht aus den Augen verlieren.“

So dämpft er die Erwartungen schon mal.

Gastgeber des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ war diesmal der Freistaat Sachsen. Die Sitzung fand im Neuen Schloss in Bad Muskau statt. Die Auswirkungen der Mai-Steuerschätzung für die Landesebene sowie die sächsischen Kommunen werden nun berechnet und in den kommenden Wochen vorgestellt, kündigt Unland schon mal an.

Grundlage für die aktuelle Steuerschätzung ist die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. In diesem Jahr soll die deutsche Wirtschaft real um 1,5 Prozent wachsen, für 2018 wird ein Anstieg von 1,6 Prozent erwartet. Darüber hinaus sind für die neuen Schätzergebnisse auch vom Arbeitskreis erstmals berücksichtigte Steuerrechtsänderungen relevant. Das betrifft vor allem Umsatzsteuermittel in erheblicher Höhe, die der Bund den Ländern (vor allem für Asyl und Integration) und den Kommunen (Bundesteilhabegesetz) übertragen hat.

Und dann macht Unland gleich mal Politik und fordert eine Steuersenkung.

„Die neuen Zahlen belegen, dass es bei weiter guten Rahmenbedingungen Zeit für eine spürbare Steuerentlastung ist. Beim Einkommensteuertarif muss der sogenannte ‚Mittelstandsbauch‘ im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen einschließlich der kalten Progression angegangen werden”, so Unland. “Darüber hinaus sollte die aktuelle Einnahmelage für wichtige, langfristig ausgerichtete Schlüsselinvestitionen sowie konsequent zum Schuldenabbau genutzt werden. Dieser Dreiklang ist der Maßstab für eine gute Zukunft unseres Landes.”

Dabei hat Sachsen überhaupt keine Spielräume für Steuersenkungen. Gerade die Investitionsprogramme für die Kommunen sind völlig unterfinanziert, egal, ob es Schulen, Nahverkehr oder (sozialen) Wohnungsbau betrifft. Kennt der Minister die Zahlen zum Investitionsstau nicht oder ist er in Weihnachtsmannlaune?

Aus Sicht der Linken sieht es ganz so aus.

„Die vom Arbeitskreis Steuerschätzung prognostizierte Einnahmesituation der Bundesrepublik überrascht nicht wirklich. Bereits seit Jahren entwickeln sich unsere Einnahmen positiv. Sachsens Finanzminister Unland hat den Prognosen so gut wie nie Glauben geschenkt und den Freistaat künstlich arm gerechnet. Diese versteckte Sparpolitik haben wir als Linke immer kritisiert, da sie den Spielraum für nötige Zukunftsinvestitionen begrenzt”, kommentiert Verena Meiwald, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion, die Politik des Finanzministers.

Und sie erinnert daran, dass mit der SPD tatsächlich wieder so etwas wie Haushaltvernunft in die Regierung eingezogen ist.

“Im letzten Doppelhaushalt wurde in Sachsen erstmal weniger konservativ gerechnet. Trotzdem gehen wir davon aus, dass sich auch diesmal wieder die Einnahmen des Landes positiver gestalten werden, als veranschlagt”, sagt Meiwald. “Hinzu kommt, dass der Lerneffekt bei der Staatsregierung sehr lang dauert. Die Linke fordert bereits seit langem eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen sowie die Beseitigung der kalten Progression. Just in einem Wahljahr fällt dies auch unserem Finanzminister auf. Ein Schelm, wer da versteckte Wahlkampfhilfe für Herrn Schäuble sieht. Wir werden jedenfalls die Regierung an ihren Taten messen und hoffen, dass nach der Wahl die Forderungen nach Entlastung nicht wieder vergessen sind und sich der Finanzminister auch gegenüber der neuen Bundesregierung für dieses Vorhaben stark machen wird.”

Der kleine Koalitionspartner SPD denkt hingegen gar nicht an Steuersenkungen, denn das Geld wird dringend für Investitionen gebraucht. Es ist in der gesamten Bundesrepublik so wie in Sachsen: Die Kommunen werden kurzgehalten und stecken in einem gigantischen Investitionsstau fest (den Martin Schulz kürzlich erst mit 130 Milliarden Euro bezifferte). Was unter anderem dazu führt, dass Stadtverwaltungen ihre Fähigkeit verlieren, notwendige Zukunftsinvestitionen systematisch anzugehen.

„Die Steuerschätzung bestätigt die positiven Erwartungen bisheriger Prognosen“, sagt Dirk Panter, Vorsitzender und  finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag. “Mit Spannung sehe ich den Ergebnissen der regionalisierten Werte entgegen. Es ist zu erwarten, dass auch der Freistaat Sachsen erhebliche Mehreinnahmen erzielen wird. Unser Ziel als SPD-Fraktion bleibt: Wir möchten finanzielle Spielräume für Investitionen zum Wohle der Menschen nutzen. Und gleichzeitig werden wir solide Finanzen fest im Blick behalten. Die geschätzten Mehreinnahmen geben uns Rückenwind, weitere Zukunftsprojekte zu finanzieren.“

Da der Hauptteil der wahrscheinlichen Steuermehreinnahmen auf die Länder entfällt, bedeutet das für Sachsen rund 200 bis 300 Millionen Euro zusätzlich. Den genauen Wert muss das Finanzministerium noch berechnen. Und zu bedenken ist, dass der Arbeitskreis Steuerschätzung immer nur mit den globalen Daten arbeitet. Auf Landesebene kommen noch mehr Variablen hinzu wie die Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung vor Ort.

Geplant hat die Staatsregierung den Haushalt 2017 übrigens mit 18,4 Milliarden Euro, darunter 11,7 Milliarden Euro Steuereinnahmen.

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