Da rollt was auf unsere Gesellschaft zu. Eigentlich wissen es alle Verantwortlichen seit Jahren: Die Zahl der Hochaltrigen, die gepflegt werden müssen, nimmt zu, der Bedarf an Pflegekräften wächst. Und dieser Bedarf kann schon seit geraumer Zeit nicht gedeckt werden. Und der Staatsregierung fehlt augenscheinlich jegliche Strategie, kritisieren die Grünen.

Am Donnerstag, 3. Mai, haben die Grünen auf einer Pressekonferenz in Dresden das planlose Handeln der Staatsregierung bei der Pflegepolitik im Freistaat offengelegt.

„Das Ignorieren und Schönreden des Pflegenotstands in Sachsen durch Sozialministerin Barbara Klepsch und die Staatsregierung muss endlich ein Ende haben“, fordert Volkmar Zschocke, Vorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion. „Die Pflegenden in Sachsen erwarten mehr als unausgegorene Ankündigungen des Ministerpräsidenten, folgenlose Dialoge und symbolische Geldgeschenke an die Landkreise.

Meine Gespräche mit Verbänden, Fachkräften und Betroffenen haben mir gezeigt: Es gibt längst eine Vielzahl von Vorschlägen, wie Arbeitsbedingungen, Anerkennung und Interessenvertretung in der Pflege verbessert und neue Fachkräfte gewonnen werden können.“

Zahlen?

Manche kann man aus den monatlichen Berichten der Arbeitsagentur erraten, wo die Sozial-, Pflege- und Gesundheitsberufe schon seit Jahren unter den am häufigsten suchenden Arbeitgebern stehen. Eigentlich ist seit 2010 klar, dass Sachsen in praktisch allen Berufszweigen auf einen gravierenden Nachwuchsmangel zusteuert.

Aber die Regierung hat zwar viele hübsche Päckchen geschnürt, aber nicht wirklich gegengesteuert. Auch keine Bedarfe erfasst. Was ja jüngst erst wieder bei LehrerInnen und Kita-ErzieherInnen zum Thema wurde. Das regelt wohl aus Sicht der Götter mal wieder „der Markt“.

Aber „der Markt“ bäckt keine Kinder, bildet sie auch nicht aus. Und er wirbt auch keinen Nachwuchs.

Die Zahlen stammen jetzt aus einer Bundestagsanfrage.

„Sachsen hat laut Angaben der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/1550) neben Rheinland-Pfalz die größten Probleme, Stellen in der Pflege professionell wiederzubesetzen. 1.456 Altenpflegekräfte fehlen, auf 100 offene Stellen kommen nur 13 arbeitslose Pflegekräfte“, kritisiert Zschocke.

„Zudem geht die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege im Vergleich zum Jahr 2014 zurück – eine problematische Entwicklung. Die Folgen daraus zeigen sich bereits an der gestiegenen Zahl verhängter Aufnahmestopps sowie von Anordnungen der Heimaufsicht gegenüber den Pflegeeinrichtungen. Abgefangen wird dabei noch besonders viel von den pflegenden Angehörigen, die im Freistaat knapp die Hälfte der Pflegebedürftigen betreuen. Doch auch hier fehlt es an der wichtigen Unterstützung durch die Landespolitik“, kritisiert Zschocke.

Wobei auch die anderen Bundesländer mit 14 bis 35 „arbeitslosen“ Pflegekräften auf 100 freie Stellen nicht wirklich besser dastehen. Bundesweit wurde das Thema ausgesessen und ignoriert, wurde der Beruf auch sträflichst unterfinanziert, statt ihn aufzuwerten.

Der Gesundheitssprecher der Grünen hat am Donnerstag zudem einen Katalog mit Handlungsvorschlägen vorgestellt, der die alarmierende Entwicklung der vergangenen Jahre aufgreift.

„Unser Positionspapier nimmt die zentralen Themenbereiche Wohnen und Quartiersansatz, Angehörige, Beratung, Pflegekräfte und Nachwuchs, Qualität und die Hospiz- und Palliativversorgung auf. Wir stellen dabei den Grundsatz ‚Selbstbestimmt so lange wie möglich!‘ in den Mittelpunkt. Außerdem wollen wir weg vom partiellen Löcherstopfen. Wir möchten Platz schaffen für die Entwicklung von vernetzten Lösungen, die eine gute Pflege auf dem Land wie in der Stadt in der Zukunft ermöglichen“, geht Zschocke auf das ein, was die sächsische Staatsregierung tun könnte, wenn sie wirklich Lösungen für das zunehmende Problem in der Pflege finden wollte.

Zschocke: „Ministerpräsident Michael Kretschmer hat vor Monaten großartig sogenannte ‚Pflegebudgets‘ und ‚Regionaldialoge‘ als Lösung vorgestellt. Doch er redet über ungelegte Eier. Für die Pflegebudgets gibt es weder ein Konzept noch Kabinettsbeschlüsse. Und ziellose Dialogpolitik ist inzwischen Markenkern des neuen Ministerpräsidenten. Dringend notwendiges Handeln wird so bis über das Ende der Legislatur hinaus verschleppt. Es bleibt völlig unklar, wie die aktuelle Staatsregierung die akuten Probleme in der Pflege tatsächlich lösen will.“

Die Wirtschaft brummt und Fachkräftemangel ist jetzt das drängendste aller Probleme

Die Wirtschaft brummt und Fachkräftemangel ist jetzt das drängendste aller Probleme

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar