Alles, was digital passiert, lässt sich auch prima auslesen. Auch die Antwortbereitschaft von Bundestagsabgeordneten. Ob das freilich Grundlage für eine Notenvergabe zu den Sommerferien ist? Abgeordnetenwatch, das ja nun seit Jahren beharrlich versucht, die Arbeit der Abgeordneten etwas transparenter zu machen, hat es jetzt mal versucht. Auch für die sächsischen Bundestagsabgeordneten.

Das unabhängige Internetportal abgeordnetenwatch.de vergab Noten für das Antwortverhalten der Volksvertreterinnen und Volksvertreter. Sehr schematisch. Immerhin hat Sachsen 38 Abgeordnete im Bundestag. Einige sind wirklich faul im Beantworten von Fragen. Andere freilich haben seit Beginn der Legislatur im Herbst 2017 überhaupt noch keine Fragen bekommen. Was in vielen Fällen daran liegt, dass sie kaum ein Mensch kennt und auch keiner so recht weiß, was sie eigentlich machen im Bundestag.

So wie Jens Lehmann (CDU), den die Leipziger im letzten Jahr im Leipziger Norden in den Bundestag gewählt haben. Man hätte ihn als ehemaligen Radfahrer eher im Sportausschuss vermutet oder als Erzieher in einem Ausschuss, der sich mit Kindern, Jugend, Sozialem oder so beschäftigt. Aber er ist im Verteidigungsausschuss gelandet und versucht seit geraumer Weile, mit Meldungen aus diesem Ausschuss auf sich aufmerksam zu machen und für eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts zu werben.

Jens Lehmann. Foto: CDU/Jan Kopetzki
Jens Lehmann. Foto: CDU/Jan Kopetzki. Foto: CDU/Jan Kopetzki

Jens Lehmann: „Wenn wir nicht schleunigst eine wesentlich höhere Zahl von Soldatinnen und Soldaten in allen Einheiten ausbilden, werden wir Schiffe oder Flugzeuge bald nicht mehr mit den nötigen Besatzungen bestücken können. Diese andere Seite der Medaille wird oft vernachlässigt, wenn es um Einsatzfähigkeit und Beschaffung der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr geht. Deshalb braucht es mehr Geld, vor allem um die Ausbildung wettbewerbsfähiger zu machen und so junge Menschen für den Dienst in Streitkräften zu gewinnen.“

Dazu fällt uns erst einmal nichts ein.

Aber die Fragen auf Abgeordnetenwatch sollen ja die Wahlbürger stellen. Jens Lehmann hat bis jetzt noch keine bekommen und gehört damit zu den 14 sächsischen Abgeordneten, an die augenscheinlich niemand eine Frage hat. Sören Pellmann (Die Linke), der 2017 das Direktmandat im Süden geholt hat, hat auch noch keine Fragen bekommen. Aber das könnte auch an seinem Arbeitsgebiet in der Bundestagsfraktion liegen – er ist dort der behindertenpolitische Sprecher und kämpft zum Beispiel für bessere Gesetze für umfassende Barrierefreiheit. Ein scheinbar kleines, aber eigentlich großes Thema.

Das heißt: Es blieben nur 24 Abgeordnete, die überhaupt Fragen von den Bürgern bekamen.

Was Abgeordnetenwatch zu folgenden Wertungen brachte: Insgesamt erreichten die Abgeordneten aus Sachsen neunmal „sehr gut“, zweimal „gut“, einmal „befriedigend”, zweimal „mangelhaft“ und zehnmal „ungenügend“, die Durchschnittsnote liegt bei 3,6 („ausreichend”). Bei der letzten Durchführung 2016 – noch in der vorherigen Legislaturperiode – lag sie bei 2,3 („gut”).

„Die Bestnote erhielt unter anderem Katja Kipping von der Linkspartei. Die Dresdner Abgeordnete beantwortete alle 33 an sie gestellten Fragen, womit sie die am häufigsten befragte Bundestagsabgeordnete in Sachsen ist”, so Abgeordnetenwatch.

Ebenfalls dabei, als am 4. November über Bundes- und Landtagswahlen debattiert wurde: Bundesvorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping. Foto: L-IZ.de
Bundesvorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping. Foto: L-IZ.de

Dass Katja Kipping so viele Fragen bekam, liegt natürlich auch daran, dass sie eine der prominentesten Politikerinnen der Linksfraktion ist und mit Bernd Riexinger gemeinsam auch noch die Doppelspitze der Partei verkörpert. Wenn in der Linken heftig diskutiert wird, dann ist sie eigentlich immer involviert und kommt auch medial als Gegenposition zu Sahra Wagenknecht ins Bild.

Und dass sie Fragen schnell und professionell beantwortet, möchte da schon gelernt sein.

Insgesamt neun Abgeordnete aus allen im Parlament vertretenen Parteien erreichten eine glatte „1“, meint Abgeordnetenwatch noch. Schlusslichter in Sachsen sind Thomas de Maiziére (CDU) und die fraktionslose Frauke Petry. Der ehemalige Bundesinnenminister beantwortete keine der elf Bürgeranfragen, die ihn erreichten. Auch Petry reagierte bisher auf keine ihrer sechs Fragen. Insgesamt zehn Abgeordnete ließen alle an sie gestellten Fragen unbeantwortet – dies entspricht der Note „6“. Keine andere Note ist in Sachsen so häufig vertreten.

Thomas de Maiziére, den die Sachsen in Meißen wieder ins Parlament gewählt haben, ist, seit er den Posten des Innenministers nicht mehr innehat, komplett abgetaucht. Die Einschätzung zu de Maiziére und Petry kann man also irgendwie teilen. Irgendwie muss man ja Position beziehen als Abgeordneter.

Andere Abgeordnete hatten es leichter, weil sie nur ein, zwei, drei Fragen bekamen.

Es ist also auch eine sehr subjektive Angelegenheit, in der auch eine Rolle spielt, ob die Abgeordneten gerade an Themen arbeiten, die bundesweit für Aufregung oder Interesse sorgen. Oder ob sie so gut wie gar nicht kommunizieren, wobei man einfach nicht weiß, ob sie stattdessen einfach hinter den Kulissen arbeiten oder sich einen Lenz machen.

Seit Beginn der Legislaturperiode wurden den Abgeordneten aus Sachsen 120 Fragen auf abgeordnetenwatch.de gestellt, von denen sie 76 beantworteten. Die Antwortquote ist der objektivierbare, messbare Teil beim Online-Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wie kompetent und überzeugend die Abgeordneten dabei sind, darauf muss jede Leserin und jeder Leser eine eigene Antwort finden.

Wie hat Abgeordnetenwatch gewertet? – In die Noten sind alle Bürgerfragen auf abgeordnetenwatch.de seit der Wahl im September 2017 bis einschließlich 15. Juni 2018 eingeflossen. Bei den Antworten war der Stichtag der 28. Juni (12 Uhr mittags). Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass den Abgeordneten ausreichend Zeit für die Beantwortung aller Fragen blieb. Sogenannte Standardantworten, also Antworten, die sich inhaltlich nicht auf die Fragen beziehen, sondern z. B. auf andere Kommunikationskanäle verweisen, werden als keine Antwort gewertet.

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