Am 24. Mai debattierte der Sächsische Landtag auf Antrag der Grünen zur im Grunde desaströsen Lage des Artenschutzes in Sachsen. Der Titel der aktuellen Debatte war ziemlich lang: „Froschlöffel und Kratzdistel, Hochmoor-Gelbling und Wildkatze retten – die Warnung des Weltbiodiversitätsrates gilt auch für Sachsen“. Auch der eigentlich zuständige Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) sprach zur Debatte. Aber seine Sonntagsrede kam beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Sachsen ganz schlecht an.

Nicht nur schmückte sich Schmidt mit den Federn längst vergangener Regierungen, die in den 1990er Jahren tatsächlich damit zu tun hatten, die schlimmsten Umweltschäden der DDR zu beseitigen. So sagte er zum Beispiel: „Wir nehmen die Warnungen keineswegs erst seit dem Bericht des Weltbiodiversitätsrates ernst. In den letzten Jahren sind in Sachsen erste Erfolge einer langfristigen Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt sichtbar. Die Gewässergüte hat sich seit den 1990er Jahren erheblich verbessert.“

Aber wer nun – im Jahr 2019 – ausgerechnet die DDR als Maßstab nimmt, der hat es wirklich nicht verstanden, was gerade weltweit in der Tier- und Pflanzenwelt passiert. Ganz zu schweigen davon, dass gerade viele Tier- und Pflanzenarten in Sachsen bis 1990 sogar noch ganz gut über die Runden kamen – vom Feldhasen bis zum Hamster und der Feldlerche.

Viele gerieten erst auf die Rote Liste, als die Landwirtschaft mit neuer Technik und neuen Insektiziden noch „schlagkräftiger“ wurde und selbst die Rückzugsräume, die Tiere und Insekten noch bis 1990 vorfanden, niedergepflügt wurden.

Der BUND jedenfalls bescheinigt beim Thema Klimawandel und Artensterben der sächsischen Landesregierung weiterhin eine rosarote Brille. Und damit war nicht nur Schmidt gemeint, sondern auch sein Chef, Ministerpräsident Michael Kretschmer (ebenfalls CDU), der das Wahldebakel der sächsischen CDU bei den EU- und Kommunalwahlen am 26. Mai laut „Sächsischer Zeitung“ mit der Worten kleinredete: „Heute treiben die Menschen andere Themen gerade stärker um: Grenzkriminalität, Migration, auch das Urheberrecht.“

„Es kann nicht angehen, dass sich der Minister für Umwelt und Landwirtschaft wie am vergangenen Freitag vor das Parlament stellt und die sächsische Umweltpolitik in den schillerndsten Farben lobt, während die Realität weitaus dramatischer aussieht“, sagt Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. „Es ist an der Zeit, die Fakten zu benennen und endlich nachhaltig zu handeln, anstatt immer nur in homöopathischen Dosen.“

Fakt ist auch: Nur drei Prozent der sächsischen Fließgewässer befinden sich laut europäischer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einem guten Zustand und nicht einmal 50 Prozent der Stillgewässer. Es kommt demnach nicht nur auf die Güte an, sondern auch auf Kriterien wie Artenreichtum oder Gewässerstruktur, betont der BUND.

„Dass die Gewässer keine Schaumkronen mehr tragen, ist weniger Verdienst des SMUL, sondern Ergebnis der weggefallenen DDR-Industrie“, sagt Felix Ekardt.

Und noch eine Aussage des Landwirtschaftsministers findet Ekardt völlig abwegig: „Dem Bergbau folgen heute keine Mondlandschaften mehr, sondern neue, nicht nur für Menschen attraktive Gewässer.“

Tatsächlich sind viele der Gewässer weiterhin aufgrund ihrer Übersäuerung nicht zu nutzen. Und sie sind nicht nur übersäuert, sie tragen oft auch ganze Lasten ausgeschwemmter Oxide mit sich – nicht nur die Spree in Brandenburg, auch die Pleiße im Leipziger Südraum zum Beispiel. Die Hintergründe dazu finden sich unter anderem im Kohleatlas des BUND Sachsen, einer Publikation, in der der BUND seit ein paar Jahren alle „Abbaugebiete, Umweltsünden und deren Beseitigung, Ewigkeitslasten und -kosten“ in Sachsen auflistet.

Denn die Sanierung der heute durch Kohlebergbau entstehenden Mondlandschaften hat ja noch nicht einmal begonnen. Und das Geld zur Sanierung ist noch nicht einmal gesichert.

„Wer sich, wie die sächsische Landesregierung, heute nicht deutlich gegen den Braunkohleabbau stellt, produziert weiter Mondlandschaften, für deren spätere Nutzung und Umwandlung die Gesellschaft aufkommen muss“, sagt Felix Ekardt.

Als Landwirtschaftsminister Schmidt dann auch noch die Erfolge beim Schutz einzelner Arten wie Biber oder Fischotter würdigte, gab es ein Lob mit Einschränkung vom BUND.

„Diese sind durchaus zu würdigen“, sagt Felix Ekardt. „Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt die Artenvielfalt in Sachsen zurückgeht. Zudem scheint Artenschutz für die sächsische CDU auch immer eine Frage des Wahlkampfes zu sein.“ Erst wenige Tage vor der Debatte erklärte nämlich der Umweltminister in der „Sächsischen Zeitung“ in Bezug auf den noch immer streng geschützten Wolf: „Wenn es notwendig ist, dann muss es auch möglich sein, einzelne Wölfe aus der Natur zu entnehmen, ohne dass diese bereits Nutztiere gerissen haben oder gefährlich für den Menschen geworden sind.“

Dazu Felix Ekardt: „Artensterben und Klimawandel sind keine Wohlfühlthemen, sondern sehr real und bedrohen auch uns Menschen. Es ist an der Zeit, dass die Verantwortlichen in Sachsens Regierung das stärker als bislang anerkennen und danach handeln.“

Umweltministerium gesteht vorsichtig das Fehlen einer sächsischen Artenschutzpolitik ein

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