Als am Donnerstag, 3. Oktober, andernorts die Sektkorken knallten und der 29. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert wurde, trafen sich CDU, Grüne und SPD in Dresden zu ihrem letzten Sondierungsgespräch, um auszuloten, auf welcher Basis eine gemeinsame Regierungsbildung in Sachsen möglich wäre. Die Statements der Verhandlungsführer nach dem Gespräch täuschten darüber hinweg, wie groß die Differenzen noch immer sind.

Es werden, wenn man das 14-seitige Papier zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche liest, sehr harte Koalitionsverhandlungen. Was weniger an Grünen und SPD liegt, die sogar noch recht zahm in die Gespräche gegangen sind, sondern an einer CDU, die sich schwertut, aus jahrelang eingeübten Denkhaltungen herauszukommen.

Das wird selbst bei Michael Kretschmer, dem CDU-Ministerpräsidenten, deutlich, wenn er sagt: „Eine wichtige Vereinbarung ist die Erklärung, dass der ‚Kohlekompromiss‘ mit dem Ausstieg bis 2038 gilt. Das schafft Sicherheit und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strukturentwicklung. Auch in den kommenden Jahren wird Sachsen jährlich 700 neue Polizisten einstellen. Die wirtschaftliche Dynamik des Freistaates entscheidet über die Lebensqualität und den Gestaltungsraum für die Landespolitik. Deshalb ist das gemeinsame Verständnis von einem starken Industrie- und Innovationslandes wichtig. Sachsen soll einen Spitzenplatz bei Mittelstands- und Gründerfreundlichkeit einnehmen. Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung für Sachsen bilden. Mich leitet der Ruf von 1989: Für ein offenes Land mit freien Menschen. Diesen Geist trägt das vorliegende Sondierungsergebnis.“

Denn unüberhörbar betont er etwas, was auch über das „offene Land“ dominiert: das Primat der Wirtschaft, hier als „wirtschaftliche Dynamik des Freistaates“ verklausuliert.

Und gilt wirklich das Ausstiegsdatum 2038 aus dem „Kohlekompromiss“?

Das Papier formuliert es so: „Im Rahmen des Braunkohlekompromisses sichern wir die Rahmenbedingungen für den Strukturwandel, beachten die Versorgungssicherheit sowie die Interessen der Beschäftigten und Unternehmen und vermeiden Risiken für den Freistaat. Der Kohlekompromiss gilt. Für den Tagebau in der Lausitz sind sich die Parteien einig, dass keine Flächen in Anspruch genommen werden oder abgesiedelt werden, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden. Die Parteien möchten den Ort Pödelwitz erhalten und die Inanspruchnahme der Ortslage vermeiden. Es wird deshalb in Gesprächen mit den Bergbauunternehmen nach einem rechtssicheren Weg gesucht, der dies ermöglicht und zugleich den Betrieb im Kraftwerk Lippendorf im Rahmen des Kohlekompromisses sicherstellt.“

Da hört man zwar, dass Pödelwitz und möglicherweise auch Mühlrose gerettet werden könnten. Aber man liest auch, wie sehr sich Sachsen mit seiner Kohlepolitik in direkte Abhängigkeit der Kohlekonzerne gebracht hat. Wir werden jetzt eine ganze Reihe von Jahren erleben, in denen die Kohlekonzerne mit der Bundes- und der Landesregierung pokern werden, wie teuer der frühere Kohleausstieg werden wird. Denn maximal nur eins der beiden sächsischen Kohlebergbaugebiete wird bis 2038 in Betrieb bleiben können, wenn die Bundesregierung auch nur zaghaft die CO2-Belastung senken will. Selbst die Betriebsgenehmigungen der Kraftwerksblöcke laufen in den nächsten Jahren eine nach der anderen aus. Und der Ausstieg Leipzigs aus der Fernwärmeversorgung aus Lippendorf wird die komplette Rentabilität des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain infrage stellen.

Und es ist nicht ersichtlich, dass die Grünen mit einem so vagen „Kohleplan“ die Zustimmung ihrer Mitglieder bekommen werden, damit in Koalitionsverhandlungen zu gehen.

Und ähnlich ist es auch bei anderen Punkten.

Katja Meier, Verhandlungsführerin aufseiten der Grünen, erklärt: „Bei den Zielen für Sachsen sind wir uns mit den Verhandlungspartnern schon in vielem einig, auch wenn in den möglichen Koalitionsverhandlungen sicherlich noch ein weiter Weg vor uns liegen wird. Das zwischen CDU, uns Grünen und der SPD vereinbarte Sondierungspapier eröffnet aus unserer Sicht die Möglichkeit für eine positive Entwicklung des Freistaats in den nächsten fünf Jahren.“

Zumindest leise Zweifel deutet Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünenfraktion, an: „Wir sind froh, in den Bereichen Energie und Klima, Landwirtschaft, Natur- und Artenschutz, Demokratie, Gleichstellung, Bildung und Wohnen bereits in den Sondierungen gemeinsame Ziele für Sachsens Zukunft vereinbart zu haben. Wir stehen für das ökologische Bewusstsein, für neue Impulse und den Mut zur Veränderung. Wir, Bündnis 90/Die Grünen, wollen 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution die Chancen nutzen, die diese für Sachsen neue Konstellation aus CDU, uns Grünen und der SPD bietet. Final entscheidet am 12. Oktober unser Landesparteitag – die Landesdelegiertenkonferenz – darüber, ob diese Sondierungsergebnisse eine ausreichende Grundlage sind, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.“

Tatsächlich aber sind dutzende elementarer Weichenstellungen in den Sondierungsgesprächen offengeblieben, Punkte, an denen überdeutlich wird, dass die sächsische CDU an alten Monopolen und Standpunkten festhalten will, ganz ähnlich wie 2014 in den Verhandlungen mit der SPD, der es gar nichts genutzt hat, dass ihre Forderungen auch in den Koalitionsvertrag kamen. Am Ende wurden etliche davon von veränderungsunwilligen Ministern dann doch nicht umgesetzt. Man denke nur an das SPD-Thema „Längeres gemeinsames Lernen“.

Um aus dieser Regierung eine Regierung zu machen, die wirklich einen spürbaren Politikwechsel hinbekommt, muss die CDU noch deutlich mehr Zugeständnisse machen.

Martin Dulig, Verhandlungsteilnehmer für die SPD Sachsen, gibt sich trotz erlebter fünf Jahre zähen Mitregierens zuversichtlich: „Wir wollen eine Politik, die mutig die Zukunft gestaltet, die Chancen nutzt und die Gerechtigkeit schafft. Die SPD Sachsen steht deshalb für bessere Löhne und höhere Tarifbindung, für beste Bildung und längeres gemeinsames Lernen, für mehr öffentlichen Nahverkehr und moderne Mobilität. Zentrale sozialdemokratische Schwerpunkte sind als Zielsetzungen in das Sondierungsergebnis aufgenommen. Uns eint der Wille, Sachsen zu gestalten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Ein neuer Stil in der sächsischen Politik, einer Politik mit Zuversicht und Gerechtigkeit, ist möglich, das haben die Gespräche gezeigt. Deshalb ist das Sondierungsergebnis eine tragfähige Basis für Koalitionsverhandlungen.“

Aber auch für die SPD gilt: Wenn es ihr nicht glückt, noch deutlich stärker in der Politikgestaltung sichtbar zu werden, hat sie 2024 noch viel größere Probleme, die Wähler von sich zu überzeugen.

Das Abschlusspapier der Sondierungsgespräche.

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„Im Rahmen des Braunkohlekompromisses sichern wir die Rahmenbedingungen für den Strukturwandel, beachten die Versorgungssicherheit sowie die Interessen der Beschäftigten und Unternehmen und vermeiden Risiken für den Freistaat. Der Kohlekompromiss gilt.”

Die Notwendigkeit der “Versorgungssicherheit” für die Einwohner Sachsens, versteht wohl jeder.

Aber davon abgetrennt, die “Risiken für den Freistaat”?

Welche und vor allem wessen Risiken genau,
gibt es in den Verhandlungen klare Ansagen zu Rücklagen für ‘Schadensbeseitigung’ etc.?

Sind vielleicht ‘Beamten-Pensionen’ an das Fortbestehen des Kohleabbaus gebunden,
kann man ja drüber reden,
muss man dann aber auch..
Vor allem offen kommunizieren, wenn man sich da auf irgendwelche risikoreichen Varianten für den Freistaat eingelassen hat.
Auch um diese beenden zu können.

Im Zweifelsfalle auf Nötigung plädieren..
Gemeinwohl sollte über allem stehen.

Egal. Nicht.
Hauptsache von Anfang an ehrlich sein.
Raus kommt’s sowieso, besser vor der nächsten Wahl.

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