Die Zeit vergeht schnell und der Frühling naht (auch wenn das Wetter noch nicht so darauf hindeutet), aber wir erinnern uns: Nachdem es im Laufe des Jahreswechsels 2022/23 zu Angriffen auf Einsatzkräfte und schweren Verletzungen bei privaten Feiern gekommen war – nahe Leipzig starb sogar ein Jugendlicher –, forderten unter anderem Polizeigewerkschaften ein Verbot privater Silvesterfeuerwerke.

Auch der Sächsische Landesverband der Gewerkschaft der Polizei sprach sich für zentral organisierte Feuerwerke aus. Er begründete das nicht nur mit Gewalt und Verletzungen, sondern auch mit einer Gesellschaft, für die Gesundheits- und Umweltschutz eine immer wichtigere Rolle spiele. Die Leipziger Zeitung (LZ) hat Landespolitiker/-innen und wichtige Leipziger Institutionen gefragt, was sie von einem Verbot halten.

Ronny Wähner, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Ein generelles Verbot von Böllern lehne ich ab. Als CDU setzen wir auf die Vernunft der Menschen und ihre Eigenverantwortung. Es ist nicht unser Verständnis von Politik, generelle Verbote zu fordern, nur weil sich einige wenige nicht an Regeln halten.

Das Angreifen von Rettungskräften oder Polizisten verurteilen wir in diesem Zusammenhang aufs Schärfste. Zudem vertrauen wir auf die kommunale Selbstverwaltung. Kommunen können eigenverantwortlich Verbotszonen einrichten; dazu braucht es kein generelles Verbot.“

Torsten Kolbe, stellvertretender Vorsitzender des Leipziger Feuerwehrverbands: „Ein generelles Feuerwerkverbot würde über das Ziel hinausschießen. Damit bestraft man auch die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger, die verantwortungsvoll mit Böllern und Raketen umgehen. Zu begrüßen wäre allerdings, konkrete Verbotszonen im öffentlichen Bereich festzulegen, vor allem dort, wo es große Menschenansammlungen gibt.

Die Problematik des fehlenden Respekts gegenüber Einsatzkräften der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und der Polizei, vor allem aber die Angriffe gegen die Helfer, wird mit einem Böllerverbot ohnehin nicht gelöst. Die Thematik ist das ganze Jahr präsent, da sind die Vorkommnisse zum Jahreswechsel nur der wahrgenommene Höhepunkt.“

Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag: „Ich halte privates Feuerwerk für verzichtbar. Ich kaufe keines und erkenne an, dass es gute Argumente für ein Verbot gibt. Ein solches Verbot wäre aber nur sinnvoll, wenn es durchsetzbar wäre. Wer soll das kontrollieren? Selbst ein Verkaufsverbot würde nur dazu führen, dass die daran interessierten Menschen eben im Ausland einkaufen.

Solange es keine europäische Regelung und in der Folge Kontrolldruck gegen die Hersteller-Strukturen gibt, bleibt die Sache schwierig. Wenn die zentralen Feuerwerksveranstaltungen attraktiver werden würden, käme das zumindest den vielen Menschen entgegen, für die ein schön anzusehendes Feuerwerk einfach zu Silvester gehört. Dann wäre zumindest die individuelle Verletzungsgefahr geringer.“

André Gries, ärztlicher Leiter der Zentralen Notfallaufnahme des Universitätsklinikums Leipzig: „Es ist eine gesellschaftliche Frage. Vor dem Hintergrund der Kosten und der aktuellen Klimadebatte können wir meines Erachtens gut auf Feuerwerk verzichten. Ausschreitungen und Gewaltexzesse wie zum Beispiel in Berlin braucht eine Gesellschaft nicht.

Aus notfallmedizinischer Sicht brauchen wir zu Zeiten mit sowieso regelmäßig hohem Aufkommen an Notfallpatienten nicht noch zusätzliche. Dass die Versorgung aller Notfallpatienten gefährdet sein könnte, sehe ich aktuell aber nicht. Das Patientenaufkommen wird zahlenmäßig durch Feuerwerkunfälle mit, aber nicht maßgeblich beeinflusst.“

Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Auch wenn ich persönlich, insbesondere aus Umweltschutzgründen, für eine starke Beschränkung von Böllern bin, wäre ein pauschales Komplettverbot von den Ordnungsbehörden kaum durchsetzbar.

Wenn wir über Einschränkungen sprechen, müssen wir auch über alternative Angebote der Silvestergestaltung nachdenken. Ein solches Angebot könnten öffentlich organisierte und professionell durchgeführte Feuerwerke sein. Ein Verbot von Feuerwerkskörpern kann die Gewalt nicht verhindern, denn die Ursachen und Entstehungszusammenhänge bei diesem Kriminalitätsphänomen sind vielfältig und müssen genau untersucht werden. Erst dann werden wir über wirksame Präventionsmaßnahmen reden können.“

Zudem haben wir die Leipziger Tourismus und Marketing GmbH gefragt, welche Rolle die Silvesternacht für die Attraktivität der Stadt spielt. Die Antwort von Andreas Schmidt, dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit:

„Silvester in Leipzig ist ein wichtiger Reiseanlass und die Hotels sind gut gebucht. Ob kleine Clubs oder größere Kultureinrichtungen – Leipzig bietet zu Silvester viele attraktive Veranstaltungen, die zum Feiern einladen. Dass es in jeder Stadt – auch in Leipzig – ein mehr oder weniger attraktives Feuerwerk gibt, setzen die Gäste voraus. Das ist nach meiner Information kein ausschlaggebender Grund, um Silvester nach Leipzig zu reisen und hier zu übernachten.

Zum Millenniumswechsel 2000 gab es auf dem Augustusplatz mit ‚Götterfunken‘ tatsächlich eine großartige Kunst-Feuer-Licht-Performance, die ein Grund dafür war, dass viele zusätzliche Touristen nach Leipzig kamen. Da die Hotels und Restaurants aber Silvester ohnehin gut gebucht sind und viele eigene Feiern inklusive Feuerwerk veranstalten, würde sich ein solch aufwendiger und kostspieliger Kraftakt nicht lohnen, außer es gibt dazu einen besonderen Anlass oder ein wichtiges Jubiläum.“

„Was Feuerwehr, Notaufnahme und Politiker/-innen von den Forderungen halten“ erschien erstmals am 24. Februar 2023 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 110 der LZ finden Sie unter anderem in Großmärkten und Presseshops sowie bei diesen Szenehändlern.

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