"Wir haben heute zum Tore Schießen eingeladen", stellte Lok-Trainer Jürgen Brauße nach dem Debakel gegen den Meisterschaftsanwärter VfL Wolfsburg enttäuscht fest. Ganze sechs Minuten schwebten seine Leipzigerinnen nach überraschender 1:0-Führung im siebenten Himmel - dann brach die Fußballhölle über sie herein.

Weißes Trikot, weiße Hose, weiße Stutzen – so stand Alisa Vetterlein, die Torhüterin des VfL Wolfsburg, im Bruno-Plache-Stadion zwischen den Pfosten. Gerade für Torleute eine gewagte Farbenwahl, denn nach den Spielen braucht man da gewiss ein besonders gutes Waschmittel. Am Sonntag aber nicht. Als Vetterlein nach dem Abpfiff das Spielfeld verließ, war ihre weiße Weste noch genauso blütenrein wie zuvor. Nur ein Detail, doch das lässt den Ausgang der Partie in etwa erahnen.
Dabei machte Vetterlein schon nach nicht einmal zwei Minuten Bekanntschaft mit der Probstheidaer Scholle. Angelina Lübcke hatte bei einem 25-Meter-Freistoß die Drei-Frau-Mauer der Wolfsburger gefühlvoll überzirkelt – der Ball klatschte an die Querlatte, sprang zurück, traf Vetterlein am Rücken, von wo aus er im Tor landete. 1:0 für den 1.FC Lok Leipzig! Eine Führung zu Hause – das hatte es in dieser Saison überhaupt noch nicht gegeben. “Das gibt’s doch nicht!”, hat der ein oder andere Lok-Fan da vielleicht schmunzelnd gedacht. “Das gibt’s doch nicht!”, haben mit Sicherheit alle Lok-Fans nur 13 Minuten später gedacht. Diesmal allerdings ohne Schmunzeln. Entsetzt hatten sie mit ansehen müssen, wie aus der hoffnungsfroh stimmenden Führung innerhalb kürzester Zeit ein katastrophenschwangeres 1:4 (15.) geworden war.
“Vielleicht war das 1:0 für manche noch nicht zu verdauen”, mutmaßte Coach Brauße, “die Ordnung stimmte überhaupt nicht mehr”. Seiner Abwehr attestierte er das Prädikat “Hühnerhaufen”, es sei eine “Katastrophe gewesen, wie sich dort bewegt wurde”. Die Fehlerquote sei einfach zu hoch gewesen, bemängelte Brauße. “Von der 8. bis zur 15. Minute vier Tore zu kriegen, ist sehr krass”. Und als wären vier “Kisten” binnen 420 Sekunden nicht schon deprimierend genug, lancierte – quasi mit dem Halbzeitpfiff – Katharina Freitag die Kugel bei einem verunglückten Versuch eines Befreiungsschlages auch noch in die eigenen Maschen. 1:5 zur Pause – und am Spielfeldrand machte sich schon immer mal die Frage breit, wie die einstellige Anzeigetafel im Bruno-Plache-Stadion wohl die Herausforderung eines zweistelligen Resultats lösen würde.
Zwischen Minute 57 und Minute 74 liegt ein Zeitfenster von 17 Minuten. Dieses rissen die Wolfsburger sperrangelweit auf und trafen erneut viermal. Sogar ein weiterer Leipziger Treffer passte in diesen torreichen Zeitabschnitt noch mit hinein. Die eingewechselte Marie-Luise Herrmann hielt aus gut 20 Metern drauf und zwang Vetterlein eines der ganz wenigen Male, eventuell doch einen Schmutzstreifen auf dem weißen Dress zu riskieren. 2:9 hieß es zum Schluss. “Die Ordnung stimmte nicht, das Zweikampfverhalten war nicht aggressiv genug, das gemeinsame Agieren und Kommunizieren der Mannschaft fehlte.”, stellte Coach Brauße die Mängelliste der zweiten Halbzeit zusammen. “Ich hätte mir heute auch einen anderen Tag gewünscht”, sagte Brauße mit einer Brise Galgenhumor, “aber so ist Fußball”.
1. FC Lok Leipzig: Carolin-Sophie Härling, Kathleen Kelly, Christin Janitzki (80. Karoline Aulrich), Jenista Clark, Anna Green, Katharina Freitag, Anne Heller, Lysann Schneider, Erika Szuh, Angelina Lübcke (63. Marie-Luise Herrmann), Marlene Ebermann (63. Lisa Reichenbach). Trainer: Jürgen Brauße.
VfL Wolfsburg: Alisa Vetterlein, Stephanie Bunte, Josephine Henning, Rebecca Smith, Verena Faißt, Maren Tetzlaff (46. Martina Müller), Lena Goeßling (77. Ivonne Hartmann), Nadine Keßler, Zsanett Jakabfi, Anna Blässe (70. Martina Moser), Conny Pohlers. Trainer: Ralf Kellermann.

Torfolge: 1:0 Lübcke (2.), 1:1 Goeßling (8.), 1:2 Pohlers (9.), 1:3 Jakabfi (12.), 1:4 Pohlers (15.), 1:5 Freitag (45. Eigentor), 1:6 Jakabfi (57.), 1:7 Pohlers (60.), 1:8 Pohlers (66.), 2:8 M. Herrmann (69.), 2:9 M. Müller (74.). Zuschauer: 467 im Bruno-Plache Stadion, Leipzig, Schiedsrichter: Ines Appelmann (Alzey), Gelbe Karten: keine.
Turbine Potsdam – FF USV Jena 3:1 (1:1)
1. FFC Frankfurt – Bayer 04 Leverkusen 4:1 (3:1)
FCR 2001 Duisburg – Essen-Schönebeck 4:0 (2:0)
Hamburger SV – SC Freiburg 1:1 (1:1)
1. FC Lok Leipzig – VfL Wolfsburg 2:9 (1:5)
FC Bayern München – SC 07 Bad Neuenahr 0:0 (0:0)(…)
8.) SC 07 Bad Neuenahr 17 Spiele/ 19 Punkte/ -1 Tore
9.) Hamburger SV 17/ 18/ -8
10.) FF USV Jena 17/ 15/ -27
11.) 1.FC Lok Leipzig 17/ 9/ -47
12.) Bayer 04 Leverkusen 17/ 8/ -30

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