Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es zahlreiche Versuche, die nur im Originaltextdruck überlieferte Markus-Passion Johann Sebastian Bachs zu rekonstruieren. Dies gelang in Kenntnis nachweislicher Parodiebeziehungen zu zwei seiner älteren Werke jedoch nur teilweise. Für die Ergänzung des von Bach neu komponierten und daher nicht rekonstruierbaren Passionsberichtes gab es seitdem unterschiedliche Lösungsansätze, mitunter in Form von nachahmenden Vertonungen im barocken Stil.

Einen anderen Weg wählte Volker Bräutigam, indem er den Passionsbericht – also die Evangelisten-Rezitative, die Christus-Worte und die Turba-Chöre – völlig neu, aber nicht in barocker, sondern in zeitgenössischer Tonsprache in Musik setzte. Damit verdeutlicht er dem Hörer, dass dieser zentrale Bestandteil der Passion nicht in seiner Originalgestalt wieder herstellbar ist, sondern auf andere Weise (also mit anderen kompositorischen Mitteln) ergänzt wird.

Bräutigams Komposition vom Jahre 1981 erfolgte auf der Grundlage einer Zwölftonreihe. Um die beiden stilistischen Ebenen (Bach & Bräutigam) nicht zu vermischen, wird bei den Aufführungen in der Regel eine strikte räumliche Trennung der Ausführenden vorgenommen: Die rekonstruierten Bach-Sätze werden von einem Barockensemble im Altarraum der Kirche aufgeführt; der neu vertonte Passionsbericht erklingt jedoch auf der Orgelempore und wird von einem zweiten Ensemble mit dem Instrumentarium des 20./21. Jahrhunderts realisiert.

So auch im Konzert des Leipziger Vocalensembles unter der Leitung von Sebastian Reim am 18. März, 20.00 Uhr, in der Thomaskirche. Es ist dem Andenken des vor einem Jahr verstorbenen Leipziger Komponisten Volker Bräutigam gewidmet.

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