Immer mehr Menschen verlassen sich auf kostenlose VPN-Dienste, um sich im Netz sicherer zu fühlen. Doch eine aktuelle Untersuchung legt nahe, dass viele dieser Apps genau das Gegenteil bewirken. Statt Privatsphäre zu schützen, öffnen sie teils gravierende Sicherheitslücken – und das in einem Ausmaß, das selbst erfahrene IT-Fachleute überrascht hat.
Eine umfassende Analyse von Zimperium zLabs hat 800 VPN-Apps für Android und iOS untersucht. Das Ergebnis: Ein Großteil dieser Tools hält nicht, was er verspricht. Viele nutzen veraltete Technologien, umgehen Datenschutzrichtlinien oder greifen tiefer ins System ein, als es nötig oder erlaubt wäre.
Sicherheitsversprechen mit Rissen
Die Forscher fanden gleich mehrere Punkte, bei denen kostenlose VPNs durchfielen. Alte Bibliotheken, unsichere Verschlüsselung, unklare Datennutzung – das Bild ist ernüchternd. Einige der getesteten Anwendungen verwenden sogar noch fehleranfällige Versionen von OpenSSL, darunter Varianten, die weiterhin anfällig für die berüchtigte Heartbleed-Sicherheitslücke sind.
Rund 1 % der untersuchten VPNs ließen sich für Man-in-the-Middle-Angriffe missbrauchen. Das bedeutet, Angreifer könnten Datenpakete abfangen und entschlüsseln – also genau das Gegenteil dessen, was ein VPN eigentlich verhindern sollte.
Auf iOS versäumten etwa 25 % der getesteten Apps, eine gültige Privacy Manifest-Datei einzureichen – ein Pflichtbestandteil, um den Datenschutzrichtlinien von Apple zu entsprechen. Und viele dieser Programme verlangen fragwürdige Berechtigungen: Zugriff auf Mikrofon, Standort oder Systemprotokolle.
In anderen Worten: Einige kostenlose VPNs benehmen sich mehr wie Spione als wie Schutzschilde.
| Gefundene Schwachstelle | Anteil der betroffenen Apps | Risiko für Nutzer |
|---|---|---|
| Veraltete OpenSSL-Versionen | ca. 12 % | Möglichkeit für Heartbleed-Angriffe |
| Fehlender Privacy Manifest (iOS) | ca. 25 % | Verletzung der Datenschutzrichtlinien |
| Übermäßige Berechtigungen | rund 30 % | Zugriff auf sensible Gerätefunktionen |
| Anfälligkeit für MitM-Angriffe | ca. 1 % | Abfangen und Lesen des Datenverkehrs |
| Nutzung privater Entitlements (iOS) | über 6 % | Tiefgehender Zugriff auf Betriebssystem |
Unternehmen im Risiko
Besonders brisant wird das Ganze, wenn man an Unternehmen mit BYOD-Politik („Bring Your Own Device“) denkt. Mitarbeitende nutzen ihre privaten Smartphones oder Laptops, um auf Unternehmensdaten zuzugreifen. Wenn auf diesen Geräten eine unsichere VPN-App läuft, wird das zum Einfallstor für Angriffe.
David Matalon, CEO des Sicherheitsunternehmens Venn, bringt es auf den Punkt:
„Der klassische Sicherheitsperimeter ist verschwunden. Heute muss man nicht mehr nur Geräte absichern, sondern vor allem die Arbeitsumgebung selbst.“
Mit der Zunahme von Remote Work und hybriden Modellen verschwimmen die Grenzen zwischen privater und beruflicher Nutzung. Selbst Apps mit Millionen Downloads können laut der Studie Schwachstellen enthalten, die es Angreifern ermöglichen, Daten zu stehlen oder Netzwerke zu kompromittieren.
Das trügerische Gefühl der Sicherheit
Viele Menschen laden kostenlose VPNs herunter, weil sie glauben, damit ihre Online-Privatsphäre zu schützen. Das Problem: Diese Apps sind selten überprüft, oft schlecht gepflegt und gelegentlich von dubiosen Entwicklern veröffentlicht.
Laut den Forschern fehlt es den meisten kostenlosen Angeboten an regelmäßigen Audits. Das führt zu schwacher Verschlüsselung, unklarer Datenverarbeitung und potenziell zu Datenverlusten – nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen, die diese Geräte ins Firmennetz lassen.
iOS und die Illusion der Kontrolle
Auch im Apple-Ökosystem, das sonst als besonders sicher gilt, sieht es nicht viel besser aus. Mehr als 6 % der getesteten iOS-VPNs forderten private Entitlements an – spezielle Berechtigungen, die eigentlich nur Apple-internen Apps vorbehalten sind.
Unklar bleibt, ob diese Anfragen tatsächlich genehmigt wurden, doch allein der Versuch deutet auf mangelndes Sicherheitsbewusstsein hin.
Brandon Tarbet von Menlo Security kommentiert:
„Transparenz und Kontrolle am Endgerät sind nur die Basis. Künftig zählt die Absicherung auf Ebene der Webinhalte selbst.“
Das heißt: Selbst wenn ein Gerät geschützt wirkt, können unsichere Apps Daten im Hintergrund abgreifen – oder sie über fehlerhafte Bibliotheken an Dritte weiterleiten.
Alte Technologien, neue Angriffe
James Maude, Field CTO bei BeyondTrust, betont, dass VPN-Technologien schon lange ein zweischneidiges Schwert sind. Sie schaffen zwar geschützte Tunnel, können aber auch zur zentralen Schwachstelle werden, wenn Zugangsdaten kompromittiert sind.
Gerade im Zeitalter von Zero Trust – einem Sicherheitsmodell, bei dem kein Gerät oder Nutzer per se als vertrauenswürdig gilt – werden VPNs zunehmend kritisch gesehen.
Ein weiterer Experte, Vishrut Iyengar von Black Duck, verweist auf den generellen Zustand mobiler Anwendungen:
„Viele Enterprise-Apps verzichten immer noch auf Basisschutzmaßnahmen wie Code-Verschleierung oder sichere Datenspeicherung. Das ist brandgefährlich.“
Kurz gesagt: Ein kostenloses VPN mag verlockend wirken, aber es kann schnell zum trojanischen Pferd werden – insbesondere dann, wenn veraltete Frameworks oder Bibliotheken im Spiel sind.
Warum so viele VPNs scheitern
Die Ursachen liegen oft in einer Mischung aus Kostendruck, mangelnder Fachkenntnis und fehlender Regulierung. Viele Entwickler kopieren bestehende Open-Source-Komponenten, ohne deren Sicherheitsstatus zu prüfen. Updates bleiben aus, während sich neue Schwachstellen anhäufen.
Manche Apps werden zudem mit aggressiver Werbung oder Tracking-SDKs ausgeliefert. Das bedeutet: Statt dich zu schützen, verdient die App an deinen Daten – Ironie pur für ein Tool, das Anonymität verspricht.
Ein weiterer Punkt: Viele kostenlose VPNs verschleiern ihren tatsächlichen Betreiber. Die Impressumsangaben sind unvollständig oder gar falsch. Das macht es für Nutzer nahezu unmöglich, im Ernstfall rechtlich vorzugehen.
Die Illusion des „kostenlosen Schutzes“
Sicherheit im Netz ist nie wirklich gratis. Wenn du kein Geld bezahlst, bist du höchstwahrscheinlich selbst das Produkt.
Einige der untersuchten Apps leiten den Datenverkehr sogar über Drittnetzwerke, die in Ländern mit schwachen Datenschutzgesetzen liegen. Das öffnet Tür und Tor für Überwachung und Datenmissbrauch.
Wer glaubt, mit einem kostenlosen VPN seine Privatsphäre zu schützen, läuft Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen – ähnlich wie bei einer Tür mit kaputtem Schloss: Sie sieht sicher aus, hält aber niemanden draußen.
Ein Wandel im Denken
Immer mehr Sicherheitsfachleute fordern deshalb ein Umdenken. Anstatt blind auf VPNs zu vertrauen, setzen viele Unternehmen inzwischen auf Zero-Trust-Architekturen.
Diese gehen davon aus, dass jeder Zugriff zunächst misstrauisch behandelt werden muss – egal, ob er von innen oder außen kommt. Daten werden segmentiert, Verbindungen kontinuierlich geprüft, und Nutzerrechte dynamisch vergeben.
Solche Modelle sind zwar aufwendiger umzusetzen, bieten aber langfristig mehr Schutz – insbesondere in Zeiten, in denen Angreifer gezielt über mobile Geräte in Netzwerke eindringen.
Was Nutzer jetzt tun können
Wer nicht auf ein VPN verzichten möchte, sollte einige Grundregeln beachten:
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Nur geprüfte Anbieter wählen – am besten mit Sitz in einem Land mit strengen Datenschutzgesetzen.
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Keine App ohne Audit – seriöse Anbieter veröffentlichen unabhängige Sicherheitsberichte.
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Regelmäßige Updates – Apps ohne aktive Wartung sind potenziell gefährlich.
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Berechtigungen prüfen – kein VPN braucht Zugriff auf Kamera oder Mikrofon.
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Kostenlose Angebote kritisch sehen – auch kleine Gebühren können ein Zeichen für Professionalität sein.
Für Unternehmen heißt das: Richtlinien für BYOD-Geräte überarbeiten, App-Freigaben zentral steuern und Mitarbeitende regelmäßig schulen.
Fazit
Die neue Studie von Zimperium zLabs ist ein Warnschuss. Viele kostenlose VPNs schützen nicht, sie gefährden.
Veraltete Bibliotheken, schwache Verschlüsselung und übergriffige Berechtigungen sind keine Ausnahmen, sondern weit verbreitet.
VPNs können ein wertvolles Werkzeug sein – aber nur, wenn sie mit Verantwortung entwickelt und eingesetzt werden. Der beste Schutz bleibt ein bewusster Umgang mit Daten, egal ob privat oder im Job.