Lange tat natürlich Insolvenzverwalter Dr. Lucas Flöther so, als habe er 20 ernsthafte Anbieter für den insolventen Reiseanbieter Unister. Und dass die Gläubiger Unisters sich erst melden können, wenn das offizielle Insolvenzverfahren eröffnet ist. Beides ist mit der heutigen Meldung aus Köln hinfällig. Sechs ernstzunehmende Kaufangebote lägen nun vor und die Gläubiger haben einen „vorläufigen Gläubigerausschuss“ gebildet.

Läuft gut, könnte man sagen. Knapp 1,5 Monate nach der Insolvenzmeldung der Unister Holding am 18. Juli 2016 geht es in die erste Entscheidungsrunde rings um die Zukunft vor allem der Reisesparte des Leipziger Unternehmens. Denn, so die Kanzlei von Flöther heute: „Die sechs vorliegenden Angebote beziehen sich auf die Travel-Sparte, den werthaltigsten Asset der Unister-Gruppe. Darüber hinaus liegen weitere Angebote für kleinere Konzern-Einheiten bzw. Gesellschaften vor. Alle Angebote für die Travel-Sparte gehen von einem sogenannten ‚Asset Deal‘ aus.“

Dabei werden nur die werthaltigen Teile der Unternehmen gekauft, etwaige Schulden oder weitere Rechtsverbindlichkeiten verbleiben in der insolventen Unternehmung Unister. Attraktiv für die Interessenten, interessant auch für die Gläubiger des Unternehmens, welche nach Medienberichten auf runde 45 Millionen Euro hoffen. Bis zu 103 Millionen Euro möchte Flöther erlösen – was eigentlich dafür spricht, dass es sich unter einem Neustart über die Käufer durchaus um ein interessantes Geschäftsfeld handelt, was Unister da in den vergangenen Jahren vor allem mit „Urlaubstours.de“ und den Umgebungsportalen wie „ab-in-den-urlaub.de“ oder „fluege.de“ im Reisegewerbe im Netz aufgebaut hat.

„Dass wir innerhalb kurzer Zeit sechs Angebote erhalten, ist ein gutes Zwischenergebnis“, so der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas F. Flöther heute. „Wir werden diese Angebote nun in enger Abstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss prüfen und mit den Bietern in Einzelverhandlungen einsteigen.“

Das letzte Wort über den Zuschlag hätten dabei die Gläubiger Unisters, vertreten durch den vorläufigen Gläubigerausschuss. Durch die Bildung dieses Gremiums sichert sich Flöther einerseits gegen Regressforderungen ab, welche gestellt werden könnten, so im Nachgang ein Gläubiger gegen die Verkäufe Einspruch erhebt. Andererseits könnte es durchaus sein, dass auch Gläubiger im bislang geheim gehaltenen Verkaufsverfahren als Käufer auftauchen könnten. So hätte der Insolvenzverwalter diese auf beiden Seiten des Tisches.

Seit Wochen halten sich überdies hartnäckige Gerüchte, die bereits vor der Insolvenz interessierte ProSiebenSat 1-Gruppe und nun auch Holiday-Check hätten Interesse und Angebote abgegeben.

Und auch auf den laufenden Geschäftsbetrieb kommt es nach wie vor an. Hier heißt es – auch um sich nicht gegenüber den Investoren in einer schwachen Verhandlungsposition wiederzufinden – seitens des Insolvenzverwalters Flöther: „Die Ertragslage ist stabil. Nach der aktuellen Liquiditätsplanung sind wir in der Lage, auch über den Insolvenzgeldzeitraum hinaus die Gruppe unter Vollkosten fortzuführen.“

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Ist Unister also im Gesamten nicht „pleite“ gewesen und nur die Geschäftsführung war so desaströs, dass die laufenden Einnahmen und Ausgaben nicht gedeckt werden konnten? Naheliegender ist die Erklärung, dass Flöther die vormals drückenden Schuldlasten mit dem Insolvenzverfahren auch über die drei Monate hinaus aus den Büchern halten kann und die Sommer-Reisesaison auch ohne Dauerwerbebeschallung mit Unister-Spots im Fernsehen ganz gut gelaufen ist und noch läuft.

Weshalb man auch heute seitens der Insolvenzverwaltungskanzlei nicht müde wird zu betonen: „Kunden der betroffenen Gesellschaften haben durch die Insolvenzanmeldung keinen Nachteil.“ Denn, so Dr. Flöther: „Vor der Insolvenz gebuchte Leistungen werden weiter voll erbracht und Buchungen sind weiterhin in vollem Umfang möglich und sicher.“

Die letzten Insolvenzanmeldungen der verbliebenen Unister-Töchter waren nur noch verkaufstaktischer Natur. „Dabei handelt es sich um die Ab-In-Den-Urlaub Betriebsgesellschaft mbH (178 Mitarbeiter,), die Kurz Mal Weg GmbH (14 Mitarbeiter) sowie die RMK Billigfluege.de GmbH (keine eigenen Mitarbeiter)“, so die Kanzlei.

„Die Insolvenzanmeldung ist Voraussetzung für einen Schulden- und Altlasten-freien Verkauf dieser Gesellschaften im Rahmen des Investorenprozesses“, erläuterte Flöther. „Damit sind wir jetzt in der Lage, alle wesentlichen Gesellschaften der Travel-Sparte im Wege des angestrebten Asset-Deals an einen Investor zu veräußern.“

Ob dies gleich in der ersten, letzten Runde gelingt, ist offen.

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