Die Klimakrise stellt uns mit Starkregenereignissen und Hitzewellen vor Herausforderungen. Einerseits brauchen wir, besonders in einer wachsenden Stadt wie Leipzig, dringend Wohn- und Gewerberaum. Andererseits ist der Bausektor einer der größten Klimasünder durch Emissionen von CO₂ und Flächenversiegelung. Auch bei der Sanierung der vorhandenen Bausubstanz reicht es nicht, lediglich den ursprünglichen baulichen Zustand wiederherzustellen.

Das Leipziger Start-up r3leaf (Aussprache englisch releaf) hat sich der Förderung des regenerativen Bauens verschrieben. Die LZ sprach am 9. Mai mit dem Gründer Tore Waldhausen. Tore Waldhausen und Interviewer Thomas Köhler sind seit der „Werkstatt der Mutigen“ per Du und haben das im Gespräch auch beibehalten.

Hallo Tore, Du bist Bauingenieur, Gründer der r3leaf GmbH und Sprecher des Bauzirkels Leipzig, heute wollen wir über r3leaf sprechen. Ihr seid ein Start-up und beschäftigt Euch mit regenerativem Bauen. Was ist das eigentlich?

r3leaf bedeutet Erleichterung und das ist der Ursprung unseres Namens. Wir wollen die Transformation von Gebäuden vereinfachen. Das heißt, wir haben uns die Frage gestellt: Wie können wir das Sanieren – den wichtigsten Hebel in der Zeit der Klimakrise – so einfach wie möglich machen? Letztlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir am Anfang, wenn sich die EntscheidungsträgerInnen Ihre Gedanken machen, ansetzen müssen.

Beim regenerativen Bauen geht es im Endeffekt um die Regeneration unserer Ökosysteme. Das Ziel, das wir uns setzen ist es durch die bebaute Umwelt die Regeneration der Ökosysteme zu stärken. Das heißt, dass wir eben nicht nur über Baumaterialien sprechen, sondern durch Ressourcen, durch die Einsetzung von Energien dazu beitragen, dass mehr Energien erzeugt werden, als verbraucht werden und Ressourcen in zirkulären Kreisläufen kursieren, dass wir ökologische Mehrwerte schaffen.

Ihr beschäftigt Euch also nicht nur mit dem Bau an und für sich, sondern auch mit der Umfeldentwicklung, mit der Energieerzeugung und so weiter?

Es ist eine holistische Betrachtung, die alle Wirkungsfelder von den Gebäuden einbezieht und auch die Veränderung des Klimas auf das Gebäude. Wir werden Veränderungen erleben. Die Sommer werden heißer und Starkregenereignisse werden zunehmen. Die Gebäude müssen sich verändern, um uns Menschen sicher beherbergen zu können. Wir nutzen prognostizierte Daten, um abzuleiten, wie müssen sich die Gebäude verändern und schlagen datenbasiert Maßnahmen für die Klimawandelanpassung der Gebäude vor.

Also quasi zwei Stränge: einmal das Bauen selbst, was Materialien und so weiter betrifft und zum anderen Anpassung an die bestehenden und prognostizierten Klimaveränderungen?

Genau das ist der Punkt, das ist jetzt eine Definition von uns, mit der wir aus der Cradle-to-Cradle-Philosophie vertraut sind. Nachhaltigkeit auch manchmal interpretiert als: Wir versuchen unseren Einfluss, den wir auf die Umwelt haben, zu reduzieren und wir versuchen, etwas Schlechtes ein bisschen weniger schlecht zu machen.

Wir denken, oder die Philosophie besagt das, lass uns doch lieber überlegen: Wie können wir Gutes tun und dann unseren positiven Fußabdruck möglichst groß machen? Das ist in meiner Interpretation der Unterschied zwischen Nachhaltigkeit und Regeneration. Nachhaltigkeit eben weniger schlecht und Regeneration wirklich gut.

Wie muss man sich in etwa die Herangehensweise beim regenerativen Bauen vorstellen?

Ich glaube, im Kern ist es erstmal die Aufgabe, nicht in Silos zu denken. Nicht nur die Anforderung zu haben, wir müssten Energie reduzieren und dementsprechend klatschen wir eine Dämmung an die Fassade oder bauen ein effizienteres Heizungssystem ein. Was nicht heißt, dass das falsch ist. Das heißt nur, wir müssen uns den größeren Rahmen dazu angucken.

Eben die Anforderungen aus den verschiedensten Bereichen berücksichtigen. Was will die Umwelt, was will der Mensch und welche Veränderungen kommen auf das Gebäude zu? Das heißt, wir schauen uns an: Wie verändern sich die zukünftigen Winter, wie verändern sich die zukünftigen Sommer? Wie können wir für den Bewohner, für die Arbeiter/-innen in dem Gebäude eine möglichst gute Aufenthaltsqualität herstellen? Die aber gleichzeitig dazu beiträgt, dass das Klima dadurch nicht geschädigt wird.

Dann kommt man eventuell zu anderen Schlüssen. Man kommt vielleicht zu dem Rückschluss: Es gibt vielleicht passive Maßnahmen, die dazu beitragen, dass man keine Klimaanlage einbauen muss. Wir können vielleicht durch eine konstruktive oder solare Verschattung, durch Entsiegelung des Außenraums, durch eine Begrünung der Fassade dazu beitragen, dass wir die Aufenthaltsqualität vor Ort herstellen, ohne dass wir zusätzliche technische Maßnahmen unterbringen müssen, die Energie brauchen und vielleicht klimaschädlich ist.

Skyline von Leipzig in der Vision von r3leaf, Blick vom Grassi Museum auf Gebäude mit Dachbegrünungen und neuu gestalteter Günanlage
Skyline von Leipzig in der Vision von r3leaf. Bildrechte: realutopien.info

Also nicht einfach eine Solaranlage aufs Dach setzen und damit Klimaanlagen betreiben, sondern versuchen baulich zu vermeiden, dass ich die Klimaanlage überhaupt brauche?

Genau, holistisch betrachtet gucken: Was braucht der Mensch wirklich und wie können wir das unter all diesen Betrachtungen mit einem Mehrwert verwirklichen?

Wir haben bestehende Bauten, die so nicht mehr nutzbar sind, ich denke da an das alte Technische Rathaus. E gibt die Variante: abreißen und neu bauen, mit dem Thema graue Energie. Oder daraus etwas machen, was den heutigen Ansprüchen genügt. Geht das mit Eurem Ansatz?

Das ist die wichtigste Aufgabe, die wir heutzutage haben. Es gibt ja einmal die Herausforderung für wirklich findige Architekt/-innen, frei auf einer grünen Wiese planen zu dürfen. Aber sich zu sagen: Es gibt diese alten Gebäude, das sind unglaublich wichtige Kulturgüter. Wie können wir es schaffen, diesen Wert zu erhalten und trotzdem unseren modernen Anforderungen anzupassen? Das ist doch eine noch viel anspruchsvollere und erfüllendere Aufgabe.

Ich bin Bauingenieur, kein gelernter Architekt, ich muss vielleicht auch differenzieren, was unsere Aufgabe als r3leaf ist. Wir machen auch Beratungsprojekte. Gerade beim Technischen Rathaus haben wir uns mit dem Amt für Verwaltungsunterbringung und auch dem Amt für Gebäudemanagement damit beschäftigt. Wir sehen die Hürden, die es dort gibt. Das sind teilweise auch menschliche Ängste, man kann sich vielleicht nicht vorstellen, wie so ein Gebäude wirklich ein tolles Umfeld bieten kann.

Aus diesen Sorgen heraus entstehen manchmal auch Hindernisse bei der Umsetzung. Letztlich ist aber, wie Du ja schon gesagt hast, die graue Energie ein Aspekt, den man nicht ausblenden darf. Da steckt schon unglaublich viel Energie drin. Deswegen ist auch hier die Herangehensweise ganzheitlich.

Wie können wir aus den historischen Abwägungen, die getroffen wurden, das alles zusammenpacken und eine beste Lösung für die Zukunft finden? Die ganzen Untersuchungen, soweit ich im Bild bin, haben ergeben, es gibt Herausforderungen. Es gibt Herausforderungen bei der Statik und bei der Durchlüftung. Das Sick-Building-Syndrom stand mal im Raum, es muss auch genügend Licht ins Gebäude kommen, die Deckenhöhe darf nicht zu niedrig sein, damit die Menschen sich wohlfühlen können.

Das sind alles Hindernisse, aber nach meinem Verständnis sind das Herausforderungen, die zu lösen sind. Hier braucht es verschiedenste Akteur/-innen, die diese Herausforderungen gemeinsam annehmen und lösen. Es ist auch noch nicht jedes dieser Probleme gelöst, aber ich bin sehr optimistisch, dass das möglich ist. Ich bin sicher, dass wir am Ende 2030/33 ein Gebäude stehen haben, wo sehr viele Leute sagen: So cool habe ich es mir nicht vorgestellt.

Nochmal zu den Umwelteinflüssen: Beim Blick auf die Starkregenkarte von Leipzig sieht man, wo ab und zu Häuser, salopp gesagt, absaufen. Wie muss man darauf reagieren?

Es gibt 20 bis 30 verschiedene Klimarisiken, Hitze und Starkregen sind vielleicht erstmal die relevantesten. Wenn wir uns auf den Bestand konzentrieren, gibt es auch Bereiche in Leipzig, die jetzt bisher nicht von Überflutung bedroht waren, aber durch stärker werdende Starkregenereignisse auf einmal bedroht sind, dass ein Keller vollläuft.

Das kann durch eine immer upgedatete Karte darstellen lassen. Dann bekommt man im nächsten Schritt Maßnahmen vorgeschlagen wie Versickerungsmulden, Gründächer etc., die mehr Wasser speichern können, damit die Gefahr von diesen lokalen Überflutungen sich reduziert. Das kann unser Tool darstellen.

Letzte Frage: Ihr seid ein Start-up. Wie sieht es aus mit Unterstützung für Euch und wie arbeitet Ihr mit anderen, beispielsweise kommunalen Behörden zusammen?

Große Frage! Unterstützung gibt es, gerade die Sächsische Aufbaubank in Leipzig hat unglaublich tolle Rahmenbedingungen für Start-ups auch in der frühen Phase. Wir profitieren unglaublich von der Markteinführung innovativer Produkte im MEP-Programm der SAB, das auch unser elfköpfiges Team unterstützt.

Was die Zusammenarbeit mit der Kommune betrifft, wir sind an sehr vielen guten Austauschen, allerdings sind Start-ups und Kommune tatsächlich zwei verschiedene Welten, da müssen wir uns immer wieder ein bisschen drosseln und nicht zu viel Energie hereinsetzen.

Wenn wir nur mit Kommunen arbeiten wollten, dann wäre das dann alles ein bisschen zu langsam und dann würden unsere Umsätze glaube ich nicht entsprechend wachsen, wie wir es brauchen. Deswegen ist das schon ein Feld, in das wir hereinwollen und wo wir auch die Stadt Leipzig gerne auch mitnehmen würden, aber das würde zu lange dauern, nur darauf zu setzen.

Wir sind aktuell darauf konzentriert, das Krankenhaussegment zu adressieren. Das heißt, wir haben hier einen Bedarf festgestellt, wo Krankenhäuser, wie das Städtische Klinikum Dresden, das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, eine Riesenherausforderung haben. Weil auch durch die sommerliche Hitze in den Sommermonaten Patienten sterben und somit die Attraktivität der Krankenhäuser zurückgeht und sie dadurch wirtschaftliche Einbußen haben.

Diese Herausforderung wollen sie jetzt angehen, nicht nur den Sanierungsstau aufzulösen, sondern eben auch dann hier wieder die Klimarisiken einzubetten. Hier gehen wir jetzt mit unserem Tool, aber auch mit einer Beratungsleistung rein, um diese Veränderungen vorzunehmen und gucken dann, dass wir von diesem Marktsegment aus dann unser Tool auf weitere Marktsegmente (Kommunen, den Real Estate Sektor, Banken und Versicherungen )verbreitern können. Mit der Folge, dass wir dann auch wachsen.

Tore, ich danke Dir für das Gespräch.

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Ein interessanter Beitrag und passt zu unserem Sachsenspiegelbeitrag vom 11.05.2025.++https://www.ardmediathek.de/video/mdr-sachsenspiegel/oekolandwirtschaft-auf-dem-rittergut-grosszschocher/mdr/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9mZGI2ZmU3ZC0zMDQzLTQ3YmYtYmQxZC1iYmJhN2U3NzdiN2I++ Wir sollten einmal Kontakt aufnehmen Troe. Was meinst du?

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