Am 25. September fand in Berlin auf Einladung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) der Waldgipfel statt. Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus rund 170 Verbänden, Einrichtungen und Institutionen nahmen daran teil. Die meisten naturgemäß aus Forstverbänden und Waldbesitzervereinen. Denn im Kern ging es ja um die aktuelle Not der Waldbesitzer. Am Rande natürlich auch um die Frage: Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Aus Leipzig war Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA e. V. dabei, der das Ganze natürlich mit kritischem Blick betrachtete. Denn in Leipzig kämpft der Verein ja seit einigen Jahren gegen die forstwirtschaftliche Schädigung des Leipziger Auenwalds, hat gegen den Forstwirtschaftsplan der Stadt geklagt und erst in der vergangenen Woche auch wieder ein – diesmal sehr stark besuchtes – Auenwaldökologiesymposium in der Alten Handelsbörse veranstaltet.

Da gab es schon – per Video – Unterstützung von Peter Wohlleben, derzeit Deutschlands bekanntestem Förster, der in seinen Büchern vehement für einen anderen, rücksichtsvollen Umgang mit dem Wald kämpft. Als Förster weiß er, wie deutsche Waldbesitzer seit gut 300 Jahren ticken. Trotz Hans Carl von Carlowitz, jenem nun fast legendären sächsischen Oberberghauptmann, der in seinem 1713 erschienenen Buch „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ den Begriff der Nachhaltigkeit prägte.

Was ja Sachsens Regierung 2013 auch noch feierte, ohne dass ebendiese Regierung überhaupt verstanden hätte, worum es dabei geht. Nicht mal beim Thema Wald. Denn auch bei Carlowitz geht es eben nicht nur darum, nur so viel Holz aus dem Wald zu holen, wie darin jedes Jahr nachwächst. Sein Buch ist im Gegenteil ein großes Lied auf die Vielfalt des Lebens im Wald, die aufmerksame Beobachtung eines vielfältigen Organismus, in dem Reichtum dadurch entsteht, dass alle Lebewesen hier miteinander eine große Lebensgemeinschaft bilden, in der jeder von jedem abhängt.

Das hat mit dem, was in Deutschland als Forstwirtschaft betrieben wird, nicht viel zu tun, erst recht nicht mit monotonen Baumplantagen, wie sie in diesem Jahr auf 180.000 Hektar Fläche abgestorben sind. Denn diese Monokulturen sind nicht stabil, sie besitzen kaum Resistenten gegen klimatische Veränderungen oder gar Parasiten.

Und nicht nur Peter Wohlleben wirbt seit Jahren unermüdlich für einen anderen Umgang mit dem Wald und eine Abkehr von der Plantagenbewirtschaftung. Eingeladen zum Waldgipfel war auch Prof. Dr. Pierre L. Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, der vehement dafür wirbt, den Wald endlich nicht nur als Holz-Ressource zu betrachten, sondern auch seine wertvollen Umweltleistungen vom Wasserspeichern bis zur Funktion als kühlendes Landschaftselement zu honorieren.

Einige dieser Punkte benennt er hier im Interview mit der Tagesschau.

Pierre L. Ibisch zum Waldgipfel.

 

Aber auch Peter Wohlleben hat noch ein eigenes Video zum Waldgipfel beigesteuert. Aus seiner eigenen Arbeit weiß er, dass es die natürlich gewachsenen Laubwälder sind, die am besten mit den Belastungen der beiden letzten Jahre umgehen konnten. Gelitten haben ja vor allem die monotonen Nadelholzwälder, die schon in normalen Jahren kaum eine Kühlung erreichen, die aber auch schlechte Wasserspeicher sind und sehr artenarm. Was auch damit zu tu hat, dass sie an den meisten Standorten nicht die natürliche Bewaldung darstellen.

Ibisch war es, der auch auf die fatalen Folgen künstlicher Waldauflichtungen einging, wie sie in Leipzigs Auenwald als Femel oder Mittelwaldbewirtschaftung passieren. In diesen Kunstlichtungen brütet die Sonne, heizt sich der Boden auf, steigt die Verdunstung – der Wald kann hier sein Klima nicht mehr regulieren.

Noch aber sind die meisten Waldbesitzer nicht so weit zu verstehen, dass z. B. die Lübecker Art der schonenden Waldpflege viel nutzbringender ist als das gelernte Plantagendenken der Förster. Die Waldbesitzer sind mit einer Forderung nach 2,3 Milliarden Euro in den Waldgipfel gegangen. Wirklich zugesagt hat Julia Klöckner dann 547 Millionen Euro, um die aktuellen Schäden zu beseitigen. Was aber eigentlich nur heißt, dass die vom Borkenkäfer befallenen Waldstücke beräumt werden in der Hoffnung, dass der Borkenkäfer dann nicht noch auf benachbarte Waldstücke überspringt.

Die IG BAU nutzte den Waldgipfel, um für mehr Forstarbeiter zu demonstrieren. Foto: Wolfgang Stoiber
Die IG BAU nutzte den Waldgipfel, um für mehr Forstarbeiter zu demonstrieren. Foto: Wolfgang Stoiber

Für Ibisch ein riesiger Unfug, denn genau dieses Totholz muss eigentlich im Wald bleiben, muss den Humus für die anstehende Waldverjüngung bilden. Es bietet auch nachwachsenden Schößlingen Schutz. Dieses Holz jetzt mit riesigem Aufwand aus dem Wald zu holen und dann teuer zu vernichten macht aus Sicht der Waldwiederherstellung keinen Sinn. Es macht nur Sinn im alten forstwirtschaftlichen Denken, gleich wieder plane Flächen zur Anpflanzung neuer Baumplantagen zu schaffen, wenn auch diesmal mit anderen Bäumen.

Etliche Forstwirtschaftsbetriebe experimentieren ja mit importierten Bäumen aus anderen Regionen, ohne auch nur das geringste Vertrauen darauf, dass die heimischen Baumarten die kahlen Flächen selbst schnell wieder besiedeln könnten und binnen einiger Jahre ganz ohne Zutun der Förster einen stabilen Laubwald zustande kriegen.

Wie die deutschen Waldbesitzer ticken, machte Hans-Georg von der Marwitz, Präsident im Verband der Deutschen Waldeigentümer, deutlich: „Es wird jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe benötigt, um die schweren Schäden zu bewältigen und die Wälder klimafit zu machen.“ An erster Stelle stehe dabei die Schadensbeseitigung, berichtete das ZDF über seine Forderungen. „Das abgestorbene Holz müsse aus dem Wald, bevor man sich an langfristige Aufgaben wie die Wiederbewaldung wage.

Auch die Leistungen, die der Wald erbringt, gelte es zu honorieren. Der Wald leistet einen großen Beitrag zum Klimaschutz, binde beispielsweise CO2 aus der Atmosphäre – 127 Millionen Tonnen im Jahr. Seine dritte Forderung lautet deswegen: eine CO2-Abgabe von der die Wälder profitieren, so von der Marwitz.“

Auch dieser Waldgipfel sprach also von der Hybris des Menschen, der immer noch glaubt, er sei Herr über die Welt und würde selbst das Schaffen von Wäldern besser beherrschen als die Natur. Ibisch sprach übrigens auch über die immense Kühlfunktion der Wälder für die Großstädte. Noch übt der Leipziger Auenwald diese Funktion für Leipzig aus.

Aber wer die forstwirtschaftlich bewirtschafteten Teile des Auenwaldes aufsucht, merkt schon beim Hineingehen, dass dort nichts mehr kühlt, sondern die Hitze genauso brütet wie außerhalb der Forstbewirtschaftungszone.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

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Vielleicht haben “etliche Forstbetriebe” nicht “auch nur das geringste Vertrauen darauf, dass die heimischen Baumarten die kahlen Flächen selbst schnell wieder besiedeln könnten”, sondern vor allem Angst davor, “dass die heimischen Baumarten die kahlen Flächen selbst schnell wieder besiedeln könnten und binnen einiger Jahre ganz ohne Zutun der Förster einen stabilen Laubwald zustande kriegen.” Und ein Großteil der Zunft überflüssig wäre. Abgesehen von existentiellen Ängsten mag hier auch das Infragestellen eines in 2 Jahrhunderten gut gewachsenen, womöglich unter aktuellen Bedingungen jedoch nicht mehr sinnvoll begründbaren Selbstverständnisses dazu führen, dass die Forstwirte so großmengig auf die Barrikaden gehen. Anpassung an die Veränderungen des (gesellschaftlichen) Klimas wäre hier das Zauberwort fürs Überleben. Des Waldes und der Förster.

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