Eigentlich war es nur eine Informationsvorlage, die da fast zum Schluss am 20. September noch in der Ratsversammlung zum Aufruf kam. Es ging um den Spezialfonds der Stadt Leipzig und die Frage, wo die Stadt eigentlich ihre Gelder anlegt. Und schon 2017 hatte der Stadtrat beschlossen, dass städtische Gelder in bestimmten Branchen nicht mehr angelegt werden dürfen. So weit, so einfach. Aber sollte Leipzig nicht auch die Waffenlieferungen an die Ukraine mit finanzieren?

Genau so konnte man einen Änderungsantrag der Freibeuter-Fraktion und eine hemdsärmelige Rede von FDP-Stadtrat Sven Morlok verstehen, der auf die „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz vom 27. Februar 2022 zu sprechen kam, das 2-Prozent-Ziel für den deutschen Rüstungshaushalt und die 100 Milliarden Euro als „Wumms“ für die Bundeswehr.

Eigentlich alles so weit ganz einfach, nur dass für diese Dinge nun einmal der Bund zuständig ist und damit der FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner. Nicht gerade eine Stadt wie Leipzig, die irgendwie versucht, endlich ein bisschen klimafreundlicher und umweltgerechter zu werden.

Tatsächlich beantragte die Freibeuterfraktion, einen ganz zentralen Satz aus dem Beschluss von 2017 zu streichen: „keine Beteiligung an Unternehmen, die Waffen- und Rüstungsgüter herstellen oder vertreiben“. Ein klares Bekenntnis der Stadt.

Aber jetzt meinte die Freibeuter-Fraktion die Zeit gekommen, den Passus herauszunehmen: „In der Generaldebatte im Bundestag im September 2023 betonte Bundeskanzler Olaf Scholz abermals die durch Sparpakete ausgelöste jahrelange Vernachlässigung der Bundeswehr. Inzwischen sieht die Bundesregierung den Ernst der Lage, der mit der Zeitenwende, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine darstellt, einhergeht. Auch Leipzig muss dem gerecht werden. Das mit mehr als 2/3 Mehrheit beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr ist Konsens in der Bundesregierung. Der Verzicht auf Investitionen in die Waffenindustrie und Rüstungsgüter ist nicht mehr zeitgemäß und muss geändert werden. Infolge der aktuellen Geschehnisse können wir die Zusammenarbeit mit Rüstungskonzernen nicht mehr als unethisch erachten.“

Eine zumindest erstaunliche Begründung. Die Sven Morlok am Rednerpult auch mit dem Hinweis ergänzte, dass – um mehr Munition für die Ukraine zu produzieren – in Rüstungsfirmen investiert werden müsse. Damit werde ja auch Gewinn gemacht.

Notleidende Rüstungsindustrie?

Nur dass Rüstungsfirmen aktuell nicht gerade die Unternehmen sind, denen es an Investoren fehlt. Mit Rüstungsgütern wird wieder ordentlich Profit gemacht und deutsche Rüstungsexporte erreichen in diesem Jahr ein Rekordhoch, wie der „Spiegel“ gerade am 2. Oktober meldete. Die Rüstungsindustrie in Deutschland gehört nun wirklich nicht zu den notleidenden Branchen.

Warum ausgerechnet Leipzig da dann mit seinen Geldanlagen mitfinanzieren sollte, wurde in Morloks Rede nicht wirklich deutlich.

Gegenrede bekam er dann freilich von Grünen-Stadtrat Martin Meißner. Denn grundlos hatte die Ratsversammlung 2017 die Kriterien für Leipziger Geldanlagen ja nicht beschlossen. Es ging ja gerade darum, mit städtischen Geldern nicht auch noch fossile Industrien zu unterstützen.

Und dem Leipziger Finanzdezernat ist es sogar relativ schnell – bis 2020 – gelungen, die vom Stadtrat beschlossenen Parameter auch umzusetzen.

Klare Vorgaben

In der Informationsvorlage heißt es dazu: „Der Beschluss des Stadtrates VI-A-04109-NF-03 vom 13.12.2017 ‚Weiterentwicklung der städtischen Anlagerichtlinie um Nachhaltigkeitskriterien im Sinne von Divestment‘ wurde in Form einer Negativliste an die Fondsverwaltung weitergeleitet und durch diese sukzessive umgesetzt. Sie beinhaltet:

keine Beteiligung an Unternehmen, die auf Atomkraft setzen oder Schiefergasgewinnung (sogenanntes Fracking) betreiben; keine Beteiligung an Unternehmen, die Waffen- und Rüstungsgüter herstellen oder vertreiben; keine Beteiligung an Unternehmen, welche nicht international anerkannten Prinzipien wie die UN Universal Declaration of Human Rights und die ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung) einhalten.

Mittelfristig war diese Negativliste wie folgt zu erweitern: keine Beteiligung an Unternehmen, die Kohlekraft nutzen; keine Beteiligung an Unternehmen, die in grüner Gentechnik (Agrogentechnik) engagiert sind; keine Beteiligung an Unternehmen, die Tierversuche bei Kosmetika durchführen; keine Beteiligung an Unternehmen, denen in den letzten vier Jahren Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen worden sind; keine Beteiligung an Unternehmen, die Lebensmittel-/Agrarspekulationen betreiben.

Im Zuge der Umstrukturierung waren Ende 2018 bereits 99,7 % des verwalteten Fondsvermögens nach den Kriterien der Nachhaltigkeit/des Divestment investiert.

Im Jahr 2020 konnte erstmals konstatiert werden, dass der Spezialfonds der Stadt Leipzig zu 100 % nachhaltig wirkt. Mithin sind die Vorgaben des Stadtrates als erfüllt zu betrachten“, heißt es in der Vorlage.

Nachhaltige und soziale Anleihen

Investitionen in Rüstung gehören ganz bestimmt nicht unter den Begriff Nachhaltigkeit.

Stattdessen war das Finanzdezernat vom Stadtrat sogar beauftragt, „Anlagen in signifikanter Größenordnung in grüne, soziale und nachhaltige Anleihen aufzunehmen und in den Spezialfonds zu integrieren. Es werden einzelne, zuordenbare Vorhaben und Umsetzungen unterstützt, z. B. Schulneubauten, Kindergärten, Modernisierungen, Solaranlagen und vieles mehr. Alle grünen Anlagen wurden explizit von neutralen Agenturen geprüft, um die nötige Sicherheit bei der Anlage zu gewährleisten. Zum aktuellen Stand (Mai 2023) sind über 17 % des Fondsvolumens in nachhaltigen Anleihen investiert“, teilt das Finanzdezernat mit.

14,10 Prozent sind mittlerweile in Grüne Anleihen investiert, 2,35 Prozent in soziale Anleihen und 1,03 Prozent in Nachhaltigkeitsanleihen.

Der Freibeuter-Antrag wurde folglich mit 12:29 Stimmen bei 5 Enthaltungen abgelehnt.

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