Am Abend des 20. Dezember hat der Sächsische Landtag Maßnahmen zur Beschleunigung des Windenergieausbaus beschlossen. „Damit reagiert Sachsen als eines der ersten Länder auf die Vorgaben des Bundes. Die Beschlüsse könnten daher Vorbildcharakter für andere Länder haben“, kommentierte Prof. Paul Lehmann am 21. Dezember auf Twitter. Der Beschluss steht im neuen Haushaltsbegleitgesetz.

Dort findet man die „Änderung des Landesplanungsgesetzes“ im Artikel 25. Sie setzen die Regelungen des vom Bundestag beschlossenen „Wind-an-Land-Gesetzes“, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, für Sachsen um.

Prof. Paul Lehmann arbeitet im Department Ökonomie im Themenbereich Umwelt und Energie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Seine kurze Analyse des Beschlusses des Sächsischen Landtags gab er auf Twitter.

2 Prozent schon 2027

Und am meisten staunte er darüber, dass Sachsen beim Flächenziel sogar noch über die Zielmarke des „Wind-an-Land-Gesetzes“ hinausging. Denn das Bundesgesetz sieht für 2027 ein Flächenziel von 1,3 Prozent der Landesfläche für Windkraftausbau vor. 2 Prozent sollen 2032 erreicht werden. Aktuell hat Sachsen nur 0,2 Prozent der Landesfläche dafür zur Verfügung gestellt.

Und dann diese Überraschung: „Gestern hat der sächsische Landtag nun beschlossen, dass schon bis 2027 2,0 % der Landesfläche für die Windenergie ausgewiesen sein sollen. Die Flächenvorgaben werden also in einem Schritt und früher als vom Bund gefordert umgesetzt“, schreibt Lehmann.

Und zitiert den Landtagsabgeordneten von Bündnis 90 / Die Grünen, Daniel Gerber, noch mit den Worten: „Bis dahin ermöglichen wir Anlagen überall, wo Kommunen das wollen, auch unter 1.000 m. Alle Bremsen sind gelöst.“

„In Anbetracht der Dringlichkeit der Klimakrise ist das natürlich sehr zu begrüßen. Zumal planerische Flächenvorgaben ihre Wirkung nur sehr zeitverzögert entfalten“, kommentiert es Lehmann. „Außerdem müssen so die extrem aufwendigen Planungsverfahren nicht zweimal durchlaufen werden.“

Mit den „planerischen Flächenvorgaben“ zielt er auf die schwerfällige und zähe Arbeitsweise der regionalen Planungsverbände in Sachsen, die bis jetzt einzig und allein für die Ausweisung von Windkraftvorranggebieten zuständig waren.

Mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes hat Sachsens Umweltminister Wolfram Günther den Planungsverbänden nun fünf Jahre Zeit gegeben, die 2 Prozent Flächenanteil für Windkraftanlagen in ihren Regionalplänen zu verankern. Aber das wären – wenn nicht vorher gehandelt wird – fünf verschenkte Jahre.

Aber, so Lehmann: Alle Planungsverbände haben das gleiche Flächenziel zu erreichen. Keiner kann sich hinter den anderen verstecken und sich herausreden, man fände bei sich nicht genug Flächen, wo Windkraftanlagen stehen könnten.

Keine Lex LEAG

„Das ist durchaus bemerkenswert“, stellt Paul Lehmann fest. „Schließlich kam zuletzt immer mal der Eindruck auf, Sachsen wolle Windenergieflächen vor allem auf ehemaligen Tagebauflächen konzentrieren, wo wenig lokale Konflikte drohen.“

Womit er auf eine Warnung eingeht, die der Landesverband Sachsen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) schon im Oktober formuliert hat. Denn da war noch nicht so klar, wo in Sachsen die 2 Prozent Windenergiefläche entstehen sollten. Würde man die ehemaligen Tagebauflächen bevorzugen, würden wieder einmal die Braunkohlekonzerne bevorzugt. Der BWE sprach schon von einer„Lex LEAG“.

„Bei den morgigen Beratungen des Windenergie-an-Land-Gesetzes im Bundesrat will Sachsen eine einseitige Bevorteilung der Leag und Mibrag durchsetzen. Fast sämtliche Flächen, die der Freistaat für die Windenergie bereitstellen will, sollen danach auf alten Bergbau-Flächen ausgewiesen werden“, befürchtete die BWE.

„Die angestrebten zwei Prozent der Landesfläche würden sich dann in der faktischen Verfügung des Mutterkonzern EPH, einem tschechischen Konzern, befinden. Von der angestrebten Gesetzesänderung der Staatskanzlei um CDU-Ministerpräsident Kretschmer würde mit der Mibrag ein Unternehmen begünstigt, in dem Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) seit 2019 als Aufsichtsratsvorsitzender tätig ist.“

„Das Land Sachsen darf die Entwicklung der Erneuerbaren nicht auf einzelne Orte fokussieren und einem einzelnen Konzern überlassen. Damit verzögert es die Energiewende und beraubt die im Land gewachsenen Windenergie-Unternehmen ihrer Entwicklungschancen“, sagte der BWE-Landesvorsitzende Prof. Martin Maslaton.

Die Flächen, erläutert Maslaton, wurden vor Jahrzehnten für den Kohleabbau enteignet und an die Kohleunternehmen für den Zweck des Kohleabbaus übergeben. „Die Kohleindustrie ist verpflichtet, die alten Tagebauflächen wieder herzustellen. Sie hat aber kein Recht darauf, sie für alle Zeit ausschließlich zu nutzen.“

Doch hier haben sich die Spezialinteressen von LEAG und Mibrag erst einmal nicht durchgesetzt, auch wenn die Tagebauflächen in der Lausitz und im Leipziger Südraum sich natürlich anbieten, hier größere Windparks aufzustellen

Nutzen die Kommunen jetzt die Flexiregel?

„Nun müssen alle Regionen einen Beitrag leisten. Pauschal 2 % entsprechen zwar vielleicht nicht den tatsächlichen Flächenpotenzialen der Regionen, sind politisch aber möglicherweise leichter zu vermitteln. Außerdem können die Verbände die Flächenvorgaben noch untereinander ‚handeln‘“, gibt Paul Lehmann zu bedenken.

„Offen bleibt, ob die regionalen Planungsverbände die Vorgaben des Landes tatsächlich bis 2027 umsetzen. In der Vergangenheit dauerte die Flächenausweisung in Regionalplänen oft deutlich über 5 Jahre. Und die Planungsverbände gelten nicht gerade als Vorkämpfer für Windkraft.“

Aber auch er sieht: „Weil neue Windenergieflächen frühestens 2027 zur Verfügung stehen werden, könnte bis dahin allerdings ein Stillstand beim Windenergieausbau drohen. Um dem entgegenzuwirken, hat der Landtag gestern auch eine ‚Flexiklausel‘ im Landesplanungsgesetz beschlossen. Die Flexiklausel besagt, dass bis 2027 auch Windräder zugelassen werden können, die näher als 1.000 m an Siedlungen und außerhalb ausgewiesener Windenergieflächen liegen – wenn die betroffene Gemeinde zustimmt.“

Was im Klartext auch heißt: Die Gemeinden können auf ihrem Gebiet selbst bestimmen, ob sie dort Windkraft ausbauen wollen.

„Welche Kraft diese Flexiklausel entfaltet, bleibt freilich abzuwarten. Ich habe durchaus von Gemeinden gehört, die auf ihrem Gebiet gerne neue Windenergieprojekte entwickeln wollten und das bisher aufgrund der planerischen Vorgaben aber nicht konnten“, so Paul Lehmann.

„Allerdings wurde eine ähnliche Flexiklausel in Bayern zur Umgehung der dortigen 10H-Regel von Gemeinden nur selten genutzt. Auch diese juristische Einschätzung zur sächsischen Regelung sieht durchaus noch Hürden für die Nutzung der Flexiklausel. Insofern haben die gestrigen Beschlüsse des sächsischen Landtags sicherlich nicht alle Bremsen für den Windenergieausbau gelöst (zusätzlich bleiben ja sowieso auch noch genehmigungsrechtliche Hürden). Aber sie sind ein Schritt in die richtige Richtung.“

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Es gibt 4 Kommentare

Sehr geehrter Christof,
gern würde ich auf den mehr oder weniger banalen Artikel komplex antworten. Sofern ich das tue wird mein Beitrag wie so oft dann gelöscht werden, wahrscheinlich analog zu dem vom User Michael. Also beenden wir hier die Diskussion und freuen uns auf Neues in der LIZ… Liebe Grüße vom Klimaleugner

Alle brauchen wir für ein erfülltes genussreiches Leben Energie = Wärme und Strom, für Licht, für Heizung, für die Ernährung, für die Fortbewegung, zum Leben.
Bisher haben wir in Deutschland steinalte Energieträger aus der Erde genutzt wie Kohle, Gas, Öl. Mit der Förderung, der Bereitstellung und dem Verbrennen dieser Energieträger gibt es inzwischen zu viele Komplikationen, mit den immensen Kosten für die Gewinnung, mit dem Landschaftsverbrauch, mit der Verunreinigung der uns umgebenden Luft, mit dem Verschmutzen vom Wasser, mit den Veränderungen beim Klima.
Also sollten wir uns umsehen, was auch noch geht und ob wir andere Möglichkeiten der Energiebereitstellung finden.
Und es gibt sogar Energieträger, die werden kostenfrei, Tag für Tag und in kaum fassbarer Menge bereitgestellt – durch die Sonne, den Wind, Gezeiten, Anziehungskräfte …
Und wir haben inzwischen die Techniken und Technologien für eine Nutzung dieser Energien entwickelt.
Wie lösen wir hier möglichst einfach, möglichst machbar und nachvollziehbar den erforderlichen Umbau der Energiebereitstellung?
Nicht nachvollziehbar sind die Widerstände in Teilen der Bevölkerung gegen eine mögliche Nutzung von alternativen Energieträgern. Da könnten wir die Energie von der Sonne kostenfrei nutzen, aber dagegen gibt es teilweise immense Vorbehalte.
Wir leben in einem kapitalistischem System. Hier geht es vorrangig meistens nur um das Geld und die Kosten. Jetzt könnten wir so etwas Wichtiges wie Energie kostenfrei gewinnen, aber nein das machen wir einfach nicht, da gibt es diesen und jenen Einwand. Lieber nutzen wir noch weiterhin Kohle, Gas und Öl, obgleich die Förderung und Gewinnung der Bodenschätze riesige Kosten verursachen und das Verbrennen immer spürbarer unsere Umwelt, Luft+Wasser und Natur schädigt und das Klima so weit aufheizt, so das die Erde möglicherweise verbrennt. Wie beeinflussbar und uneinsichtig müssen wir als Menschen und Bürger nur sein?

Den angezeigten aber nicht veröffentlichten Kommentar von Michael würde ich schon gern lesen. Wenn man keine Diskussion über bestimmte Themen haben möchte, so kann man doch dann auch die Kommentarfunktion gleich ausschalten, dann wissen alle Leser Bescheid. Das macht doch der MDR auch so, was sich ja in der allgemeinen Medienlandschaft auch bewährt hat. Das spart ja auch Zeit, die man dann für das nächste Wunschthema nutzen kann.

Endlich, überall Windräder bauen, wo die Kommunen es wollen.
Der Klimaleugner schreibt gerade einen Wunschbrief an unseren OB. Leipzig sollte endlich die wenigen Berge, die in Leipzig bewindet sind für Windräder freigeben, so Fockeberg, Berg im Rosental und die Kleine und die Große Warze im Clarapark. Auch auf dem Völki macht sich ein Rad recht ansehnlich, noch besser auf dem Rathausturm. Selbst die elektrischen Straßenbahnen könnten mit aufgepflanzten Windrädern den eigenen Strom produzieren. Die Oberleitungen könnten dann auch weg. Überall dort in der Stadt wo kein Roter Milan fliegt. Dann kann sich Leipzig endlich selbst versorgen. Man muss eben nur wollen…

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