Ein Tarifmoratorium für die Fahrpreise der LVB beantragte die Fraktion der Linken im Leipziger Stadtrat am 15. November 2012. Im August erst hatte die nächste Preiserhöhung insbesondere die Dauerkartennutzer der LVB kräftig zur Kasse gebeten. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Jetzt hat die Verwaltung ihren Standpunkt dazu formuliert. Natürlich federführend dabei das Dezernat Finanzen: Die Kosten, die die LVB nicht durch eigene Einnahmen decken können, landen ja bei der Stadt.

Und zwar auf direktem Weg dann, wenn es um politisch gewollte Eingriffe ins Tarifsystem geht. Beispiel dafür ist die Leipzig-Pass-Mobilcard. Sie wird Leipzig-Pass-Inhabern gewährt – statistisch also bis zu 70.000 Leipzigern. Sie wird von der Stadt finanziell gestützt, was aber nicht verhindert hat, dass auch diese Dauerkarte die letzten Preisrunden bei den LVB mitmachen musste – statt 25 Euro blättern jetzt auch die Leipzig-Pass-Inhaber 28 Euro hin.

Aber nicht ohne Grund reagierte Oberbürgermeister Burkhard Jung so dünnfellig auf das Wahlkampfthema des unabhängigen OBM-Kandidaten Dirk Feiertag, den ÖPNV in Leipzig generell fahrscheinlos und damit attraktiver zu machen. “Das können wir nicht bezahlen”, sagte Jung. Zusätzlich zu den 45 Millionen Euro, die die LVB jetzt noch über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag von der LVV bekommt, müsste die Stadt die mittlerweile auf 66 Millionen Euro angewachsenen Fahrscheineinnahmen kompensieren.

Dass das Thema Finanzierung der LVB auf der Tagesordnung steht, gesteht die Verwaltung jetzt zu. Denn dem Teil des Linke-Antrages, der eine Strategiediskussion zur Suche nach alternativen Formen zur Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs anregt, stimmt die Verwaltung zu.

Dem zentralen Punkt aber, bis zur Vorlage des Strategiepapiers keiner Tariferhöhung beim MDV zuzustimmen, könne nicht zugestimmt werden, heißt es im Verwaltungsstandpunkt, “da im Haushalt der Stadt Leipzig nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen entsprechend den Regelungen im Gesellschaftsvertrag des MDV auszugleichen.”

Aber selbst das halbherzige “Ja” zur Strategiediskussion wird der Linksfraktion nicht wirklich gefallen. Denn die Verwaltung verweist darauf, dass so etwas Ähnliches im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) ja gerade gestartet sei.

Der MDV ist ja dazu geschaffen worden, das ÖPNV-Angebot im gesamten Raum um Halle und Leipzig zu harmonisieren und entsprechend auch die Tarifsysteme aufeinander anzustimmen. Doch wie überall in Mitteldeutschland entwickeln sich die einzelnen Bedienungsgebiete völlig unterschiedlich. In den Landkreisen geraten die Finanzierungsmodelle ins Wanken, weil die Fahrgastzahlen sinken, in den Großstädten steigen die Zahlen an. Es muss also jedes Jahr nachjustiert werden – mit immer weniger Geld. Denn nicht nur die Kommunen haben ihre Zuschüsse über die Jahre zurückgefahren, auch die Länder ziehen sich aus ihren Finanzierungszusagen Stück für Stück zurück.
Entsprechend befasst sich die “beim MDV begonnene Strategiediskussion (…) mit einem deutlich größeren Themenfeld als nur der Weiterentwicklung des MDV-Tarifs”, heißt es in der Begründung der Stadtspitze. “Vielmehr geht es darum, vor dem Hintergrund der sich verändernden Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen, welche die Mobilität im MDV beeinflussen, Ziele und Strategien für ein integriertes Mobilitätssystem zu definieren.”

Das ist ein weites Feld. Und das wird dauern. “Dabei ist nicht anzunehmen, dass diese Strategiediskussion kurzfristig abgeschlossen werden kann”, heißt es selbst in der Vorlage der Stadtverwaltung. “Zu umfangreich sind die Themenfelder und der Diskussionsbedarf.”

Selbst die Fortschreibung des Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum wird angesprochen und das gesonderte Fachgutachten von Prof. Heiner Monheim zur Finanzierung des ÖPNV wird zitiert. Manchmal können der vielen Begründungen auch zu viele sein. Denn dann beginnt die Diskussion erst richtig – beispielhaft aus dem Monheim-Gutachten das “Bürgerticket”, das er gar nicht so unmöglich findet wie die Stadtverwaltung.

“Das Jahr 2013 wird aber noch von weiteren großen Veränderungen geprägt, z. B. wird im Dezember 2013 der City-Tunnel in Betrieb gehen und damit werden Veränderungen im Nutzerverhalten aber auch in der Zahlungsbereitschaft für den öffentlichen Nahverkehr einher gehen”, ist sich die Verwaltung auch noch sicher.

In der Gesellschafterversammlung des MDV im März 2013 soll die Tarifanpassung zum 1. August 2013 behandelt werden. In der Regel werden die geplanten Tarifveränderungen dann auch veröffentlicht und werden noch vor in Kraft treten vom Stadtrat abgesegnet. Aber so lange will die Linksfraktion nicht warten.

“Auch wenn die Beschlüsse noch nicht gefasst sind, dürfte der erfahrene LVB-Kunde keinerlei Zweifel daran haben, dass in sechs Monaten die Fahrpreise erneut steigen – und dieses Mal um 4 bis 5 Prozent, die Schülermobilcard sogar um 10 Prozent”, kommentiert Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion, das, was er so aus den Tarifdiskussionen hört. “Letzteres wird die Linksfraktion auf keinen Fall mittragen. Eine solche Erhöhung ist den Menschen in unserer Stadt weder vermittelbar noch zumutbar, denn nach wie vor ist Leipzig Sachsens Armutshauptstadt.”

Andererseits müssten die LVB wichtige und große Investitionen stemmen, gesteht er zu. “Doch Fördergelder, die zunächst vom zuständigen Wirtschaftsministerium zugesagt waren, kommen nur zu einem Teil. Auch die sogenannte Querfinanzierung (Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag) durch die anderen beiden Unternehmen der LVV-Gruppe stößt mittlerweile an ihre Grenzen, und die Stadt selbst sträubt sich mit allen Mitteln, ihre eigentliche Pflicht zu erfüllen. Damit sieht sich die Linksfraktion in ihrer Position bestärkt, dass mit sturer Beharrlichkeit zunehmend der Fahrgast für die steigenden Kosten des ÖPNV zur Kasse gebeten wird. Dem ist endlich entgegenzuwirken.”

Und nicht nur in Leipzig brennt die Luft. Der Kreistag Leipziger Land hat einen gleichlautenden Antrag der Linken am Mittwoch, 20. Februar, beschlossen. Auch dort ist das Delegieren der Kosten immer weiter nach unten bis in die Geldbeutel der Kunden an seine Grenzen gestoßen. Die Linksfraktion im Leipziger Rathaus will in den Fachausschüssen dafür kämpfen, dass es für ihren Antrag über ein Tarifmoratorium eine Mehrheit gibt. Am 20. März steht er in der Ratsversammlung zur Abstimmung.

Das Gutachten zur ÖPNV-Finanzierung von Prof. Heiner Monheim findet man hier:
www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/verkehr/index.shtml

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