Der ÖPNV nicht nur in Leipzig kommt zunehmend in eine Finanzierungsnot. Jahrzehntelang war es auch auf Bundes- und Länderebene eine Selbstverständlichkeit, dass ein funktionierender ÖPNV finanziert werden muss. Doch seit einigen Jahren haben Verkehrsminister den ÖPNV als Kürzungsmodell für sich entdeckt. Nicht der einzige Weg, über den Kommunen in Sachsen dringend benötigte Gelder entzogen werden. Aber wie soll man ÖPNV künftig finanzieren? - Die Leipziger sind jetzt tatsächlich gefragt.

Sind sie eigentlich schon ein Weilchen. In Projekten wie “Leipzig weiter denken” hatten sie die Möglichkeit, Vorschlage und Ideen zur zukünftigen Stadtentwicklung einzubringen. Und viele Vorschläge deckten sich mit der Absicht von Verwaltung und Stadtrat, den Anteil der umweltfreundlichen Verkehrsarten am “Modal Split”, also der Wahl der unterschiedlichen Verkehrsmittel für verschiedene Wege, zu erhöhen. Der Anteil des ÖPNV – also von Bahn und Bus – an allen Wegen soll künftig auf 25 Prozent steigen. Im Sprachgebrauch der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB): “Projekt 25”. Aktuell sind es noch 20 Prozent.

Aber schon jetzt erleben die LVB-Fahrgäste, wie sich ein unterfinanziertes Netz anfühlt: Das Gleisnetz ist gespickt mit Langsamfahrstrecken. Straßenbahnen fallen während des Einsatzes aus, etliche Busse sind mittlerweile 20 Jahre auf der Strecke und riechen auch so, die alten Tatrabahnen haben drei Jahrzehnte auf dem Buckel und sind mittlerweile so teuer in der Reparatur, dass sich solche nicht mehr wirklich rechnet.

Was tun? Immer nur die Fahrpreise steigern? – Das ist in den letzten Jahren regelmäßig passiert. Über 70 Millionen Euro holen die LVB schon über die Tickets herein – ein Ende der Preisspirale ist absehbar, denn dann springen die Fahrgäste wieder ab. Die ersten haben es längst getan und versuchen mit einem preiswerteren Fahrzeug durch die Stadt zu kommen – dem Fahrrad oder auf eigenen Füßen. Wird Straßenbahnfahren also zum Luxusgut?

2014 will die Stadtverwaltung einen neuen Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr vorlegen. Der letzte stammt von 2003. 2012 wurden die Grundlagen der Fortschreibung veröffentlicht. Aber 2020 ist so ungefähr auch das Zieljahr, in dem die LVB ihre 25 Prozent erreichen will. Was ganz bestimmt nicht gelingt, wenn die Finanzierung nicht stimmt und die Ticketpreise weiter steigen.Nicht erst im OBM-Wahlkampf stand deshalb auch das Thema kostenloser ÖPNV bei einigen Kandidaten auf der Agenda. Ein Thema, das für die Stadt nicht wirklich neu ist. Prof. Heiner Monheim hat dazu für die Verwaltung auch schon ein entsprechendes Gutachten erstellt. Oder besser: Er hat die gesamten Grundbedingungen des Leipziger ÖPNV mal unter die Lupe genommen und beim Thema Finanzierung auch die Sache mit dem Bürgerticket diskutiert.

Und dazu hat nun Romy Seiler, Studentin der Verkehrswirtschaft an der TU Dresden, ein paar Fragen. Sie schreibt zur Zeit ihre Diplomarbeit zum Thema alternative Finanzierungsmodelle für den öffentlichen Personennahverkehr und beschäftigt sich konkret mit der Akzeptanz von Einwohnerabgaben/ Bürgertickets am Beispiel Leipzig.

Was ist der Hintergrund der Untersuchung?

Wie Sie sicherlich wissen, ist der ÖPNV in Leipzig und auch in anderen Städten von ernstzunehmenden Finanzierungsproblemen bedroht. Das verkehrspolitische Ziel Leipzigs der Stärkung und Förderung des ÖPNV steht im Konflikt zur stetigen Kürzung oder teilweise komplettem Wegfall von Ausgleichszahlungen und Fördermitteln. Die Finanzierungslücke zwischen notwendigen Investitionen und aufgrund der Finanzsituation der Verkehrsunternehmen tatsächlich umsetzbaren Investitionen klafft jährlich immer weiter auseinander, Fahrpreise müssen stetig erhöht werden.

Warum ausgerechnet Leipzig?

Im Rahmen des zur Zeit sich entwickelnden Stadtentwicklungsplans Verkehr und öffentlicher Raum (STEP), über den 2014 der Stadtrat entscheiden soll, wurden verschiedene Fachgutachten erstellt. In dem Gutachten von Prof. Heiner Monheim zum Thema “Finanzierung der Verkehrssysteme im ÖPNV-Wege zur Nutzerfinanzierung oder Bürgerticket?” wird die Stadt Leipzig nach Größe und Struktur als Oberzentrum als “ein durchaus relevanter, denkbarer Anwendungsfall für ein Bürgerticket” gesehen. Nähere Erläuterungen zur Ausgestaltung oder Akzeptanz werden aber nicht gegeben. Das Bürgerticket ist ein solidarisches Finanzierungsmodell (wie beim Semesterticket für Studierende), bei dem alle Einwohner einer Stadt eine Abgabe zahlen und im Gegenzug den ÖPNV dafür entgelt- und fahrscheinfrei nutzen können. Leipzig könnte ein Leuchtturmprojekt dafür werden.

Was ist das Ziel der Untersuchung?

Ich möchte in meiner Diplomarbeit an das Gutachten von Heiner Monheim anknüpfen und untersuchen, wie groß die Akzeptanz eines Bürgertickets/ bzw. Einwohnerabgaben zur Finanzierung des ÖPNV ist und von welchen Einflussfaktoren die Bewertung abhängt. Ich habe dafür eine Umfrage erstellt. Dafür brauche ich genug Menschen, die mitmachen, um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen.

Ihre Umfrage will Romy Seiler bis zum 20. Oktober laufen lassen.

Alle, die mitmachen möchten, finden die Umfrage hier: https://www.soscisurvey.de/buergerticket/

Das Gutachten von Dr. Heiner Monheim zum Leipziger ÖPNV: www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.6_Dez6_Stadtentwicklung_Bau/66_Verkehrs_und_Tiefbauamt/Fachgutachten_Monheim.pdf?L=0

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