Umdenken fällt schwer. Konsequentes Umdenken noch schwerer. Das trifft auch auf Leipzigs Verkehrspolitik zu. Zwar wird seit zehn Jahren darüber diskutiert, dass umweltfreundliche Verkehrsarten endlich Vorrecht in der Verkehrsraumgestaltung bekommen sollen. Aber wenn es konkret wird, weichen Leipziger Planer doch immer wieder in seltsame Kompromisslösungen aus. Wie in der August-Bebel-Straße, wo man Fußgänger wieder wie Slalomläufer behandelt.

Die August-Bebel-Straße wurde 2013 im Vorfeld der Baumaßnahme Karl-Liebknecht-Straße erneuert und umgebaut. Eigentlich sollte Anfang 2014 alles fertig sein, denn seit Januar nimmt die Straße einen Teil des Umleitungsverkehrs aus der “Karli” auf. Aber da und dort fehlen noch Wegstücke. Eine Fußgängerinsel erfreut an der Kreuzung Körner-Straße / August-Bebel-Straße. Dafür frappiert den Fußgänger direkt an den Einmündungen der Straße ein mittlerweile wirklich als Unterlassung zu bezeichnender Baubestand.

Das kritisiert jetzt die Leipziger Ortsgruppe des Fachverbands für Fußverkehr. Sie zeigt sich sehr irritiert – wahlweise angeboten auch die Worte entsetzt und sehr enttäuscht – ob der jüngst fertig gestellten Erneuerung der August-Bebel-Straße.”Grundlegende Gestaltungsansätze, die bundesweit – und eigentlich auch in Leipzig – längst gängiger Standard sind, wurden hierbei nicht beachtet”, kritisiert der FUSS e.V. “So wurden in den Kreuzungsbereichen die Gehwege nicht in den Straßenraum vorgezogen.”

“Stand der Technik” ist hier normalerweise längst, im Bereich der Straßenquerungen den Gehweg bis auf die fahrbahnseitige Kante der Parkbuchten in die Fahrbahn vorzustrecken. Dies ermöglicht Fußgängern eine bessere Einsicht in den Straßenraum – an den am Straßenrand parkenden Autos vorbei – und damit ein sicheres Überqueren der Straße. Zumindest dann, wenn diese Fußwegnasen nicht wieder von Autobesitzern als Parkfläche missbraucht werden.

Statt dessen wurden in der August-Bebel-Straße jedoch lediglich Sperrflächen auf der Fahrbahn markiert, was jedoch Fußgängern keinen Schutz bietet und zudem erst recht häufig von Falschparkern ignoriert wird. Kritisiert wird vom FUSS e. V. auch das Fehlen von Fahrradbügeln.

“Am meisten jedoch dürften sich die Leipziger Fußgänger ärgern über die viel zu groß dimensionierten Kreuzungen”, erklärt Bertram Weisshaar vom FUSS e.V. Leipzig. “Genau auf der Fläche, auf der sinnvollerweise die Fußgängerfurt über den Mittelstreifen der August-Bebel-Straße geführt werden müsste, parken nun regelmäßig Autos – unmittelbar in der Kreuzung. Die Fußwege über den Mittelstreifen wurden indessen weit zur Seite gerückt, bis in den Kronenbereich der Straßenbäume. Wie die teilweisen alten Bäume die Überbauung ihres Wurzelbereichs verkraften werden, bleibt zu beobachten.”

Das Beispiel August-Bebel-Straße, aber auch der nicht behindertengerechte Fußgängertunnel am Hauptbahnhof oder die nur schleppende Umsetzung des bereits im April 2013 vom Stadtrat beschlossenen Gehwegsanierungsprogramms zeigen deutlich, dass die bestehende Struktur der Verkehrsplanung dem Anspruch auf eine ausgewogene Berücksichtigung der Gestaltungsqualität des öffentlichen Raumes und auch der Belange der Fußgänger nicht gerecht wird, stellt der Verein fest, der sich um die Interessen der Fußgänger im Leipziger Verkehrsraum bemüht. Der FUSS e.V. fordert daher die Einführung eines Beauftragten, der bereits innerhalb der Verwaltung alle Straßenplanungen aus der Perspektive der Fußgänger begutachtet.

“Bei einer solchen Struktur wären beispielsweise die Planungsmängel der August-Bebel-Straße frühzeitig aufgefallen und hätten ohne Mehrkosten korrigiert werden können. Nun aber sind sie gewissermaßen erst einmal in Stein gemeißelt, ist erneut eine Straße ein Stück mehr verunstaltet”, stellt Bertram Weisshaar fest. “Mit dem Beteiligungsprozess zum Umbau der ‘Karli’, mit dem Runden Tisch zum Stadtentwicklungsplan ‘Verkehr und öffentlicher Raum’ oder auch mit dem Bürgerwettbewerb ‘Ideen für den Stadtverkehr’ hat die Stadtverwaltung bereits mehrere mutige Schritte unternommen zu einem anderen Planungsprozess. Um diese eingeschlagene Richtung zu verstetigen müsste nun die Verkehrsplanung selbst dringend neu geplant werden.”

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