In den letzten Juni-Wochen merkten es auch viele LVB-Fahrgäste, wie die wochenlange Umleitung der Straßenbahnen wegen eines einsturzgefährdeten Hauses in der Eisenbahnstraße den Fahrdienst beanspruchte. Fahrer fielen aus, Kurse konnten nicht bedient werden. Könnte es sein, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) zu sehr am Personal gespart haben? Die L-IZ fragte nach und Dr. Sabine Groner-Weber, für die Personalpolitik verantwortliche Geschäftsführerin der LVB, hat unsere Fragen ausführlich beantwortet.

Immer wieder fallen Kurse aus. 29 waren es allein am Wochenende 28./29. Juni. Ein Phänomen, das nicht ganz neu ist und vor einem Jahr schon diskutiert wurde. Ist der aktuelle Bestand von 517 Personen im Fahrpersonal überhaupt noch eine realistische Arbeitsgröße? Müssten die LVB nicht deutlich mehr Fahrerinnen und Fahrer einstellen? Und wie viele müssten es sein, um den aktuellen Fahrdienst abzusichern?

Am 28. und 29.06. sind nicht 29 Kurse ausgefallen, sondern es konnten 29 Dienste nicht besetzt werden. Betroffen sind dann nicht komplette Kurse sondern nur Teilstücke, teilweise sehr kurze, von Kursen. Die personalbedingte Ausfallzeit hat an den beiden Tagen größenmäßig ca. 100 bis 150 Stunden betragen, bei einer Gesamtleistung von rund 5.400 Stunden. Die Interpretation der LVZ, wonach 29 Fahrzeuge das ganze Wochenende über standen, geht an den Tatsachen völlig vorbei.

Die Zahl 517 kann ich nicht bestätigen: Aktuell arbeiten weit über 1.000 Fahrer hauptberuflich im Unternehmen. Wir werden unseren Fahrdienst in den nächsten 8 Wochen mit fast 40 neuen Mitarbeitern verstärken, die aus unserer eigenen Fahrschule und auch von Externen kommen. Damit wir unseren wachsenden Fahrgastzahlen gerecht werden, werden wir auch darüber hinaus laufend Straßenbahn- und Busfahrer rekrutieren und ausbilden. Derzeit setzen wir verstärkt auch die Verwaltungsmitarbeiter, die im Besitz einer Fahrerlaubnis sind im Straßenbahn- und Busbetrieb ein. Diese müssen ohnehin in gewissen Abständen Dienste übernehmen, um im Besitz der Fahrerlaubnis zu bleiben.

Die LVB haben zwar ihre Testprojekte von 10-Minuten-Takt auf den Linien 3, 4 und 12 laufen. Das Fahrzeugreservoir reicht dafür. Aber hätten nicht allein dafür neue Fahrerinnen/Fahrer eingestellt werden müssen?

Der 10-Minuten-Takt samstags für diese Linien war in unseren Personalplanungen enthalten und wir haben dafür 8 zusätzliche Fahrer eingestellt.

Immer stärker macht sich beim Fahrpersonal die Überalterung bemerkbar. Das verstärkt die Ausfallzeiten. Müssten die LVB ihre Ausbildung junger Fahrer deutlich verstärken? Oder sind dem finanzielle Grenzen gesetzt?
Allein im letzten Jahr haben wir 95 Fahrer eingestellt, die meisten davon jüngere Menschen. Eine ausgeglichene Altersstruktur ist auch für unser Unternehmen wichtig. Es ist aber richtig, dass viele unserer Mitarbeiter, schon seit vielen Jahren als Straßenbahn- oder Busfahrer mit großem Einsatz und Engagement tätig sind. Es ist mir an dieser Stelle aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass viele der Älteren zu unseren verlässlichsten Mitarbeitern gehören.

Nicht das Alter ist das Problem, sondern die Erhaltung der Gesundheit. Wir machen deshalb unseren Mitarbeitern umfangreiche Angebote zur Gesunderhaltung. Gesunderhaltung ist seit dem letzten Jahr auch regelmäßig Thema in den Fahrerschulungen. Und selbstverständlich haben wir angesichts des demografischen Wandels in den zurückliegenden Jahren unsere Ausbildung verstärkt und die Ausbildung zusätzlicher Fahrlehrer angestoßen. Einer ist vor wenigen Monaten fertig geworden, der zweite wird demnächst abschließen und zwei weitere sind in Ausbildung.

Manche Fahrer beschweren sich über die zu geringe Bezahlung. Ist das Lohngefüge bei den LVB falsch und wird die Auslagerung des Fahrpersonals in Tochtergesellschaften, die deutlich weniger zahlen, jetzt zum Bumerang? Sind jetzt Arbeitsangebote bei anderen Fahrunternehmen der Region lukrativer?

Es ist richtig, dass wir in der LVB Unternehmengruppe unterschiedliche Tarifniveaus haben. Das hat historische Gründe. Weil die seit 2011 neu zusammengesetzte Geschäftsführung sieht, dass das nicht auf Dauer so bleiben kann, haben wir mit unserem Tarifpartner ver.di einen Weg tarifvertraglich fixiert, der jedem Mitarbeiter eine klare Perspektive in den einheitlichen Branchentarifvertrag TV-N Sachsen eröffnet und gleichzeitig wirtschaftlich vertretbar ist.

Mit unseren Tarifverträgen bewegen wir uns auf dem Niveau anderer Verkehrsunternehmen in der Region. Und wir wissen aus Gesprächen, dass Sicherheit des Arbeitsplatzes, pünktliche Lohnüberweisungen und unsere Angebote zur Gesunderhaltung, zur Absicherung eines früheren Ausstiegs aus dem Erwerbsleben und andere Angebote, die wir unseren Mitarbeitern machen, von unseren Mitarbeitern geschätzt werden und ihre Verbundenheit mit dem Unternehmen stärken.

Oder haben die LVB viel zu restriktiv um neues Personal geworben? Zuletzt wurden ja nur noch neue Busfahrer gesucht, obwohl im Straßenbahnnetz auch schon Mangel besteht. Müsste das Personalbudget von 36,6 Millionen Euro nicht deutlich aufgestockt werden? Oder unterliegt es dem Spardruck innerhalb der LVV, so dass die LVB gar nicht mehr Personal einstellen dürften, selbst wenn sie wollten?

Wir stellen permanent sowohl Straßenbahnfahrer als auch Busfahrer ein. Wir sind froh, dass wir auch ohne große und kostspielige Marketingkampagnen zahlreiche Bewerbungen haben. Neben Straßenbahnfahrern, die wir über mehr als 6 Monate ausbilden, suchen wir auch ganz gezielt fertig ausgebildete Busfahrer, die wir schon nach wenigen Wochen im Linienverkehr einsetzen können. Wir planen unser Personal mit dem Ziel, unsere Fahrplanleistungen erbringen und auch in Zukunft kontinuierlich mehr Fahrgäste befördern zu können.

Ausnahmesituationen wie die wochenlange Umleitung wegen eines einsturzgefährdeten Hauses in der Eisenbahnstraße haben nicht nur den Fahrplan außer Takt gebracht, sondern auch zahlreiche Fahrer an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. Die Krankenrate stieg kräftig an. Es scheint für solche Fälle nicht einmal mehr einen Puffer an Bereitschaftspersonal zu geben. Ist daran gedacht, einen solchen wieder aufzubauen? Oder will man das Angebot noch Jahre lang auf Kante fahren und Kurse ausfallen lassen, wenn es zu Fahrerausfällen kommt?

Die Umleitungen und kurzfristigen Dienständerungen, die aufgrund der Sperrung der Eisenbahnstraße entstanden sind, haben in der Tat zu einer extremen Belastung für unsere Mitarbeiter geführt. Die Situation wurde mit jedem Tag der Sperrung schwieriger für uns. Wir sehen selbstverständlich auch in Zukunft Bereitschaftspersonal zum Ausgleich kurzfristiger Ausfälle und Störungen vor. Die von Ihnen beschriebene Situation war jedoch außergewöhnlich und durch die immer wieder verlängerte Sperrung kaum planbar. Für solche Situationen können keine beliebig großen Puffer eingeplant werden, das würde letztlich die Fahrpreise hochtreiben.

Wie hoch ist der aktuelle Krankenstand beim Fahrpersonal?

Der Krankenstand schwankt derzeit zwischen 10 und 11 Prozent inklusive Dauerkranken. Das ist zu viel und liegt auch deutlich über unseren Planungen. Das ist neben den erhöhten Zusatzleistungen ein wesentlicher Grund dafür, dass wir derzeit Probleme bei der Besetzung von Diensten haben. Wir haben dem bei der Personalbedarfsplanung Rechnung getragen, arbeiten aber gleichzeitig daran, dass diese hohen Krankenstände wieder zurückgehen.

Ist es unter diesen Vorzeichen noch zu verantworten, mit einem sehr knapp gerechneten Zuschuss von 45 Millionen Euro aus dem VLFV zu rechnen. Müsste dieser nicht deutlich steigen, um auch wieder das benötigte Personal aufzubauen? Oder findet man tatsächlich niemanden, der als Fahrer/Fahrerin bei den LVB arbeiten will?

Mit den 45 Millionen Euro gleicht die Stadt die Leistungen aus, die sie über den VLFV bestellt. Nicht enthalten sind die Mittel für dringend benötigte Investitionen – hierzu sind wir mit der Stadt, aber auch mit anderen Fördermittelgebern in Verhandlungen. Löhne und Gehälter müssen – mit einigen Einschränkungen – über die Fahrgeldeinnahmen gedeckt werden.

Wir bekommen nach wie vor viele Bewerbungen von Menschen, die als Straßenbahn- oder Busfahrer ausgebildet werden wollen und bei uns arbeiten möchten. Dafür haben wir die Anzahl unserer Fahrlehrer seit 2011 deutlich erhöht. Wie die ganze Branche merken aber auch wir, dass einerseits nicht alle dauerhaft dem tagtäglichen Stress im Verkehr gewachsen sind und dass es andererseits gerade im Busbereich mit den Fernbussen neue Konkurrenz gibt. Dieser Konkurrenz setzen wir langfristig sichere, sozialversicherungspflichtige und nach Tarifvertrag bezahlte Arbeitsplätze entgegen.

Vielen Dank.

www.lvb.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar