Nicht nur die Linksfraktion hatte am 17. April ein paar Fragen an Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) zu den Stromabschaltungen 2012 in Leipzig. Auch eine Bürgerin hatte schon im März eine Einwohneranfrage zu Stromabschaltungen wegen Zahlungsrückständen bei den Leipziger Stadtwerken gestellt. Eine hochbrisante Frage. Denn binnen eines Jahres ist Strom in Sachsen um 12 Prozent teurer geworden, das trifft zuerst die einkommensschwachen Haushalte.

“In den letzten 3 Jahren lagen die Preissteigerungen für Energie leider auch bei Kunden der Leipziger Stadtwerke erheblich über der durchschnittlichen Inflationsrate sowie der Erhöhung bei gesetzlichen Renten bzw. Sozialhilfesätzen”, heißt es in der Anfrage. “Die Stadtwerke Leipzig erzielten im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von über 60 Millionen EUR, dem stehen immer mehr BürgerInnen gegenüber, die Schwierigkeiten haben, ihre Energiekostenrechnungen aus eigenem Einkommen zu bestreiten.”

Und so wollte die fragende Leipzigerin wissen:

– Wie viele private Haushalte der Stadt Leipzig waren 2011 und 2012 von Energieabschaltungen wegen Zahlungsrückständen betroffen? (bitte getrennte Angabe für Strom, Gas und Fernwärme pro Jahr)

– Wie viele Leipziger Haushalte haben 2011 und 2012 beim Sozialamt bzw. dem Jobcenter einen Antrag auf Übernahme von Zahlungsrückständen bei Energielieferungen gestellt?

– Wie viele dieser Anträge wurden bewilligt und wie hoch waren die Kosten, die von der Stadt 2011 und 2012 übernommen wurden?

– Wie viele der Antragsteller waren Kunden der Stadtwerke Leipzig?

Die Antwort gab es nach der Stadtratssitzung am 17. April schriftlich. Sie macht zumindest eines deutlich: Die Stadt hat zumindest von jenen Fällen Kenntnis, in denen sozial Bedürftige sich direkt ans Sozialamt wenden.

Warum der Sozialbürgermeister nicht alle Zahlen und alle Gründe parat hat zu dem Thema, versuchte Thomas Fabian so zu erläutern: “In Leipzig sind eine Vielzahl privater Energieversorgungsunternehmen und zwei Netzbetreiber aktiv. Der Stadt Leipzig liegen zu deren Aktivitäten in Bezug auf Energieabschaltungen keine Informationen vor. Wie sich aus der Antwort der Sächsischen Staatsregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Dietmar Pellmann vom März 2013 ergibt, kam es in der Stadt Leipzig im Jahr 2012 zu 8.471 Stromabschaltungen durch den Hauptnetzbetreiber des Stromnetzes im Konzessionsgebiet der Stadt Leipzig, die Netz Leipzig GmbH. Diese führt Sperrungen von Netzanschlüssen für zahlreiche Stromanbieter durch.”

Angaben über die Abschaltung der Gas- und Fernwärmeversorgung lägen der Stadt Leipzig nicht vor.Nur ein Teil der Betroffenen sucht dann Hilfe bei der Stadt. Im Jahr 2011 stellten 1.145 Haushalte beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme von Zahlungsrückständen bei Energieversorgungsunternehmen, so Fabian. Im Jahr 2012 waren dies 1.106 Haushalte.

Und er erläutert auch, dass es eigentlich eher lächerliche Summen sind. Zumindest aus städtischer Perspektive.

Fabian: “Im Jahr 2011 wurden in 852 Fällen Zahlungsrückstände mit einer Gesamtsumme in Höhe von 343.000 Euro durch das Sozialamt übernommen. Im Jahr 2012 erfolgte eine Übernahme in 879 Fällen mit einer Gesamtsumme von 335.000 Euro. Von den 852 Haushalten im Jahr 2011 hatten 807 Haushalte einen Versorgungsvertrag mit den Stadtwerken Leipzig. Im Jahr 2012 waren von 879 Haushalten 794 Kunden der Stadtwerke Leipzig.”

Für Haushalte, die leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) sind, erfolgt die Übernahme von Zahlungsrückständen auf Basis eines Darlehens gem. § 22 SGB II. Leistungsberechtigte nach Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) erhalten diese einmalige Leistung gem. § 34 SGB XII, so der Bürgermeister.

Pro “Fall” fielen also 2011 durchschnittlich 402 Euro an. 2012 waren es 381 Euro. Wenn man das auf den Monat rechnet, sind es 33,50 bzw. 31,75 Euro. Aber auch das sind Summen, die sich schnell zu einem Betrag aufhäufen, der bei sozialer Bedürftigkeit nicht mehr einfach irgendwo eingespart und zusammengekratzt werden kann.

Dasselbe trifft auch auf die anderen, vom Sozialamt nicht erfassten Haushalte zu. Einige werden wohl versuchen, aus eigener Kraft aus der Misere zu kommen, andere werden zum “Kundenkreis” des Jobcenters Leipzig gehören. Es wäre eigentlich für die Stadt Leipzig an der Zeit, die Ursachen genauer zu beleuchten. “Stromverschwendung” wird es in den wenigsten Fällen sein, auch wenn da und dort ein “Stromfresser” dafür sorgt, dass die Zähler rasen. Aber auch dafür braucht es irgendwann Programme. Denn die Beihilfe zum Austausch solcher alten Geräte hat man ja mit Einführung der Hartz-Gesetzgebung auch gleich mit abgeschafft. Da reicht kein Schulterzucken – da braucht es ein paar transparente Zahlen und Programme.

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