Verwaltungen machen es sich gern einfach. Viele neue Vorschriften haben oft nur den Zweck, Kosten und Aufwand (für die Verwaltung) zu reduzieren und sich anstrengende Änderungen zu ersparen. So auch bei der nun auch in der Leipziger Abfallwirtschaftssatzung auftauchenden Neuregelung, Straßen, die schmaler als 3,55 Meter sind, künftig nicht mehr mit Abfallfahrzeugen zu befahren. Da vermisste auch Nicole Bärwald-Wohlfarth ein bisschen Anstrengung im Eigenbetrieb Stadtreinigung.

Natürlich sind große Sammelfahrzeuge leistungsfähiger. Sie können während einer Tour viel mehr Tonnen entleeren, die Tour wird flotter, die Stadtreinigung spart Sprit, Zeit und Leute. Und wer in die sächsischen Kommunen schaut, sieht, dass sie alle längst so ticken müssen.

Denn finanzielle Puffer haben sie alle nicht mehr. Und die meisten haben schon so viele Kosten wie möglich auf die Bürger umgelegt. Da steht nicht nur in Leipzig die Frage: Fährt man nun noch mit den teuren neuen Sammelfahrzeugen durch (zu) schmale Straßen und riskiert dabei Blechschäden und Zeitverlust?

Wenn man einfach eine Mindestbreite definiert und das in der Satzung festschreibt, braucht man da ja nicht mehr durchzufahren. Sollen doch die Anwohner ihre Tonnen vor bis zum Sammelplatz rollen.

Bürgerfreundlich ist das nicht, stellt die SPD-Stadträtin Nicole Bärwald-Wohlfarth fest. Und benennt damit eine Entwicklung, die zunehmend mehr Bürger verärgert. Denn damit laden Verwaltungen ihren Unwillen, Dinge anders zu denken, einfach als Service-Verschlechterung bei den Bürgern ab.

So geht das nicht, findet die SPD-Stadträtin: „Die korrekte Entsorgung der Abfälle ist eine Pflichtaufgabe jedes Leipzigers und jeder Leipzigerin und darf nicht unnötig erschwert werden. Die sich ausweitende Praxis per definitionem zu schmale Straßen nicht mehr mit Entsorgungsfahrzeugen anzufahren und den Bürgern und Bürgerinnen das Verbringen des Abfalls um zum Teil mehrere hundert Meter zuzumuten ist der Rückzug aus der Daseinsvorsorge für alle Leipzigerinnen und Leipziger.“

Da steht sichtlich die Frage im Raum: Müssen sich eigentlich die Bürger der Stadtreinigung anpassen oder muss die Stadtreinigung der Stadt angepasst werden? Wer ist eigentlich für wen da und wer wird eigentlich zur Kasse gebeten?

Man merkt schon, dass Leipzigs Stadtreinigung hier eine unsichtbare Grenze überschritten hat, auch wenn es erst einmal „nur“ die Bewohner der eher am Stadtrand liegenden Ortsteile betrifft. Aber selbst im Stadtinneren gibt es Straßen, die zwar baulich breit genug sind, aber auch werktags so zugeparkt, dass von einer Fahrbreite von 3,55 Meter für die Abfallfahrzeuge keine Rede mehr sein kann. Hier wird also etwas Grundsätzliches aufgemacht. Und die SPD-Stadträtin dürfte mit ihrem Antrag zur Abfallwirtschaftssatzung nicht allein bleiben.

„Die im Zweifel bei Älteren, Mobilitätseingeschränkten oder erkrankten Personen hierbei auftretenden Probleme mit dem Verweis auf Hausmeisterdienste oder nachbarschaftliche Hilfe auf die betroffenen abzuwälzen widerspricht dem Gedanken einer solidarischen Stadtgesellschaft grundlegend.

Im Zweifel wird die regelmäßige Entsorgung des Abfalls zu einer Frage des Geldbeutels, die sich dann weiter verschärft, wenn es am vorgesehenen Sammelpunkt durch Passanten zu Fehlwürfen kommt und unter Umständen Gebühren für Sonderleerungen entstehen“, stellt sie noch fest.

„Bei einem solchen Prozedere werden Anwohnerinnern und Anwohner schmalerer Straßen unangemessen benachteiligt, weswegen mittels der oben genannten Punkte schnellstmöglich Abhilfe geschaffen werden muss.“

Und so schlägt sie jetzt in Änderung des vorgelegten Satzungsentwurfs vor:

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass

  1. die Entsorgung von Abfällen auch weiterhin in Straßen stattfindet, deren Breite unter 3,55m liegt,
  2. Paragraf 2 (19) der Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Leipzig dahingehend geändert wird, dass auch schmalere Straßen als „befahrbare Straßen“ gelten,
  3. die Stadtreinigung in die Lage versetzt wird, zeitnah kleinere Fahrzeuge zu beschaffen.“

Hamburg hat es längst vorgemacht. Die Fahrzeuge gibt es. Und manchmal muss eine Verwaltung eben auch einsehen, dass nicht alle Bürger gleich behandelt werden können, nur weil sich das in Satzungen so schön einfach macht. Erst recht nicht, wenn sich Dienstleistungen damit auch noch verschlechtern.

Änderung in der Leipziger Abfallwirtschaftssatzung sorgt für politischen Ärger

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Es gibt 3 Kommentare

Volle Zustimmung. Danke.

Fakt ist: die Stadt verdichtet sich seit Jahrzehnten. Die Abläufe verändern sich. Alles wächst. Allerdings können die Hausstrukturen nicht eben gelüftet und die Straßen breiter gemacht werden (siehe Problem MIV, ÖPNV, Rad/Fußgänger). Man kann versuchen, der Wirtschaftlichkeit wegen alles größer und effizienter zu machen. Aber irgendwo ist eben aufgrund der begrenzten Baustruktur Schluss. Oder soll zukünftig einmal in der Woche ein Müllzug in den Hbf einfahren und jeder bringt gefälligst seine Tonne dorthin? Weil das spart ja Kosten.

* Private Blechhaufen müssen auf das Notwendige reduziert werden. Korrekt: Was ist mit Rettungsdiensten; die Autos werden nicht kleiner, eher größer…!?
* Es kann auch gern kleinere Müllautos für bestimmte Straßenzüge geben; die Leerung kostet dann aber 20ct mehr. (Ich habe ja Einfluss, wo ich in dieser prosperierenden Stadt hinziehen möchte; schmale Straßen haben auch Vorteile)
* Feste, tageweise Parkverbote kenne ich aus anderen Städten – super eindeutig und praktikabel.

Richtig: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Man sollte sich nicht den störrischen Verwaltungsstrukturen ausliefern lassen; dort müssten eigentlich Leute mit gesundem Menschen- und Sachverstand solche Probleme denken und organisieren.

Die jetzige Lage deutet leider nicht darauf hin.

Torte Eisenwille hat mir die Worte aus dem Mund genommen. Aber es bräuchte noch nicht einmal in allen Fällen generelle Parkverbote (die trotzdem zu begrüßen wären, denn Straßen sind dazu da, dass man darauf fahren kann und nicht, um darauf sein Blech abzustellen.*)). Halteverbote an den Tagen der Müllabholung/Straßenreinigung würden schon helfen und sollten, wenn die Termine lange genug bekannt sind, auch kein allzugroßes Problem darstellen…

*) Wenn z. B. eine Straße, die keine Einbahnstraße ist, nicht breit genug ist, dass sich zwei Fahrzeuge in entgegengesetzter Fahrtrichtung aneinander vorbei bewegen können, falls dort geparkt wird, dann DARF dort m. E. überhaupt nicht geparkt werden…

Die Dame von der SPD macht es sich damit allerdings auch erschreckend einfach und verschließt die Augen vor dem eigentlichen Problem, dass hier angerissen wird. Ich komme selber beruflich sehr oft durch viele der betroffenen Straßen und sehe die Schuld schon auf eine gewisse Weise bei den Anwohner*innen. Oft reicht der Platz nämlich genau deshalb nicht, weil schmale Straßen links und rechts mit Autos zugeparkt sind, die ja offensichtlich jede*r in Hülle und Fülle und immer absonderlicheren Größen braucht. Man könnte der Stadtreinigung (und nebenbei auch den Rettungsdiensten, die ja auch nicht unbedingt mit dem Smart anrücken) die Arbeit ermöglichen, wenn man in den betroffenen Gebieten (vor allem Gohlis/Eutritzsch, aber auch anderswo) über Parkverbote nachdenken würde. Solange man aber den Irrglauben lebendig hält, dass Straßen nur zum Parken des privaten Blechhaufens da sind, solange diskutiert man dann über Symptome und nicht über Ursachen.

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