Am Sonntag, 15. Januar, ist ganz offiziell Welttag der Migranten. Ist zwar ein bisschen schräg, wenn die Agentur für Arbeit Leipzig und das Jobcenter Leipzig den Tag zum Anlass nehmen, eine Zwischenbilanz zur Neuregelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu ziehen. Aber natürlich könnte eine ordentliche Einwanderungspolitik Deutschland mehr Zuzug verschaffen. Insbesondere Leipzig hat die "Freizügigkeit" fast gar nicht betroffen.

Seit 1. Mai 2011 haben die Menschen aus den EU-Mitgliedsländern Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Für die sogenannten EU-8-Länder, die ab 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, bestanden zunächst Einschränkungen bei der Arbeitssuche in Deutschland. Während der Europäische Binnenmarkt für den Waren- und Kapitalverkehr sofort geöffnet wurde, galten für die Arbeitnehmerfreizügigkeit zunächst Beschränkungen. Mit Übergangsfristen hatten die alten EU-Länder die Möglichkeit, ihre Arbeitsmärkte vor unkontrollierter Zuwanderung zu schützen. Deutschland gehörte zu den Ländern, die diese Übergangsregelungen voll ausgeschöpft haben.

Seit Mai vergangenen Jahres können sich die Bürger der EU-8-Länder genauso selbstverständlich in Deutschland einen Job suchen wie Franzosen oder Spanier. “Dennoch ist die von einigen befürchtete Welle aus Osteuropa ausgeblieben”, so die Bilanz von Elke Griese, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, zu den Entwicklungen im Agenturbezirk Leipzig seit Mai 2011.

Im Dezember 2011 waren nur 416 Personen aus den sogenannten EU-8-Ländern im Agenturbezirk Leipzig arbeitsuchend registriert. Vor einem Jahr im Dezember 2010 waren es 393 gewesen. Nach dem Wegfall der Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2011 waren dies 375. Im Dezember 2011 haben sich 47 Personen aus den betreffenden Mitgliedsstaaten neu arbeitsuchend gemeldet.
“Durch den Wegfall der Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai des vergangenen Jahres gelten nun die gleichen Bedingungen für Deutsche wie für EU-Ausländer. Dies betrifft zum Beispiel die Bestimmungen zum Arbeitsschutz, zum Mindestjahresurlaub und natürlich auch die hier geltenden tariflichen Regelungen”, ergänzt Dr. Simone Simon, Geschäftsführerin des Jobcenter Leipzig, jene Aspekte der Freizügigkeit, die eben den Arbeitgebern auch klare Pflichten gegenüber den Arbeitern aus Osteuropa zuweist. Von “Billigjobbern” kann, wenn die Regeln tatsächlich eingehalten werden, nicht wirklich die Rede sein.

Während Länder wie Großbritannien, Irland oder Schweden ihre Arbeitsmärkte für die neuen EU-Mitglieder ab 2004 ganz oder unter Auflagen geöffnet hatten, gehörte Deutschland mit Österreich zu den Ländern, die ihren Arbeitsmarkt am längsten abgeschottet und die Übergangsfrist von sieben Jahren voll ausgeschöpft haben. Die Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern von 2004 konnten bis 30. April 2011 nur mit einer Arbeitsgenehmigung-EU in Deutschland eine Arbeit aufnehmen. Lediglich für Akademiker aus den EU-8-Staaten wurde der Arbeitsmarkt bereits ab 2009 geöffnet.

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Durch die vollständige Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat sich für die Arbeitsagentur und für das Jobcenter nichts geändert. Nicht beim Aufwand, nicht bei den zu betreuenden Personen aus dieser Staatengruppe. “Eine unserer Hauptaufgaben besteht darin, Arbeitgeber und Arbeitsuchende passgenau zusammenzubringen und zwar unabhängig von der Herkunft und der Nationalität der Menschen”, so Dr. Simone Simon.

Die Zuwanderung nach dem Wegfall der letzten Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nicht nur im Agenturbezirk Leipzig moderat ausgefallen, sondern auch bundesweit. Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), welche sowohl Zu- als Abwanderungsbewegungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigen, ergaben für das Jahr 2011 einen Wanderungssaldo von etwa 60.000 Personen. Und die meisten davon zog es in die prosperierenden Bundesländer im Süden der Republik.

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