Irgendwas im Leipziger Rathaus läuft seit einer Weile nicht mehr wirklich rund. Seit über einem Jahr schwelt die Debatte um die Neuvergabe der Stromkonzessionen im Netz der 1999/2000 eingemeindeten Leipziger Ortsteile. 2011 hatte - nach einem umfassenden Bewertungsverfahren - die Stadtverwaltung den alten Netzbetreiber auch zum neuen erklärt - enviaM. Bis die Stadträte Druck machten, die Bewertung einsehen zu dürfen.

Im Ergebnis stellte sich heraus, dass die Bewertung in wichtigen Punkten durchaus Spielräume zeigte und das Angebot der stadteigenen Stadtwerke durchaus deutlich höher hätte bewertet werden können. Der Abstand zwischen den beiden Angeboten – dem der enviaM und der Stadtwerke – war so marginal, dass man das Verfahren am Ende durchaus als zumindest unentschieden hätte werten können. Normalerweise ein Fall, in dem eine Verwaltung die endgültige Entscheidung auch in die Hände der gewählten Bürgervertreter hätte legen können.

Doch irgendwie traut man dem Stadtparlament nicht mehr so richtig. Lieber wandte sich Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) an das Bundeskartellamt, um sich von dieser Seite “Verfahrenssicherheit” bestätigen zu lassen. Aber eine solche gibt es nur eingeschränkt. Es kann auch im verschwiegensten Verfahren passieren, dass am Ende mehrere kompetente Bewerber Kopf an Kopf liegen.

Dafür – und das wird in Leipzig nur allzuoft vergessen – hat man dann politische Entscheidungsgremien, die im Sinne der Bürger entscheiden können, wohin die Reise geht. Auch wenn es immer wieder behauptet wird: Die Wirtschaft – und damit auch die sich bewerbenden Unternehmen – haben nicht das Primat in der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen. Auch wenn sie dann, wenn sie nicht wie erwartet den Zuschlag bekommen, mit dem Gang vors Gericht drohen.

Was manche Unternehmen gern tun. Das baut Druck auf.Eigentlich war im Mai schon klar, dass das Verfahren neu eröffnet wird. So hat es auch die Stadtverwaltung klar gestellt. Ein Kartellamt kann am Ende tatsächlich nur bestätigen, ob ein Verfahren rechtskonform und für alle Bewerber fair abgelaufen ist. Was auch für eine Stadtverwaltung nicht bedeutet, dass sie sich hinter dem Wettbewerb verstecken kann. Erst recht nicht, wenn – wie diesmal – deutlich wird, dass ein guter Teil der vergebenen Punkte subjektiver Art sind und ihre Vergabe an politischen Entscheidungskriterien gemessen werden kann – oder muss. Da muss auch eine Verwaltung Farbe bekennen und den gewählten Stadträten klar erklären, was sie nun will – eine Stärkung der eigenen Kommunalwirtschaft oder eine Diversifizierung der Konzessionen im Stadtgebiet.

Das ist eine politische Entscheidung, die aufs engste mit der eigenen Energie- und Klimapolitik zu tun hat.

Die Linksfraktion im Stadtrat versteht diesen Eiertanz auch nach dem Brief des Kartellamtes an den Oberbürgermeister nicht: “Die Fraktion Die Linke bleibt bei ihrer Entscheidung, auf der Grundlage der Ausschreibungsunterlagen die Stromkonzessionen an die Stadtwerke zu vergeben. Daran ändert auch der Brief des Kartellamtes nichts. Das vom Stadtrat eingeforderte Gutachten belegt eindeutig, dass bei der Ausschreibung Fehler begangen wurden, so dass die Stadtwerke bei einer fairen Punktevergabe das bessere Angebot abgegeben haben. – Oberbürgermeister Jung hat in der Bewertung der Angebote Unzulänglichkeiten zugelassen, die nicht akzeptabel sind. Der Stadtrat als zuständiges Gremium war nicht hinreichend eingebunden”, sagt Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion, zu diesem durchaus seltsamen Verfahren, das sich in die Reihe seltsamen Verwaltungshandelns rund um das Leipziger Rechtsamt einreiht.

“Es ist nicht hinnehmbar, dass die Stadt Leipzig einen großen Konzern wie EnviaM bevorteilt und das stadteigene Unternehmen ins Abseits drängt”, kommentiert die OBM-Kandidatin der Linken, Dr. Barbara Höll, den Vorgang, der sich nun schon weit über ein Jahr hinzieht, obwohl die Konzessionen schon zum 1. Januar 2012 hätten vergeben sein sollen. “Eine Kommune wie Leipzig sollte der deutschlandweiten Tendenz der Marktbeherrschung durch die vier Energieriesen keinesfalls Vorschub leisten.”

enviaM ist zwar kein Riese – ist aber ein Tochterunternehmen des Energiegiganten RWE. Womit man bei der nun recht langen Geschichte der Versuche der Stadtverwaltung wäre, die Stadtwerke in Anteilen an private Unternehmen zu veräußern. Was zumindest für das Kernunternehmen durch den Bürgerentscheid 2008 unterbunden wurde. Für die Tochterunternehmen Perdata und HL komm galt das schon nicht mehr.

“Die Leipzigerinnen und Leipziger haben sich vor knapp vier Jahren in einem Bürgerentscheid für ihre Stadtwerke ausgesprochen. Dieses Votum sollte auch bei der Vergabe von Stromkonzessionen für Bereiche der Stadt handlungsleitend sein”, so Höll. “Nur so ist es möglich, kommunalen Handlungsspielraum zu erhalten. Der prognostizierte Gewinn von insgesamt 50 Millionen Euro käme bei der Vergabe an die Stadtwerke Leipzig allen Bürgern zugute. Erhält EnviaM den Zuschlag, fließt er ab. Einer möglichen Klage des Stromriesen sollte Leipzig gelassen entgegen sehen. Sie entbehrt aus meiner Sicht jeder Grundlage.”

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