Die SPD-Fraktion hatte gefragt und zur Ratsversammlung im Februar auch ihre Antwort bekommen. Jetzt hat das Wirtschaftsdezernat seine Antwort zu "Mittel- und Personalaufwand zur Umsetzung des Mittelstandsförderprogramms" auch schriftlich vorgelegt. Seit 2013 hat Leipzig so ein "Mittelstandsförderprogramm", untersetzt mit 550.000 Euro. Aber nichts passt auf das Ding schlechter als das so gern strapazierte Wort Mittelstand.

Das war spätestens klar, als OBM Burkhard Jung (SPD) und Wirtschaftsdezernent Uwe Albrecht (CDU) im Oktober 2013 medienwirksam eine Handvoll solcher Förderkredite vergaben. Auch an Firmen, die damit in Leipzig Ansiedlungsbeihilfe bekommen. Aber so hatten es die Leipziger Stadträte 2011 auch beschlossen. Im damaligen Beschluss wimmelt es von “Mittelstand”, da und dort aber taucht das Wort “kleine Firmen” auf, obwohl auch das übertrieben ist, denn was als Förderdimension vorgesehen ist, übersteigt den Bereich Kleinstkredit in keinem Fall. Rund 5.000 Euro gibt es pro Antrag, eventuell für einen Folgekredit dann 20.000 Euro.

Das ist lächerlich und zeigt, wie wenig Stadtverwaltung und Stadtrat überhaupt begriffen haben, wo es in Leipzig und in welchen Dimensionen es tatsächlich an Krediten für die regionale Wirtschaft fehlt. Denn das eigentliche Loch klafft zwischen diesen Mikrokrediten, die die Stadt als “Mittelstandsförderung” versteht und den Förderprogrammen des Landes, das sich vor allem auf Firmen mit siebenstelligen und höheren Umsätzen konzentriert.

Dazwischen gibt es nichts. “Es gibt hier gut 25.000 Unternehmen. Davon haben rund 22.000 Firmen weniger als zehn Mitarbeiter. Wenn jede davon noch einen einstellt, ist unser Beschäftigungsproblem gelöst”, sagte Jung im Oktober. Und hat wohl selbst nicht begriffen, dass er damit einen Witz gerissen hat. Denn mit 5.000 Euro wird keine einzige Firma einen Arbeitsplatz schaffen. Das geht auch in Leipzig erst bei 50.000 Euro los.

Aber die SPD-Anfrage im Februar zeigte, dass die Stadtspitze nicht einmal versteht, dass sie mit ihrem “Mittelstandsförderprogramm” reineweg gar nichts für den “Mittelstand” tut, sondern das Geld wie Almosen streut.

“Welche Summe wurde 2013 aus dem Mittelstandsförderprogramm abgerufen?”, fragte die SPD-Fraktion.

Die Antwort des Wirtschaftsdezernats: “Im Rahmen des am 15.10.2013 gestarteten Mittelstandsförderprogramms wurden bisher durch die Mitarbeiter des Amtes für Wirtschaftsförderung 143 Beratungsgespräche in 96 verschiedenen möglichen Förderfällen geführt. Aus diesen Vorberatungen wurden bisher 18 Förderfälle entwickelt (7 bewilligt, 1 abgeschlossen, 10 in Bearbeitung). Bisher wurde ein Förderantrag abgelehnt.

Aktuell sind Mittel in Höhe von 74.712,97 ? in verschiedenen Maßnahmen beantragt, davon wurden bereits 23.697,30 ? bewilligt und 5.000 ? ausbezahlt.
Herunter gebrochen auf die verschiedenen Fälle in den einzelnen Maßnahmen sind dies:
a) Anträge in der Bestandspflege: 62.994,67 ?/ 13 Anträge
b) Anträge in der Gründungsförderung: 7.718,30 ?/ 3 Anträge
c) Anträge in der Ansiedlungsförderung: 4.000 ?/ 2 Anträge”Die Zahlen zeigen, dass pro “Förderprojekt” sogar weniger als die von Burkhard Jung verheißenen 5.000 Euro ausgeschüttet wurden: in der “Bestandspflege” waren es 4.846 Euro pro Antrag, in der “Gründungsförderung” 2.573 und in der “Ansiedlungsförderung” 2.000 Euro. So etwas nennt man Handgeld, aber nicht Unternehmensförderung.

Dabei glaubt die Leipziger Verwaltung tatsächlich, so eine Art Unternehmensberatung zu leisten: “Bei der Bewertung der Arbeitsaufwände ist zu beachten, dass ganz bewusst ein starker Fokus auf die Unternehmensberatung und Antragsentwicklung gelegt wird. Ziel dieses Vorgehens ist es, mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen, um die besten, für die Leipziger Wirtschaft passendsten Förderbedingungen zu entwickeln.”

Was dann wohl auch erklärt, dass aus den 2013 zur Verfügung gestellten 550.000 Euro nur lächerliche 74.712,97 Euro überhaupt beantragt wurden. Das Instrument funktioniert hinten und vorne nicht. Und so steht denn beiläufig in der Antwort des Wirtschaftsdezernats, dass man das Programm 2014 zumindest modifizieren will.

“In einer zweiten Phase (ca. ab Mai 2014) soll auf Basis der Erfahrungen die Ausrichtung der Einzelmaßnahmen neu bestimmt werden und auf Nachfrage zugeschnittene Fördermaßnahmen veröffentlicht werden.”

Auch für 2014 hat der Stadtrat wieder 550.000 Euro bereitgestellt. Aber wenn es bei den Verfahrensweisen von 2013 bleibt, war das wohl der nasseste Böller, den Leipzigs Wirtschaftsförderung je abgeschossen hat. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Stadtratsbeschluss von 2011 haargenau die Fehlstelle benannte, wo es in Leipzig wirklich fehlt: “In Leipzig, wie generell in den neuen Bundesländern, ist weiterhin der Mangel an Firmen mit ausreichend Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung zu beobachten. Vor dem Hintergrund eines solchen Wettbewerbsnachteils zielt das Förderprogramm für Wachstum und Kompetenz im Leipziger Mittelstand 2013 bis 2015 auf die verstärkte Unterstützung von Innovation.”

Wer im Rathaus glaubt, mit 5.000 Euro Innovationsförderung zu betreiben, beweist nur seine Weltfremdheit.

Pieps, sagte die Maus, und gab sich mit dem Loch im Käse zufrieden.

Die komplette Antwort des Wirtschaftsdezernats: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/E4983A123E50802CC1257C910030E271/$FILE/V-f-1052-antwort.pdf

Der Stadtratsbeschluss als PDF zum Download.

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